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Seat Tarraco 1.4 e-Hybrid (2024) im Test: Großer Geheimtipp

Was kann der unbekannte Kodiaq-Bruder mit Plug-in-Hybrid?

seat tarraco 1.4 e-hybrid (2024) im test: großer geheimtipp

Sie brauchen ein großes, aber noch einigermaßen bezahlbares Auto für die Familie? Gar nicht so einfach. Klar, es gibt ganz frisch die Neuauflagen des VW Passat Variant und Skoda Superb. Aber so ein Van war früher schon etwas Feines. Zwar gibt es (noch) den VW Touran, ein Multivan ist hingegen zu bussig. Was tun? Wir hätten da einen Geheimtipp für Sie: den Seat Tarraco.

Was ist das?

Seit 2018 ist der Seat Tarraco auf dem Markt, Grundlage bildete der VW Tiguan Allspace, weshalb es auch eine Verwandtschaft zum ersten Skoda Kodiaq gibt. Basis: MQB-A-LWB-Plattform (LWB: Long Wheelbase, langer Radstand). Optisch ist die Ähnlichkeit greifbar, trotzdem blieb (und bleibt) der Tarraco bei vielen unter dem Radar.

Schnelle Daten Seat Tarraco 1.4 e-Hybrid FR (2024)
Motor Turbobenziner, 1.395 ccm plus Elektromotor
Getriebe 6-Gang-DSG
Antrieb Frontantrieb
Leistung 110 kW (150 PS); 180 kW (245 PS) Systemleistung
Drehmoment 250 Nm von 1.550 – 3.000 U/min; 400 Nm Systemdrehmoment (kurzzeitig)
Basispreis 49.960 Euro

Das belegen auch die deutschen Verkaufszahlen: Nicht einmal 2.000 Neuzulassungen in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 und damit das Schlusslicht im aktuellen Seat-Programm. Eine verkannte Größe also?

Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Sonderausstattungen | Wissenswertes | Fazit

Exterieur

Sachlich, zeitlos, übersichtlich. Noch immer gilt, was wir einst beim ersten Test des Seat Tarraco geschrieben haben: “Eine relativ spitze Nase mit markantem Grill (für die Außen- und Innenbeleuchtung des SUVs wird serienmäßig ausschließlich LED-Technologie verwendet) und ein ansehnliches Heck. Dazwischen eine Sicke auf Höhe der Türgriffe, die das Fahrzeug optisch streckt. Kommt Ihnen bekannt vor? Tatsächlich übernimmt der Tarraco besagte Sicke samt der Türen vom VW Tiguan Allspace.”

Die Rundumsicht ist dank großer Seitenfenster gut, die am unteren Ende zweigeteilte A-Säule mit dem zusätzlichen Glaselement sorgt nicht nur für etwas mehr Durchblick, sondern auch dafür, dass man sich in dem recht mächtigen Auto weniger eingeengt fühlt – das optionale Glasdach trägt natürlich auch dazu bei.

Abmessungen Seat Tarraco 1.4 e-Hybrid FR (2024)
Länge 4.735 mm
Breite 1.839 mm
Höhe 1.658 mm
Radstand 2.790 mm
Kofferraumvolumen 610 – 1.920 Liter
Leergewicht 1.868 kg
Zuladung 597 kg
Anhängelast 1.800 kg, Stützlast 100 kg

Interieur

Das Raumangebot des Seat Tarraco ist nach wie vor über jeden Zweifel erhaben. Ob groß gewachsener Fahrer mit Basketball spielendem Sohn hinter dem Fahrersitz im Fond oder Gepäck im Kofferraum, hier ist für alle und alles genügend Platz.

Konkret bedeutet das 760 bis 1.920 Liter Kofferraumvolumen, konzeptbedingt bietet der Plug-in-Hybrid mit aber immer noch guten 610 Liter etwas weniger Raum. Dennoch gilt: Wer sich hier über Platz beschwert, braucht einen VW Multivan.

Die Stoffsitze unseres Testfahrzeugs bieten guten Seitenhalt und ermöglichen dank der zahlreichen elektrischen Verstellmöglichkeiten auch auf längeren Strecken ein entspanntes Reisen.

