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Praxistest Carsharing: Miles und Share Now im Vergleich

praxistest carsharing: miles und share now im vergleich

Praxistest Carsharing: Miles und Share Now im Vergleich

In einer Stadt wie München ein Auto zu besitzen, ist immer wieder frustrierend. Teure und unfreundliche Werkstätten sorgen für Frust, Anwohnerparkplätze werden immer teurer und die meiste Zeit steht das Auto einfach nur herum und verliert an Wert. Kein Wunder, dass Carsharing immer beliebter wird, gibt es doch immer wieder Situationen, in denen ein Auto die einzige Lösung ist. Wir haben uns die beiden Anbieter Miles und Share Now näher angesehen – beide bieten die Automiete per Smartphone.

Share Now und Miles: konsolidierter Markt

Noch vor kurzem war das Car-Sharing-Angebot ein Wildwuchs, dieser hat sich in den letzten Jahren aber immer mehr gelichtet. Der Anbieter Share Now (früher Car2Go und DriveNow) gehörte etwa früher zu BMW und wurde zuletzt von Stellantis übernommen. Miles Mobility hat zuletzt den VW-Dienst WeShare geschluckt und arbeitet stark mit VW zusammen. Aktiv ist Miles in Deutschland in Berlin, Bonn, Düsseldorf, Duisburg, Hamburg, Köln, München und Potsdam und bietet 12 000 Fahrzeuge. Share Now mit aktuell knapp 5000 Fahrzeugen ist in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart und München zu finden. Neben den beiden jeweiligen Hersteller-Apps kann man die Autos aber auch über die App Freenow buchen, die beiden Dienste und zusätzlich Sixt Carsharing unterstützt. (Diese Häufung an Produktnamen mit Share hat nebenbei wohl schon jeden etwas durcheinander gebracht.)

Automodelle im Angebot

Das Angebot und die Apps sind sehr ähnlich, größte Unterschiede zwischen den beiden Anbietern sind Modellangebot und Preis. Bei Miles fällt die hohe Präsenz von VW Polo und VW A4 auf, es gibt aber auch einige andere Modelle wie Audi Q2, Tesla 3 und Y – ebenso VW T6, Ford Transit, VW Crafter und Mercedes Sprinter. Stärke von Miles ist die hohe Zahl an verfügbaren Fahrzeugen, auch der Transporter für den Umzug ist oft in näherer Umgebung verfügbar. Transporter bietet Share Now nicht, dafür neben vielen Kompaktmodellen immerhin schicke Cabrio-Versionen des 2er-BMW und Mini.

Bei den Fahrzeugen handelt es sich fast ausschließlich um relativ neue Benziner mit Automatik und guter Ausstattung – die Kilometerleistung ist oft überraschend hoch. Um sich mit E-Fahrzeugen vertraut zu machen, sind die Anbieter ebenfalls einen Blick wert. Miles setzt stark auf den ID.3, hat aber auch Tesla 3 und Y im Angebot. Erst kürzlich hat Miles 10 000 Modelle des ID.3 und ID.4 bestellt.

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Miles hat auch einige Transporter im Angebot.

IDG

Share Now bietet den BMW i3 und 500e, vereinzelt auch Ioniq 5, Mercedes EQA, Mercedes A Hybrid, Zoe, Smart und Octavia iV. Leider sind die E-Fahrzeuge nur selten voll aufgeladen, was ihre Nutzung auf Kurzstrecken beschränkt – kann man das Fahrzeug doch nicht vor der Fahrt schnell aufladen.

Tipp zu Carplay:

Auch Carplay und Android Auto wird zumeist unterstützt, man kann also sein iPhone drahtlos anschließen und während der Fahrt Telefon, Messenger und Karten benutzen. Eine USB-Schnittstelle zum Aufladen kann man erwarten, wenn auch kein Ladekabel. Achten Sie bei der Koppelung mit dem Fahrzeug aber darauf, ob Sie zur Synchronisierung des Adressbuchs aufgefordert werden. Das sollten Sie vermeiden. Nach der Nutzung sollten Sie das jeweilige Fahrzeug außerdem am iPhone über/ die Systemeinstellung “Bluetooth” entkoppeln. Bei vielen Fahrzeugen fanden wir gespeicherte Profile von früheren Nutzern vor.

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Carply wird meist unterstützt.

App und Anmeldung

Für die Nutzung der Dienste ist eine Registrierung erforderlich, Ihren gültigen Führerschein müssen Sie dabei als Bilddatei hochladen. Schon nach kurzer Zeit wird der Account freigeschaltet und Sie haben Zugriff auf die Fahrzeugflotte. Über die App verwalten Sie auch Rechnungen und Kosten.

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Hat man ein Auto ausgewählt, kann man es vor dem Mieten bereits reservieren.

