- „Wir haben zehn Jahre lang alles probiert“
- Schranke hilft nur bedingt
- Die Gründe der Eltern
- Verkehrserziehung leidet
- Frankfurt setzt auf Schulstraßen
Das tägliche Chaos: vor der Anna-Schmidt-Schule in Frankfurt
Freitagmorgen, 7.40 Uhr, an der Anna-Schmidt-Schule in Frankfurt. Ein Porsche Cayenne hält auf dem Gärtnerweg. Ein Vater steigt aus und holt einen Schulrucksack aus dem Kofferraum. „Bis später“, sagt er und küsst seinen Sohn auf die Wange. Hinter dem Fahrzeug halten mehrere Autos – VW Lupo, Audi Q5, Mini Cooper –, aus denen Kinder aussteigen. Viele „Elterntaxis“ haben ein Frankfurter Kennzeichen, einige auch Nummernschilder aus dem Taunus. Eine Fahrradfahrerin schlängelt sich zwischen den Autos und Kindern durch. Der Porsche Cayenne fährt mit aufheulendem Motor davon. „Vollidiot“, sagt ein Vater, der seine Tochter mit dem Lastenfahrrad zur Schule gebracht hat.
„Wir haben zehn Jahre lang alles probiert“
Nicht nur vor der Anna-Schmidt-Schule staut sich zu Unterrichtsbeginn oft der Verkehr. Das Phänomen des Elterntaxis lässt sich auch an öffentlichen Schulen beobachten. Der Deutsche Städtetag fordert mehr Spielraum für Städte und Gemeinden, um gegen Elterntaxis vorgehen zu können. Frankfurts Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) findet das richtig. „Die Verkehrssituation vor vielen Schulen ist zu Unterrichtsbeginn oft gefährlich“, sagt sie. Das liege vor allem an Elterntaxis.
Das sieht die Schulleiterin der Theobald-Ziegler-Schule, Christina Raab, auch so. „Wir haben zehn Jahre lang alles probiert“, sagt die Schulleiterin der Grundschule im Stadtteil Eckenheim. Raab und ihre Kollegen organisierten Projektwochen zum Thema selbstständiger Schulweg. Schüler erhielten Stempel, wenn sie zu Fuß gekommen waren und bekamen dafür Preise. Lehrer begleiteten die Kinder zu Fuß zur Schule. Diese Aktionen hätten immer nur kurzfristig geholfen. Raab habe sich sogar selbst regelmäßig an die Straße gestellt, um Eltern anzusprechen. Dabei habe sie Sätze gehört wie „Ich musste mit dem Auto kommen, weil es geregnet hat“ oder „Sie haben mir gar nichts zu sagen“.
Schranke hilft nur bedingt
„Die Schulstraße kann natürlich nicht die erste Maßnahme sein“, sagt Ulrike Gaube, Referentin für Mobilität der Stadt Frankfurt. Vorher müsse die Schulleitung ausreichend versucht haben, mit den Eltern in Kontakt zu treten. „Manchen Eltern sind sich über das Problem gar nicht bewusst und müssen erst darauf aufmerksam gemacht werden“, sagt Gaube. Wenn alle Maßnahmen nicht fruchten und die Eltern trotzdem die Kinder bis vor das Schultor fahren, dann könne eine Schranke infrage kommen.
Die Schranke habe die Lage vor der Theobald-Ziegler-Schule zwar verbessert, aber halte beratungsresistente Eltern nicht auf. „Manche Eltern sind unbelehrbar bis hin zu unverschämt“, sagt die Schulleiterin. Einige Eltern würden ihre Kinder bis vor die Schranke fahren und dann „wild herumrangieren“, um rückwärts wieder aus der Straße zu fahren. Dabei entstünden gefährliche Situationen für Kinder, die beim Rückwärtsfahren übersehen werden könnten. Außerdem würden die Eltern nun Fahrrad- und Fußwege an einer angrenzenden Straße zuparken und so den Weg zur U-Bahn-Haltestelle „Theobald-Ziegler-Straße“ blockieren.
Die Gründe der Eltern
Die Polizisten haben die Anna-Schmidt-Schule schon aufgesucht und Eltern, die mit dem Auto kommen, angesprochen. Sie wollten die Eltern darauf hinweisen, wie gefährlich der Verkehr vor der Schule sein kann. Aber die Aktion hat offenbar nur wenig bewirkt. „Mein Kind geht in die Grundschule. Ich lasse es bestimmt nicht mit der Straßenbahn fahren“, sagt eine Mutter an der Anna-Schmidt-Schule. In Frankfurt sei das zu gefährlich. Eine andere Mutter erzählt, dass sie ihr Kind mit dem Auto fährt, weil sie aus einer ländlichen Gemeinde kommt. „Wir würden gerne Bus oder Bahn fahren, aber da kommt ja nichts“, sagt sie. Außerdem würden öffentliche Verkehrsmittel ständig ausfallen. Ein Vater sagt: „Natürlich hat das etwas mit Bequemlichkeit zu tun.“
Verkehrserziehung leidet
Gefährlich sind die Elterntaxis aber nicht nur, weil der Verkehr vor den Schulen zunimmt. Auch die Selbständigkeit der Kinder leide, meint Lauter. „Für die Verkehrserziehung ist es kontraproduktiv, wenn die Kinder auf dem Rücksitz direkt vors Schultor gefahren werden.“ Die Kinder lernten auf diese Weise nicht, sich richtig im Straßenverkehr zu verhalten. Die Polizei könne auch nicht ständig vor Schulen präsent sein und mit Eltern sprechen. „Das sprengt unser Aufgabengebiet“, sagt Lauter. Die Lehrer seien verantwortlich, die Eltern zu sensibilisieren.
Die Schulleiterin Raab meint, dass es Kindern guttut, zur Schule zu laufen. „Die Kinder sind einfach wacher, wenn sie sich vor dem Unterricht bewegen“. Außerdem können sie auf dem Schulweg schon ihre Freunde treffen. Raab glaubt, dass die meisten Kinder zu Fuß laufen wollen. Aber die Eltern trauten ihnen keinen Weg mehr allein zu: „Die Eltern sind angstbesetzt. Die Kinder dürfen ohne GPS nicht mehr draußen spielen.“
Frankfurt setzt auf Schulstraßen
Schranken allein sind kein Allheilmittel gegen Elterntaxis, aber sie können nach Ansicht der Verantwortlichen im Frankfurter Römer dazu beitragen, die Situation vor Schulen zu entschärfen. Sie wollen das Projekt Schulstraße weiter ausbauen und an insgesamt zehn Schulen Schranken installieren. Dadurch sollen die Elterntaxis wenigsten etwas ausgebremst werden.