Vereint: Manager von Nissan, Renault und Mitusbishi posieren zur Vorstellung der neuen Strategie.
Rund um die Jahrhundertwende zog es westliche Autohersteller nach Asien, um in Kooperationen mit japanischen Mitbewerbern Größe zu gewinnen. In Deutschland lief das unter dem Stichwort „Welt AG“, das Daimlers Jürgen Schrempp prägte. Ford stockte seinen Anteil an Mazda kräftig auf, General Motors an Isuzu. Daimler-Chrysler stieg bei Mitsubishi Motors ein, nachdem es sich gegen Nissan entschieden hatte. Renault rettete dann Nissan vor dem Untergang. Nachzügler Volkswagen versuchte 2009 eine kapitalgestützte Kooperation mit Suzuki.
Zuletzt überwogen in dem Bündnis, dem seit 2016 auch Mitsubishi Motors angehört, die Tiefen. Die wirtschaftliche Realität stimmte mit der Kapitalverflechtung schon lange nicht mehr überein. Nissan entwickelte sich besser als Renault, verkaufte zeitweise fast doppelt so viele Autos und trug fast immer den Löwenanteil zu Renaults Gewinn bei. Doch Renault hielt 43,4 Prozent an Nissan, Nissan nur 15 Prozent ohne Stimmrecht an Renault.
Schwelender Missmut
Der schwelende Missmut in Japan und der Wunsch nach gleichberechtigter Partnerschaft eskalierten 2015 und in den Folgejahren, als der französische Staat seinen Einfluss auf Renault demonstrierte und Druck machte, die Allianz mit Nissan am besten durch eine Fusion zu verewigen. Das ließ in Japan alle Alarmglocken schrillen. Zumindest indirekt trug die Entwicklung zum Sturz von Ghosn bei, der in Tokio mit der Verhaftung des Managers begann.
Renault sieht Nissan nicht mehr als unverzichtbar an
Doch trotz der bemühten Aufbruchstimmung und neuen Gemeinschaftsprojekten wirkt die Absprache wie eine Scheidung auf Abruf. Das liegt zum einen daran, dass der französische Traum einer Fusion nach 24 Jahren ausgeträumt ist. Das liegt zum anderen daran, dass Renault Nissan nicht mehr als unverzichtbaren Partner ansieht.
Schon 2019 stellte Renault mit den letztlich gescheiterten Verhandlungen über eine Fusion mit Fiat-Chrysler Nissan vor vollendete Tatsachen. Und mit der geplanten Aufspaltung in das Altgeschäft mit Verbrennern und Hybriden und dem Zukunftsgeschäft mit Elektroautos plant Renault Kooperationen mit Chinas Geely, Amerikas Qualcomm und anderen. Nissan und Mitsubishi Motors sind nur noch zwei unter vielen. Anders als Ghosn verfolgt Renaults Chef Luca De Meo vorrangig die Interessen von Renault, nicht aber die der Allianz.
Es wäre zu simpel, die Schwierigkeiten in der Allianz auf den kulturellen Gegensatz von West und Ost zurückzuführen, auch wenn die anderen gescheiterten Kooperationen ein Muster nahelegen. Schädlicher als die Kultur ist der Einfluss der Politik in Paris und in Tokio. Nicht zuletzt laufen die Interessen der Partner nicht mehr so parallel wie früher. Ghosns Streben nach Größe und Masse haben beide zumindest vorerst entsagt. Renault aber ist europazentriert und steht weit mehr unter Druck, auf reinrassige Elektroautos umzusteigen als Nissan, das globaler agiert. Mit der Losung der flexiblen Kooperation im Einzelfall nähert die Allianz sich dem Trend in der Autowirtschaft an, in der gefühlt jeder mit jedem in Projekten zusammenarbeitet. Die Allianzpartner sprechen von einer Hinwendung zur Normalität. Ob diese auf Dauer stabiler und erfolgreicher ist als die Kooperation der Ära Ghosn müssen Renault und Nissan noch beweisen.