Über Jahre hatten bekannte Lastkraftwagenhersteller Preise untereinander abgesprochen. Nun klagen geschädigte Spediteure auf Schadenersatz.
Einer der größten Schadenersatzprozesse wegen jahrelanger illegaler Preisabsprachen unter Nutzfahrzeugherstellern muss neu verhandelt werden. Wie das Oberlandesgericht (OLG) München am Donnerstag mitteilte, hat ein Zivilsenat ein früheres Urteil des Landgerichts München in einem Sammelklageverfahren vom Februar 2020 aufgehoben und zur abermaligen Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Derzeit sei der Rechtsstreit insgesamt noch nicht entscheidungsreif, teilten die Richter des 29. Zivilsenats des OLG mit (Az. 29 U 1319/20).
Bußgeld aus Brüssel
Ursprung des Rechtsstreits ist ein milliardenschweres Bußgeld der EU-Kommission. Im Sommer 2016 hatten die Wettbewerbshüter aus Brüssel gegen die Nutzfahrzeughersteller Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF Strafen von mehr als 2,9 Milliarden EUR wegen illegaler Preisabsprachen verhängt. Als Kronzeuge kam MAN ohne eine Geldstrafe davon. Scania war ebenfalls zu einer Geldbuße von 880 Millionen Euro verurteilt worden, gegen die sich der Konzern jahrelang aber mit juristischen Mitteln wehrte. Erst vor wenigen Wochen wurde die Geldbuße in letzter Instanz durch den Europäischen Gerichtshof bestätigt.
In den Jahren zwischen 2003 und 2016 hatten sich die Hersteller nicht nur über Bruttolistenpreisen abgesprochen, sondern sich auch wegen der Einführung von Technologien zur Emissionsreduzierung ausgetauscht. Die Kosten gaben sie im Wege erhöhter Preise an ihre Kunden weiter. Die Absprachen betrafen sowohl mittelschwere (Nutzlast zwischen 6 und 16 Tonnen) als auch schwere Lkw (Nutzlast über 16 Tonnen). Sie erstreckten sich auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum. In mehreren Ländern streiten sich getäuschte Käufer und Kartellanten vor Gericht – das nach der Forderungshöhe hierzulande größte Verfahren ist die Zivilklage in München
Abtretungen sind wirksam
Dieser Argumentation folgte der Senat nicht. Die Klage sei nicht deshalb abzuweisen, weil die Forderungsabtretungen nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstießen. Vielmehr sei das Vorgehen von Financialright Claims durch die Inkassoerlaubnis gedeckt.
Das OLG München berücksichtigte bei seiner Entscheidung auch die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser setzt für die Unwirksamkeit der Abtretung eine „offensichtliche Überschreitung“ der Inkassobefugnis voraus, die der Zivilsenat im konkreten Fall der Klage gegen das “Lkw-Kartell” verneinte.
Einen Wechsel gab es zudem bei den Prozessanwälten: die US-Klägerkanzlei Hausfeld, die in mehreren europäischen Ländern Massenklagen für geschädigte Unternehmen und Speditionen betreut, schied aus dem Mandat aus. Financialright Claims vertraut fortan an auf die deutsche Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein.