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"Verdammt nochmal!": Leclerc zofft sich auch mit neuem Renningenieur

Wer gedacht hätte, dass es nach dem Katastrophen-Quali für Ferrari in Montreal mit dem Aus beider Autos in Q2 nicht hätte schlimmer kommen können, der wurde am Sonntag im Großen Preis von Kanada eines Besseren belehrt: Charles Leclerc und Carlos Sainz sehen beide die Zielflagge nicht, Doppel-Ausfall für die Scuderia.

Besonders bitter ist der mit Blick auf den WM-Stand für Leclerc, dessen Rückstand auf Spitzenreiter Max Verstappen um 25 Zähler auf nun 56 Punkte anwächst: Vor zwei Wochen beim Heimspiel in Monaco noch der gefeierte Sieger, lief diesmal gar nichts zusammen beim Monegassen.

Los geht die Misere bereits früh im Rennen, als es auf Leclercs Funkkanal wegen eines Motorproblems plötzlich hektisch wird: “Wir sehen etwas Seltsames beim Motor und schauen uns das an, pushe weiter”, weist Neo-Renningenieur Bryan Bozzi Leclerc schon wenige Minuten nach dem Start darauf hin, dass es Schwierigkeiten gibt.

   

Bald spürt Leclerc die auch im Cockpit, bleibt ihm die Leistung doch teilweise ohne Vorwarnung weg, wie der Ferrari-Star nach dem Rennen berichtet: “Ich weiß nicht, was passiert ist. Wir haben eine Sekunde verloren – beziehungsweise am Anfang waren es sechs Zehntel, in manchen Runden dann aber 1,2 bis 1,5 Sekunden.”

“Immer, wenn ich aufs Gas ging, wusste ich nicht, was ich bekomme. Damit war es sehr schwierig zu fahren”, erklärt Leclerc, “und natürlich auch frustrierend auf den Geraden, weil ich von allen überholt worden bin. Nervig war es obendrein, weil ich pro Runde 10 bis 15 Schalter verstellen musste, um zu versuchen alles neu zu starten und es zum Laufen zu bringen.”

 

Frust pur: Nur ein Rennen nach dem Monaco-Sieg scheidet Leclerc aus

Foto: Motorsport Images

Der Scuderia-Star glaubt: “Im ersten Teil des Rennens ist uns das noch ganz gut gelungen, da habe ich noch geglaubt, dass wir es in die Punkte schaffen können.” Doch dieser Glaube weicht spätestens mit dem Auftrocknen der Fahrbahn: “Ab da war ich auf den Geraden eine lahme Ente”, gibt Leclerc zu.

 

Ferrari schickt Leclerc mit Slicks in den Regen

In einem ohnehin chaotischen Rennen, mit ständig wechselnden Mix-Bedingungen, sei ein Problem dieser Art eine große Ablenkung: “Du willst dich voll und ganz auf die vielen anderen Sachen konzentrieren, und nicht im Unwissen sein, ob du Power kriegst oder nicht”, so der Monegasse über das Problem, das “überall” aufgetreten sei.

“Als es komplett nass war, fand ich es noch ein bisschen besser. Wenn es aber halb trocken, halb nass ist, dann wird es wirklich schwierig, weil du auf dein Lenkrad schauen musst, es aber nur eine trockene Linie gibt”, so Leclerc: “Ein paar Zentimeter zu weit, und du bist weg. Das war echt kniffelig.”

Vor eine noch größere Fingerübung stellt das Team Leclerc dann aber mit dem nächsten Ferrari-Fiasko am Kommandostand: Denn beim Boxenstopp, der Leclerc wegen des Power-Problems ohnehin schon extrem viel Zeit kostet, werden ihm Slicks aufgezogen, obwohl das Wetterradar einen neuen Regenguss androht.

