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Stellantis-Chef: „Die deutschen Opel-Werke haben sich sehr stark verbessert“

stellantis-chef: „die deutschen opel-werke haben sich sehr stark verbessert“

Carlos Tavares führt den multinationalen Autokonzern Stellantis.

Carlos Tavares, Chef des europäisch-amerikanischen Autokonzerns und Opel-Eigentümers Stellantis, ist bekannt dafür, dass er gerne Klartext redet. Aber auch für die Verhältnisse des Portugiesen war das Interview, das er vor elf Monaten der F.A.S. gab, knallhart. In einem Besprechungsraum in der Opel-Zentrale in Rüsselsheim las der Portugiese der deutschen Tochtergesellschaft von Stellantis die Leviten.

Tavares beschwerte sich über eine ungenügende Produktqualität, die die drei deutschen Opel-Werke in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern lieferten. „Harte Arbeit“ sei notwendig, um besser zu werden, stellte der Konzernchef klar. Nicht nur andere Stellantis-Fabriken in Europa, sondern auch chinesische Hersteller bauten Autos in besserer Qualität als die deutschen Opel-Werke. Das saß. Die frontale Attacke sorgte in der Belegschaft für große Verunsicherung und schlug in der Branche Wellen.

Ein knappes Jahr später sitzt Tavares wieder in Rüsselsheim zum Interview am Besprechungstisch. Zweimal im Jahr fliegt der 64 Jahre alte Stellantis-Chef zum „Business Review“ ein: Er geht mit dem Opel-Management vor Ort Zahlen und Geschäftsentwicklung durch und spricht auf einer Belegschaftsversammlung.

„Die Herausforderung angenommen“

Wie waren intern die Reaktionen auf sein schonungsloses Interview vom vergangenen Frühjahr? „Es gab eine sehr gute Reaktion“, lautet seine Antwort, die ohne eine Sekunde des Nachdenkens kommt. „Die deutschen Opel-Werke haben sich sehr stark verbessert. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben die Herausforderung angenommen und innerhalb kurzer Zeit Ergebnisse geliefert. Dazu möchte ich gratulieren.“ Seine unmissverständliche Botschaft vom vergangenen Jahr kam an und zeigte die intendierte Wirkung. Tavares ist erst einmal zufrieden.

Das vor 161 Jahren gegründete hessische Traditionsunternehmen Opel ist nur ein Hersteller von vielen im Stellantis-Reich. Der Konzern mit Hauptsitz in den Niederlanden ist Anfang 2021 aus der Fusion von Fiat-Chrysler mit dem früheren Opel-Eigner Peugeot hervorgegangen.

Mit 270.000 Mitarbeitern und rund 90 Fabriken ist Stellantis einer der größten Autokonzerne der Welt. Insgesamt 14 europäische und amerikanische Marken gehören zu der Unternehmensgruppe, darunter neben Opel auch Citroën, Peugeot, Fiat, Alfa Romeo, Jeep und Chrysler. Vergangenes Jahr hat Stellantis einen Rekordgewinn von 16,8 Milliarden Euro eingefahren.

Tavares ist drahtig und wirkt asketisch. In der Autoindustrie hat er einen Ruf als harter „Kostenkiller“, der Tausende von Arbeitsplätzen gestrichen und Stellantis und sein Marken-Sammelsurium auf Profitabilität getrimmt hat, indem er konsequent Verbundvorteile in der Gruppe nutzt. Auch bei Opel läuft derzeit wieder ein Stellenabbauprogramm auf freiwilliger Basis. Tavares selbst ist mit einem Jahreseinkommen im zweistelligen Millionenbereich einer der bestbezahlten Automanager der Welt.

„Rüsselsheim hatte die schwächste Bewertung“

Bei Opel hatte der Konzernchef vergangenes Jahr vor allem die Qualitätsprobleme in Rüsselsheim im Visier. Rund 9.000 der 13.000 deutschen Stellantis-Beschäftigten arbeiten im Opel-Stammwerk in der Nähe von Frankfurt. Dort wird unter anderem das Kompaktmodell Astra montiert. „Rüsselsheim ist das Werk, das wir uns am meisten angeschaut haben“, sagt Tavares. „Es hatte die schwächste Bewertung der drei deutschen Fabriken und lag in den unteren 25 Prozent unserer Werke weltweit.“

Jetzt dagegen gibt der Stellantis-Chef vorerst Entwarnung. Die Opel-Fabrik in Hessen habe sich im konzerninternen Qualitätsranking nach oben gearbeitet und liege im Mittelfeld.

