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Prototyp mit Allrad-Raffinesse

prototyp mit allrad-raffinesse

Die Konstrukteur-Brüder Andreas und Norbert Ruths (von links) vor ihrem „NT 2“, einem Elektro-Prototyp für spezielle Anforderungen. velte

Prototyp mit Allrad-Raffinesse

Wernborner Brüder Ruths haben ein E-Mobil für den Bergbau entwickelt

USINGEn – Im „Labor“ geht es handfest zur Sache. Ein massives Boden-Element wird mit vereinten Kräften auf die Ladefläche gehoben, mit Augenmaß und Feingefühl passgenau eingesetzt. Obwohl noch einige Details fehlen, steht der „NT 2“ bereits formvollendet im lichtdurchfluteten Raum. Dass die in Wernborn beheimateten Brüder Norbert und Andreas Ruths auf neuen Wegen sind, ist unübersehbar.

Als Dienstleister für die Automobil-Industrie – Stichwort „Neue Technologien“ samt „Zero-Emission“ – haben die beiden Geschäftsführer des Familienbetriebs NTEC bereits seit Jahrzehnten gewirkt: Gehörten zuvor die Bereiche mechanische und elektrische Baugruppen-Fertigung sowie Entwicklung und Erprobung zum Kerngeschäft, mussten die unternehmerischen Karten mit Ausbruch der Corona-Pandemie neu gemischt werden.

„Im Frühjahr 2020 war plötzlich alles auf null gestellt“, sagt Norbert Ruths. Lieferketten seien zusammengebrochen, keinerlei Aufträge mehr eingegangen. Eine existenzielle Krise, die das Brüderpaar auf eigene Weise zu nutzen weiß: „Wir haben während der Zwangspause ein eigenes Projekt in Szene gesetzt und unser gesamtes Eigenkapital hineingeworfen.“ Fundament aller Überlegungen ist die neue EU-Verordnung zur Luftreinheit, eine „allgemein geforderte Elektrifizierung auch im Transportwesen“.

Ideen gewinnen an Gestalt. Märkte werden sondiert, mögliche Zulieferer gesucht, Verbindungen geknüpft. NTEC will in die Tiefe, im wahrsten Sinne „unter Tage“. Dorthin, wo ohne Diesel-Kraftstoff kaum etwas rollt. Innerhalb zweier Jahre wird ein „Leicht-Lkw“ für den Bergbau auf Spur gebracht, ein Nutzfahrzeug mit Elektroantrieb, höchst belastbar, langlebig. Erstmals bewerkstelligt das siebenköpfige Stammteam die komplette Realisierung eines Prototyps – inklusive selbst erdachter Batterie-Technologie, leistungsfähigem E-Allrad-Antrieb und notwendiger Fahrwerksraffinesse. „Die wassergekühlte und mit einem integrierten Relais-System ausgestattete Batterie ist bei uns kein tragendes Bauteil mehr.“

Einfach im Konstrukt, kann der Kleinlaster ohne Aufwand und Spezialgerätschaften repariert werden – überall auf dem Erdball. Mittlerweile wird das Projekt von der Wirtschaftsförderung des Landes Hessen unterstützt und hat namhafte Interessenten auf den Plan gerufen.

Das „Hinausdenken“ ist den Brüdern von frühauf vertraut, ihre praktische und theoretische Bandbreite kennt wenig Grenzen. Nach einem Studium der Elektrotechnik hat sich Norbert Ruths selbstständig gemacht, um in Wernborn das Metier der Blechverarbeitung zu verfeinern. Flugzeughersteller gehören ebenso zu den Auftraggebern wie Medizin-Spezialisten, das Netzwerk der Kontakte reicht letztlich bis nach Asien und Amerika. Das Faible für den Motorsport öffnet den beiden Konstrukteuren weitere Türen: Rallye-Fahrzeuge werden ausgestattet, Toyota und Honda zu wichtigen Kunden.

Härtetest in Marokko

Als die Räumlichkeiten im Usinger Stadtteil nicht mehr ausreichen, erfolgt nach einer Audenschmiede-Zwischenepisode der Werksumzug nach Brandoberndorf, wo heute 1600 Quadratmeter bespielt werden. Raum genug für Handwerk und Verwaltung, Testen und Messen, das bestens bestückte Lager.

Hier können Probleme gelöst, Fragen beantwortet werden. „Wie baut man einen Stoßdämpfer?“ Einen, der auf Bergbau-Pisten unter extremen Bedingungen seinen Zweck erfüllt, zuverlässig standhält? Am Ende hat die Mannschaft – nur ein Beispiel – das wichtige Lastwagenteil selbst gefertigt.

Ihr Nischendasein sehen Andreas und Norbert Ruths als Wettbewerbsvorteil in einer desaströs agierenden Automobil-Branche. „Unser Wissen entspringt vielfältigen Erfahrungen in durchaus verschiedenen Sektionen.“ Offenheit und Selbstständigkeit als Garanten für die Zukunft. Um in der NTEC-Sprache zu bleiben: „Eine aufs Praktische ausgerichtete Entwicklung besonderer Nischen-Fahrzeuge.“

Das Jahr 2023 ist jedenfalls schon durchgeplant. Nachdem der „NT 2“-Prototyp aufgebaut ist, heißt es „Erproben, Zertifizieren, Validieren“. Und im Sommer soll das robuste Unter-Tage-Mobil seinen Härtetest in den Geröllregionen Marokkos absolvieren.

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