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Testfahrt Audi RS e-tron GT: Kann vernünftig, ist er aber nicht!

Bis dato stand "e-tron" für große SUVs von Audi. Aber es geht auch sportlicher, schließlich teilt sich der e-tron GT die Plattform mit Porsches Taycan. So lief die Probefahrt mit Audis Top-Stromer RS e-tron GT!

testfahrt audi rs e-tron gt: kann vernünftig, ist er aber nicht! Die wohl größte Leistung an diesem Tag war es, es so aussehen zu lassen, als wäre alles ganz normal. Der RS e-tron GT ist aber nicht normal, doch bei Bedarf fährt er sich so.

Wenn “RS” an einem Audi steht wird es sportlich. Der Audi RS e-tron GT ist nicht weniger als das stärkste RS-Modell und e-tron verrät: hier geht die Luzie elektrisch ab. Der Porsche Taycan bekommt einen Stiefbruder. Bei Audi entschied man sich für einen “GT”, also einen Gran Turismo. Eine elegante, sportliche Limousine, die Leuten den Kopf verdreht. Die Testfahrt zeigte: Das ist gelungen. Ein Auto, das keiner so richtig doll braucht, aber jeder haben will. Das Teil sieht scharf aus und fährt sich auch so.

Audi e-tron GT

2021 startete der Einstiegspreis noch knapp unter 100.000. 2022 bekommt man den Audi e-tron GT mit 350 kW (476 PS) und 640 Nm Drehmoment ab 101.600 Euro. Der Verbrauch nach NEFZ soll bei rund 20 kWh liegen. Das erfordert zweifellos einen leichten Gasfuß und ein Portion Selbstdisziplin. Der Akku hat eine Kapazität von 93,4 kWh, wovon 83,7 kWh nutzbar sind. Die 650 Kilogramm des Akkus im Unterboden drücken den Schwerpunkt des nur 1,44 m flachen GTs kräftig Richtung Asphalt. Im WLTP-Testzyklus soll der Audi 475 km weit kommen. Dazu muss man wissen, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit in diesem Messprozedere bei knapp 47 km/h liegt, also rund 200 km/h unter den Möglichkeiten des e-tron GT. Dementsprechend hat auch der angegebene Verbrauch reichlich Luft nach oben. Eine serienmäßige Wärmepumpe soll insbesondere im Winter den Mehrverbrauch fürs Heizen im Zaum halten. Im Launch-Control-Boost-Modus geben die permanent erregten Synchronmaschinen an Vorder- und Hinterachse für 2,5 Sekunden noch mehr Leistung (530 PS/640 Nm) ab und beschleunigen das 2,35 Tonnen schwere Auto in 4,1 Sekunden auf Tempo 100.testfahrt audi rs e-tron gt: kann vernünftig, ist er aber nicht!

Der Audi RS e-tron GT ist aus jedem Blickwinkel ein Hingucker.

Audi RS e-tron GT – der stärkste RS!

Apropos “permanent erregt”: Wir steigen ein in den Testwagen, das Top-Modell Audi RS e-tron GT. Erhältlich ab 140.000 Euro. Wer sich zügellos im Konfigurator austobt, drückt das Teil mit Sonderlack, Keramikbremsen, Assistenzsystemen, Carbondach und Matrix LED über 190.000 Euro. “RS” steht bei Audi für Rennsport und dieser Elektro-RS ist der bisher stärkste RS: 440 kW (598 PS) und 830 Nm. Der Launch Control Boost (Onboard-Video bei Twitter) erhöht kurzzeitig auf 646 PS und kickt den Piloten in 3,3 Sekunden auf Landstraßentempo.Heidewitzka! Ich möchte es mal so beschreiben: Auf den ersten Schreck folgt ungläubiges Staunen und debile Freude. Völlig souverän und aufreizend lässig. Auf Wunsch mehrfach hintereinander. Das ist nicht selbstverständlich. Im Gegensatz zu einem Verbrenner, der beim Launch-Control-Start bei optimaler Drehzahl verharrt und lärmend auf den Abschuss wartet, reicht es beim GT, das Auto mit der Bremse zu fixieren (linker Fuß) und den rechten Fuß aufs Gas zu stellen. Beim Lösen der Bremse gibt es dann einen Tritt in den Siewissenschon. Theoretisch geht das auch an der Ampel, aber solche Beschleunigungsorgien sind nicht stadtkompatibel. Eine Spielerei wie das Auto selbst: Braucht eigentlich keiner, aber es begeistert! So funktioniert Luxus. Dabei fährt sich der RS wie sein Motorrad-Pendant Zero SR/S im Alltag lammfromm und beherrscht auch die langsame Gangart samt Stop-and-go in der Stadt, und zwar in jedem Fahrmodus.

Was kann er nicht so toll?

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Mann sitzt tief und gut drin, aber nach oben ist der Platz beschränkt.

Über die Schaltwippen können Sie die Rekuperation, also die Energierückgewinnung, beim Verzögern zwar erhöhen, aber bequemes One-Pedal-Driving kann der GT nicht. Hier ist ein Tritt auf die Bremse nötig. Dann fließen bis zu 265 kW zurück in den Akku. Eng wird es wortwörtlich in Kapiteln wie Übersichtlichkeit oder Platzangebot. Hinter mir (1,90 m) könnte ich zwar selbst sitzen, aber die vorderen und die hinteren Sitze sind von einer sportlichen Enge geprägt und auch die Frisur sollte nicht zu viel auftragen. Als Alternative zu Ledergestühl bekommen Sie Stoffsitze aus recycelten Materialien, die einen prima Eindruck gemacht haben und in denen man mit einem noch besseren Gewissen Platz nehmen darf. Unabhängig vom Sitz sieht man vorn viel Haube, hinten viel Hutablage und ein Fensterchen für den rückwärtigen Verkehr.

