Schilderitis in Dresden
Schilderitis in Dresden
Der Pessimist dagegen fühlt sich gegängelt von all den Ge- und Verboten: nicht halten, nicht parken, nicht durchfahren, nicht abbiegen, nicht schnell fahren, nicht überholen – und schon gar nicht bei Nässe. Wo immer man sich aus der Haftung ziehen will, wird ein Schild aufgestellt: Achtung, Straßenschäden, Achtung, Tonnage-Begrenzung.
An vielen Schilderstämmen gedeihen gleich mehrere Anweisungen, um kurz darauf durch neue ersetzt zu werden. Das fühlt sich manchmal wie Gehirnjogging an. Gewonnen hat, wer bei 50 km/h die meisten Schilder erkennt, ohne dabei die Stoßstange des Vordermanns zu touchieren und den plötzlich bei Rot kreuzenden Radfahrer mitzunehmen. Verlierer ist, wer vor lauter Schildern den Wald nicht mehr sieht und deshalb ein Bußgeld bekommt.
Viele der temporären Schilder erinnern mich an unseren Paketausträger, der im Akkord seine Sendung loswerden muss. Die Betonfüße liegen oft wie abgeworfen mitten auf Fußwegen, egal, ob die Mutti mit Kinderwagen noch vorbeikommt. Leistungsdruck in der Straßenverkehrsbehörde oder Achtlosigkeit? Wer weiß.Bei aller Liebe zum Grün wachsen Schilderwälder nicht immer an den glücklichsten Stellen. Im Dorfkern Loschwitz zum Beispiel schreibt der Denkmalschutz die Gestaltung bis zum letzten Fensterkreuz vor. Doch die Behörde darf das historische Ambiente unsensibel und überambitioniert mit Verbotsschildern zupflastern.
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Wie jeder Wald muss aber auch ein Schilderwald regelmäßig gepflegt werden. Das Straßen- und Tiefbauamt, das zeigen die Beispiele, kommt damit nicht wirklich hinterher. Deshalb hätte ich eine Idee: Wie wäre es, den Schilderwald direkt dem Amt für Stadtgrün zu unterstellen? Das hat einfach die größeren Erfahrungen, wie man mal richtig auslichtet.
Die Autorin lebt seit 1979 in Dresden. Sie ist Redakteurin der SZ und hat viele Jahre über Stadtpolitik berichtet.
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