 

Ebenfalls kurios: Kurz nach dem Stopp und dem damit verbundenen Neustart der Systeme, funkt Ingenieur Bozzi freudig an Leclerc: “Wir glauben, wir haben das Problem gelöst.” Das Problem ist jedoch: Zu diesem Zeitpunkt ist der Monegasse bereits 19. und Letzter – und nun mit Slicks auf einer Strecke, auf der es gerade wieder stärker zu regnen beginnt…

 

“Zwei Runden Regen, dann trocknet es. Also halte es einfach auf der Strecke und danach sind wir schnell”, bleibt Bozzis Optimismus ungebrochen. Ex-Formel-1-Pilot Christian Klien spottet bei ServusTV: “Aber danach ist es nass?!” Der Österreicher fürchtet sogar, Leclerc könne wegen der Nonsens-Strategie die Nerven verlieren: “Der kommt jetzt von selbst rein und sagt: “Hört auf, ich komme jetzt.'”

Tatsächlich ist Leclerc mit den Trockenreifen auf der glatten Fahrbahn völlig chancenlos – und flucht trotz der Bitten seines Ingenieurs nur zwei Runden durchzuhalten: “Verdammt noch mal! Es regnet zu viel, ich verliere ungefähr zehn Sekunden pro Runde.” Anschließend steuert Leclerc wenig überraschend erneut die Box an, um zurück auf Intermediates zu wechseln…

Ferraris beste Idee am Sonntag: Das Auto abstellen

Zumindest nach außen hin stellt er sich nach dem Grand Prix aber trotzdem schützend vor sein Team: “Ich wusste nach dem Problem, dass wir sowieso außerhalb der Punkte landen würden, also mussten wir etwas mit den Slicks riskieren”, verteidigt er die fehlgeschlagene Reifenwahl.

 

Chancenlos im Regen: Leclerc und Ferrari saufen in Kanada ab

Seinen am Funk ausgedrückten Ärger rechtfertigt er indes so: “Ich war mehr frustriert von der ganzen Situation und der Motor-Performance auf den Geraden, als von der eigentlichen Wahl (der Reifen), denn wenn das geklappt hätte, wäre es vielleicht unsere einzige Chance gewesen noch Neunter oder Zehnter zu werden.”

 

Nachdem aber auch dieses Experiment fehlgeschlagen ist, setzt es für den Monaco-Sieger die Höchststrafe: Er muss die Spitze zur Überrundung vorbeilassen – und weist sein Team wenig später an, über die Laufleistung des Motors nachzudenken. Heißt übersetzt: Leclerc bettelt darum, das Trauerspiel in Montreal beenden zu dürfen.

Erst eine Viertelstunde später hat Ferrari dann tatsächlich ein Einsehen mit seinem Star und funkt nach 40 Runden an Leclerc: “Charles, wir stellen das Auto ab.” Die vielsagende Antwort des frustrierten Monegassen: “Ja, das ist eine gute Idee.”

Vasseur: Vollstes Verständnis für Leclerc-Frust

Teamchef Fred Vasseur kann den Frust bei seinem Schützling nach dem Rennen voll und ganz verstehen: “Wenn er unter diesen Umständen nicht frustriert wäre, würde ich mir Sorgen machen”, scherzt der Franzose und stellt Leclerc diesbezüglich einen Freifahrtschein aus.

“Wenn du in einer Gruppe kämpfst und dir 15 km/h fehlen, du keine Chance hast zu überholen, und dir dein Ingenieur sagt, dass dir 80 PS fehlen, dann kann ich gut verstehen, dass es schwierig ist, in so einer Situation die Motivation zu finden”, sagt Vasseur und gibt sich keinen falschen Vorstellungen hin: “Du bist in Kanada, hier überholst du sicher nicht mit so einem Defizit.”

Zum Problem am Motor kann der Franzose kurz nach Rennende noch keinen Aufschluss geben: “Es ist noch zu früh, aber es war nicht nur der Motor selbst, ich denke, es war die Kontrolleinheit des Motors, die wir neu starten mussten”, so Vasseur, der zugibt, dass Ferrari dafür auf eine rote Flagge gehofft hatte.

“Die kam aber nie”, erklärt der Teamchef, der trotz eines Tages zum Vergessen für die Roten nicht seinen Humor verloren hat: “So hat es uns 30 oder 40 Sekunden gekostet. Nicht gerade der beste Boxenstopp der Saison.”

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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