Gucken und Bedienen

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Der Innenraum bietet die gewohnt hohe Audi-Qualität.

Der Audi e-tron GT lädt dazu ein, entspannt Kilometer abzuspulen und sich am Interieur zu erfreuen. Die Bedienung ist ein gelungener Mix aus physischen Tasten und Touchflächen. Das Hauptdisplay im Blickfeld hat eine Diagonale von 12,3 Zoll. Zusätzlich projiziert der GT per Head-up-Display in die Windschutzscheibe Informationen wie zulässige Höchstgeschwindigkeit, die 3 Meter vor dem Auto zu schweben scheinen. Das MMI-touch-Display in der Mittelkonsole bringt es auf 10,1 Zoll. Die Fülle an Informationen, Karten und Darstellungsmöglichkeiten erfordert für Neulinge schon etwas Eingewöhnungzeit.testfahrt audi rs e-tron gt: kann vernünftig, ist er aber nicht!

Das Bein passt locker zwischen Mittelkonsole und Lenkrad, aber bei großen Lenkbewegungen wird es in der Sitzposition eng mit der Hand.

Laden mit bis zu 270 kW

Wenn Akkutemperatur, SoC (State of Charge – Akkustand) und Ladesäule sich optimal verstehen, lädt der e-tron GT mit bis zu 270 kW. In 5 Minuten sind so 100 km Reichweite möglich. Eine Ladung von 5 auf 80 Prozent SoC dauert unter idealen Bedingungen 22,5 Minuten. Zu Hause laden Sie mit bis zu 11 kW, und zwar auf Wunsch links oder rechts. Damit Sie mal ein Gefühl dafür bekommen, was für Ströme fließen: Mit dem Handy-Netzteil (5 Watt) würde eine Ladung theoretisch 700 Tage dauern! Mit einem Schnellladenetzteil (50 Watt) auch noch 70 Tage. Vergessen Sie also die Idee mit der Powerbank.testfahrt audi rs e-tron gt: kann vernünftig, ist er aber nicht!

Von wegen “recht freundlich”. Ein GT muss grimmig gucken. Das tut der Audi RS e-tron GT.

Tief und schnell

Auf nahezu allen Fotos werden Sie den RS im “Efficiency-Modus” sehen. Denn kurioserweise sieht das Auto im Sparmodus, welches den Vortrieb auf 140 km/h begrenzt, am besten aus, weil es 22 Millimeter runterfährt, um weniger Luftwiderstand zu bieten. Der CW-Wert fällt mit 0,24 übrigens erstaunlich niedrig aus. Plastikblenden in den Aero-Alufelgen verringern Luftverwirbelungen und sorgen so laut Audi im Vergleich zu normalen Alufelgen für 12 km mehr Reichweite. Ab etwa 60 km/h ist die Luft der stärkste Gegner für den Vortrieb. Hier hat der GT einen Vorteil im Vergleich zu den SUVs mit ihrer größeren Stirnfläche. Auf der Autobahn gleitet man vergleichsweise ruhig dahin. Auch bei Tempi jenseits der 200 bleibt man geradezu unverschämt gelassen. Audi lässt den RS bis 250 km/h laufen, damit Sie sich mit 5 km/h vom normalen GT absetzen können. Dafür haben Sie ja schließlich auch mindestens 38.400 Euro mehr hingeblättert.

Soundcheck im Elbtunnel?

Mit Vernunft ist diesem Auto schwerlich beizukommen. Es soll Emotionen für die Elektromobilität wecken. Und das gelingt dem GT bravourös. Dazu trägt auch der synthetische Sound bei. Bis 30 km/h dient er primär dem Fußgängerschutz, darüber hinaus soll er den Fahrspaß intensivieren. Der Ton aus den Lautsprechern ist variabel und richtet sich wie ein Verbrenner nach dem Fahr- und Lastzustand. Ein tiefes Brummen vermittelt Kraft, in der Beschleunigung mischt sich ein futuristischer, aber durchaus gefälliger Sound dazu. Wenn man konstant dahingleitet, herrscht weitestgehend Ruhe. Wer will, kann die akustische Unterstützung ausschalten. Uns hat es aber gut gefallen. Sogar der Soundcheck im Elbtunnel macht bei diesem Elektroauto Sinn. Bei einem Stromstoß bei 50 km/h hallt der dumpfe Sound der äußeren Lautsprecher seltsam vertraut zurück. Präsent, aber dezent.testfahrt audi rs e-tron gt: kann vernünftig, ist er aber nicht!

Plastikblenden auf der Alufelge sorgen für mehr Reichweite.

Test-Fazit: Audi RS e-tron GT

Der Audi RS e-tron GT macht es einem nicht leicht, ein objektives Urteil zu fällen. Andere E-Autos mögen – pardon sind praktischer und viel preiswerter, aber Audi verteilt auf 4,99 m Länge knapp 2,5 Tonnen “Will-ich-haben-Gefühl”. Beim Beschleunigen scheint vom Gewicht nicht mehr viel da zu sein. Das konnten andere E-Autos zwar auch schon, aber wenige sind so sexy verpackt.

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