Die Zukunft der deutschen Opel-Standorte ist damit laut Tavares „mittelfristig sicher“. Die Marke habe sich sehr gut entwickelt. „Die Gewinnmargen sind ähnlich wie bei unseren besten europäischen Marken.“ Bestandsgarantien aber gibt es nicht: „Können Sie mir irgendwas nennen, das heute in dieser Welt sicher ist? Aus meiner Sicht ist derzeit die gesamte europäische Autoindustrie gefährdet“, sagt Tavares, der wie alle Hersteller mit Hochdruck seine Fahrzeugflotte vom Verbrennungsmotor auf Elektroantrieb umstellen muss.

„Durchschnittlich zu sein ist nicht gut genug für Deutschland“

Beim Absatz gibt es laut Stellantis-Chef Luft nach oben. Vergangenes Jahr sind die Verkaufszahlen von Opel in Europa um fast 13 Prozent zurückgegangen, was auch an Lieferkettenproblemen lag. „Wir haben dieses Jahr die große Chance mit Opel in Deutschland und Europa besser zu werden“, sagt Tavares. Der europäische Marktanteil der Marke mit dem Blitz könne binnen drei Jahren von knapp 4 auf 5 Prozent gesteigert werden.

Der Automanager lässt keinen Zweifel daran, dass er Opel noch lange nicht am Ziel sieht in Sachen Produktqualität. „Durchschnittlich zu sein ist sicher nicht gut genug für Deutschland. Natürlich sollten unsere deutschen Werke zu den obersten 25 Prozent von Stellantis gehören. Wir brauchen noch mehr Fokus und müssen noch strenger zu uns ein, uns noch mehr abverlangen.“

„Der teuerste Ort der Welt, um Autos herzustellen“

Es gebe für die deutschen Werke auch ein massives Standort-Handicap: „Die Kosten müssen in Deutschland weiter stark verbessert werden“, fordert Tavares. „Deutschland ist derzeit der teuerste Ort der Welt, um Autos herzustellen. Das sind Fakten.“ Die Produktionskosten an den deutschen Standorten seien viermal so hoch wie in Süd- und Osteuropa. „Zwar ist auch die Arbeitsproduktivität höher, aber eben nicht viermal so hoch wie in anderen europäischen Ländern“, warnt der Stellantis-Chef.

Der Konkurrenzdruck im europäischen Automarkt wächst laut Tavares. Vor allem neue Anbieter aus China wie BYD, MG und Great Wall, die mit ihren Elektroautos auf den europäischen Markt drängen sieht er als Bedrohung an. „Ich mache mir Sorgen um den Import chinesischer Autos nach Europa – ein Markt, der den chinesischen Herstellern völlig offen steht.“

Die niedrigeren Preise der chinesischen Autos seien eine Gefahr für Europas Autoindustrie. „Wenn die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher nur das billigste Auto haben wollen, dann wird der Preiswettbewerb sehr hart.“ Auch IG-Metall-Chef Jörg Hofman hat kürzlich im F.A.S.-Gespräch vor den Folgen der anrollenden chinesischen Auto-Exportoffensive nach Europa gewarnt. Der Gewerkschafter sieht dadurch viele Arbeitsplätze bedroht.

Noch sind die Verkaufszahlen der Hersteller aus China in Europa gering. Aber Tavares ist alarmiert. „Die Importe steigen dynamisch“, warnt er und verweist auf Schätzungen, wonach chinesische Anbieter ihren Marktanteil bis 2025 auf 15 Prozent verdreifachen könnten. „Meine Sorge ist: Bis die Europäische Union das Problem erkennt, wird es zu spät sein,“ sagt Tavares. Opel ist stark vom Absatz in Europa abhängig.

Das Interview ist zu Ende, der Stellantis-Chef hat es eilig, er muss zum Flughafen. Ein schneller Händedruck und er ist weg. Es bleibt noch Zeit für ein schnelles Gruppenbild mit seiner deutschen Manager-Riege vor der Opel-Zentrale. Dann ist er weg. Bis zum nächsten „Business Review“ in Rüsselsheim.

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