Das digitale Kombi-Instrument lässt sich ganz einfach dem persönlichen Geschmack und Informationsbedürfnis anpassen – vorbildlich! Ob Anzeigen in traditioneller Rundinstrumenten-Optik oder im modernen Look mit gegenläufigen eckigen Anzeigen – hier findet jeder die gewünschte Kombination. Leider finden sich auch im Tarraco inzwischen mehr Touchflächen, aber Seat hat es hier nicht allzu sehr übertrieben.

Das Media-System “Plus” überzeugte uns mit einem angenehmen und ausreichend kraftvollen Klang. Telefonate über die Freisprechanlage waren auch bei höheren Autobahntempi für beide Gesprächsteilnehmer angenehm. Schade: Sowohl über die Tasten am Lenkrad und am Display des Infotainmentsystems als auch über den Drehregler lässt sich die Lautstärke nur in recht großen Schritten regeln, sodass der Ton aus den acht Lautsprechern oft etwas zu leise oder zu laut kommt.

Fahrbericht

Die Fahrwerksabstimmung in Verbindung mit den 20-Zoll-Rädern und Reifen der Dimension 255/40 sorgte trotz Winterreifen für guten Grip und eine gute Kurvenlage. Beim starken Beschleunigen neigte der Tarraco allerdings zu nervösem Wanken, was ein leichtes Gegenlenken erforderlich machte, um das Tänzeln zu reduzieren. Apropos Lenken: Die Lenkung gehört eher zu den leichtgängigeren ihrer Art, ist aber dennoch angenehm feinfühlig und direkt.

Beim Abbremsen bis in den Stillstand meldete sich das Fahrwerk gelegentlich mit einem Quietschen, das man sonst nur vom Rangieren beim Einparken kennt. Schade, denn ansonsten ist der Tarraco außen wie innen sehr gut verarbeitet. Negativ aufgefallen ist uns im Innenraum nur die Rückenlehne des Fahrersitzes, die sich bei Druck von hinten mit einem knarzenden Kunststoffgeräusch von innen bemerkbar macht.

Die Abbiegelichtfunktion der Nebelscheinwerfer in LED-Technik setzt nach unserem Geschmack etwas abrupt und damit störend ein, ein langsameres Aufleuchten würde ein entspannteres Fahren unterstützen.

Beim Sprint von 0 auf 100 km/h in rund 7,5 Sekunden spürt man nicht, dass ein Vierzylinder mit nur 1,4 Litern Hubraum und 150 PS seine Arbeit verrichtet. Während es im Innenraum des Spaniers dank guter Dämmung meist sehr ruhig zugeht, hört man den Benziner beim kräftigen Beschleunigen doch ein wenig um Hilfe rufen. Die bekommt er bei Bedarf vom 86 kW (117 PS) starken Elektromotor.

Die Systemleistung gibt Seat mit 245 PS und 400 Nm (aus dem Stand) an. Das Drehmoment des Elektromotors macht sich auch beim alltäglichen Anfahren positiv bemerkbar, das bei Bedarf trotz der fast 1,9 Tonnen Leergewicht unseres Testfahrzeugs spürbar direkt und angenehm linear erfolgt – dem intelligenten Zusammenspiel von Elektromotor und Verbrennungsmotor sei Dank.

Fahrleistungen Seat Tarraco 1.4 e-Hybrid FR (2024)
0 – 100 km/h 7,6 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 205 km/h
Verbrauch 1,5 – 1,7 Liter/100 km; 6,6 – 6,9 Liter/100 km (bei entladener Batterie)
CO2-Emissionen 34 – 38 g CO2/km

Während der Seat im Automatikmodus D ohne aktivierte Assistenten wie automatische Distanzregelung, vorausschauende Geschwindigkeitsregelung oder Travel Assist rollt bzw. segelt und erst rekuperiert, wenn der Fahrer die Bremse betätigt (oder mit der Schaltwippe einen Gang zurückschaltet), versucht der Automatikmodus B das von Elektroautos bekannte Ein-Pedal-Fahren nachzuahmen.

Sobald der Fuß vom Gaspedal genommen wird, erfolgt die Bremsung durch Rekuperation. Die Stärke lässt sich nach einigen Übungskilometern gut mit dem Gaspedal steuern. Schade: Bis zum Stillstand bremst das Auto nicht ab, so dass eine Ein-Pedal-Fahrweise “light” im Tarraco nicht möglich ist.

Eine echte Erleichterung ist der Travel Assist auf langen Autobahnfahrten, wo er automatisch die Geschwindigkeitsbegrenzungen übernimmt, den Abstand zum Vordermann hält und in der Spur bleibt. Schade ist, dass sich kein fester Offset einstellen lässt, so dass man die übernommenen Limits manuell am Lenkrad um 10 km/h erhöhen muss, wenn man den Sicherheitspuffer des Herstellers und die Kulanz noch nutzen möchte. Der Assistent ließ sich auch durch einen schlechteren Zustand der Fahrbahnbegrenzung oder Baustellenmarkierungen überwiegend nicht aus dem Konzept bringen.

Ab und zu spielte uns die Elektronik unseres Testfahrzeugs einen Streich. Zweimal bewegte sich das Auto nach dem Start und dem Schalten in den Vorwärts- bzw. Rückwärtsgang beim Betätigen des Gaspedals keinen Meter. Das Display forderte uns auf, den Motor neu zu starten. Danach ging alles wieder. Zweimal meldete sich das Auto im Stadtverkehr in völlig unauffälligen Fahrsituationen mit einem Signalton und der Display-Meldung “Fahrspur kontrollieren!”

Wie ausgeklügelt Hybridautos arbeiten, zeigt ein Blick auf den vorbildlich umfangreichen Bordcomputer des Seat Tarraco (inklusive Öltemperaturanzeige). Bemerkenswert ist, wie oft das System nach einigen Ampelstopps im Stadtverkehr dem Verbrennungsmotor eine Pause gönnt und wieder einige Meter rein elektrisch fährt, oder wie der Motor beim Anfahren auf den ersten Metern vom Elektromotor unterstützt wird oder wie nicht benötigte Leistung des Verbrennungsmotors genutzt wird, um die Batterie während der Fahrt immer wieder mehr oder weniger stark aufzuladen.

Auch im Automatikmodus D lässt sich der Seat effizient fahren. Bei üblichen starken Bremsmanövern zeigte der Bordcomputer eine Rekuperation von ca. 50 kW/h an. Bei stärkeren Bremsmanövern konnten wir Spitzenwerte um 70 kW/h feststellen. Nachteil des Verzichts auf den Fahrmodus B: Man neigt dazu, die mechanische Bremse unbewusst stärker zu nutzen und damit wertvolle Verzögerungsenergie in Wärme statt in Strom umzuwandeln.

Wie effizient die Rekuperation im Alltag eingesetzt werden kann, zeigten zwei Testfahrten. Auf der rund vier Kilometer langen Gefällestrecke am Ende der Landstraße von Merklingen nach Bad Urach lud das System laut Bordcomputer für drei Kilometer elektrische Energie nach. Tatsächlich fuhren wir im Anschluss 2,6 Kilometer durch Bad Urach rein elektrisch, bis der Benzinmotor wieder ansprang. Am Ende der B27 “den Kessel hinunter” nach Stuttgart rein, konnte auf vier Kilometern Strecke immerhin noch Energie für zwei Kilometer gewonnen werden.

Das Laden der 130 Kilogramm schweren Lithium-Batterie, die unter den Rücksitzen verbaut ist, lässt sich durch Drücken des “S-Boost”-Knopfes neben dem Wählhebel forcieren. Der Verbrauch des Verbrennungsmotors steigt dann deutlich an, dafür lädt er die Batterien während der Fahrt konsequent auf – zum Beispiel, um bei sportlicher Beschleunigung die Kraft des Elektromotors wiederholt und über einen längeren Zeitraum nutzen zu können.

Seat schreibt dazu in der Betriebsanleitung, dass dieser Fahrmodus “dem Fahrzeug und dem Hybridsystem ein insgesamt dynamischeres Fahrverhalten verleiht”. Der S-Boost-Modus kann aber auch genutzt werden, um sich auf eine Elektroautozone ohne stationäre Lademöglichkeit vorzubereiten, da die Batterie mit jedem Kilometer voller geladen wird. Solche Zonen können durch Drücken der E-Mode-Taste rein elektrisch befahren werden.

Im Stadtverkehr reichte uns die nutzbare Batteriekapazität von etwas über 10 kWh für etwas mehr als drei Fahrten zur Arbeit. Nach ca. 40 km war Schluss (WLTP-Reichweite 43-49 km). Die WLTP-Angabe von 16,7 bis 18 kWh/100 km konnten wir trotz eingeschalteter Heizung, Klimaanlage, Radio und Licht bei guter Verkehrslage im Stadtverkehr einmal mit 19 kWh zumindest annähernd erreichen. Im Durchschnitt zeigte der Bordcomputer bei unseren Eco-Testfahrten im Stadtverkehr aber eher Werte um 24 kWh an.

Nach der Übernahme des vollgetankten und aufgeladenen Testfahrzeugs ließen wir es zunächst etwas ruhiger angehen. In einem Mix aus Stadtverkehr (100 km, davon die ersten rund 40 km rein elektrisch), Landstraße (150 km) und Autobahn (300 km) fuhren wir bis zum ersten Tankstopp nur im Eco-Modus und mit der Fahrstufe B, vorausschauend und auf der Autobahn bis maximal Tempo 120. Nach dem Tanken errechneten wir einen Verbrauch von rund 7 Litern auf 100 km. Bei Verzicht auf Autobahnfahrten erscheinen uns Verbrauchswerte von 6 bis 7 Litern realistisch.

Im letzten Testsegment verzichteten wir auf gezieltes Spritsparen. Statt auf ECO setzten wir auf den Fahrmodus “Normal”, überholten gelegentlich sportlich und strebten auf der Autobahn bei freier Fahrt ein Tempo von 140 bis 150 km/h an. Trotzdem fuhren wir weiterhin vorausschauend und nutzten die Rekuperation im Fahrmodus B. Der Verbrauch stieg nun bei etwas höherem Autobahnanteil auf 8,5 Liter.

Sonderausstattungen

In der Preisliste vom 29. Februar 2024 steht der Seat Tarraco FR 1.4 e-Hybrid mit 49.960 Euro. Eine Stange Geld, aber im Gegenzug gut ausgestattet, etwa mit Drei-Zonen-Klimautomatik oder elektrisch betätigter Heckklappe. Die sportliche Note des FR bräuchten wir nicht unbedingt, für gut 2.000 Euro weniger reicht auch “Xperience”.

Als Siebensitzer ist der e-Hybrid übrigens nicht bestellbar. Hinsichtlich sinnvoller Extras möchten wir auf das Winter-Paket (685 Euro) und die adaptive Fahrwerksregelung DCC (1.090 Euro) verweisen. Günstigste Möglichkeit, einen neuen Seat Tarraco zu erwerben, ist in Deutschland der 1.5 TSI ACT mit 6-Gang-Schaltung für 37.770 Euro. Mit gleicher Leistung, aber DSG, ist der neue Skoda Kodiaq über 4.000 Euro teurer.

Wissenswertes

Als eines von wenigen Seat-Modellen (darunter Ibiza und Arona) erhielt der Tarraco nie ein Cupra-Derivat. Wer viel Leistung wollte, musste zum Kodiaq RS greifen. Wie es für den Tarraco weitergeht, ist nach dem Ende seiner Derivate offen. Noch hat sich der Hersteller dazu nicht offiziell geäußert.

Fazit: 8/10

Platz satt, funktionale Bedienung und ein gutes Fahrverhalten. Wie viele andere Seat-Modelle auch ist der Tarraco ein wahrer Geheimtipp, gerade weil er nicht mehr taufrisch ist. Es muss ja nicht ausgerechnet der Plug-in-Hybrid sein. Wer zum klassischen Benziner oder Diesel greift, bekommt ein prima Familienauto, an dem man noch lange seine Freude hat.

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