Das Prinzip ist bei den beiden Anbietern identisch: Auf einer Kartenansicht werden die Fahrzeuge in der Nähe angezeigt, alternativ sehen Sie die Autos in einer nach Entfernung sortierten Liste. Wollen Sie immer ein bestimmtes Modell nutzen, können Sie bei Share Now gezielt alle anderen Modelle ausblenden. Bei Miles ist nur die Vorsortierung nach Typklassen wie Kleinwagen oder Transporter möglich. Diese Kartenansicht hilft beim Auffinden der Autos, dank GPS, gut sichtbarer Firmenbeschriftung und angezeigtem Nummernschild ist dies kein Problem. Das Ausleihen der Fahrzeuge erfolgt komplett per App: Sie bestätigen die Ausleihe und können schon nach wenigen Sekunden die Tür öffnen und den Motor starten. Auch das Beenden der Ausleihe erfolgt per App, sie erhalten danach automatisch eine Rechnung zugeschickt. Kostenlos ist das Tanken bei allen Partnertankstellen, diese listet die App ebenfalls auf.

Hinweis für Ungeschickte: Sie sollten vor dem Beenden der Miete aussteigen. Andernfalls blockiert nämlich die Tür und Sie müssen per App eine neue Miete starten, um aus dem Fahrzeug aussteigen zu können.

Welcher Anbieter ist günstiger?

Die vielleicht wichtigste Frage: Ist Carsharing günstiger als ein Auto? Es ist bei weitem kein Schnäppchen-Angebot, mit etwa einem Euro pro Minute sind sie aber etwas günstiger als mit einem Taxi unterwegs. Für die meisten Stadtbewohner ist die Ausleihe aber wohl günstiger als jeder Kleinwagen. Rechnen Sie den Wertverlust des Autos mit ein, kostet schließlich ein selten genutzter VW Polo pro Monat knapp 500 Euro – in Großstädten kommen die immer höher werdenden Parkgebühren noch dazu. Die Berechnung der Carsharing-Kosten ist dagegen weit variabler: Benutzt man einen Monat kein Auto, zahlt man keinen Cent und der Zeitaufwand für TÜV, Reifenwechsel und Inspektion entfällt. Grundlage der Kosten ist bei den Anbietern üblicherweise die Dauer der Miete oder die Kilometerzahl – wahlweise beides. Bei beiden Anbietern können Sie ein Auto auch gleich einen ganzen Monat mieten.

Um dies zu vergleichen, haben wir uns zwei Fahrbeispiele ausgesucht: Ein Fahrt in der Stadt mit 10 km Wegstrecke, für die wir eine Viertelstunde veranschlagen. Als zweites Beispiel eine Fahrt über 200 km, für die wir sechs Stunden benötigen.

Beispiel Miles:

Für einen VW Polo zahlen Sie aktuell bei Miles für jedes Mieten eines Autos eine Grundgebühr von einem Euro, 98 Cent für jeden Kilometer. Eine Fahrt von zehn Kilometer und 15 Minuten kostet Sie also 10,08 Euro. Es gibt aber auch Zeit-Pakete wie sechs Stunden und 60 Kilometer für 39 Euro, jeder Zusatzkilometer kostet dann 39 Cent. Bei 200 Kilometer Strecke landet man so bei 93,60 Euro.

Beispiel Share Now:

Bei Share Now gibt es als Einstiegsmodell einen günstigen Fiat 500 – zum Minutenpreis von 0,30 Cent. (Eine Startgebühr gibt es erst bei teureren Modellen). Unsere Fahrt von 15 Minuten kostet Sie dann unabhängig von der Entfernung 4,50 Euro. Auch hier gibt es Zeit-Pakete, vor allem für große Entfernungen ist Share Now meist günstiger. So kostet das Paket mit sechs Stunden 33,90 Euro, jeder Kilometer aber nur niedrige 19 Cent. Bei 200 Kilometern Strecke also einen Preis von 71,90 führt

Auffällig ist, dass Share Now bei den Preisen stärker nach Modellen staffelt. Je günstiger das Fahrzeug, desto niedriger der Minutenpreis, wie unsere Tabelle zeigt. Allgemein ist das Tarifsystem aber recht unübersichtlich, was für beide Anbieter gilt. So gibt es bei Miles Prepaid-Pakete, bei Share Now Monatsbeiträge, beide bieten Rabatte und immer wieder Sonderangebote. Auch Angebote für Firmenkunden sind verfügbar. Hinweis: Für Auftanken oder Anstöpseln an eine Ladestation gibt es bei beiden Anbietern 5 Euro Guthaben und bei Miles können Sie das Fahrzeug auch in einer anderen von Miles unterstützten Stadt abstellen. Bei einem Polo zahlen Sie dann 19,50 Euro Zusatzgebühr, bei einem Transporter allerdings gleich 49,50 Euro. Der Umzug von Berlin nach München wäre also damit möglich.

Parken kostet nicht extra

Einer der Vorteile der Carsharing-Dienste ist das meist kostenlose Parken: Innerhalb eines Geschäftsgebiets können Sie nämlich auf öffentlichen Parkplätzen kostenlos ohne Parkschein parken – wenn auch nicht auf reinen Anwohnerparkplätzen oder einem Parkhaus. Zumindest tagsüber findet man meist schnell einen Parkplatz und kann für die Fahrt in die Innenstadt aus dem Carsharing-Pool einen parkplatzfreundlichen Kleinwagen auswählen. Bei bestimmten Zielorten – etwa einem Flughafen – muss man allerdings eine so genannte Drop-Off-Gebühr berappen – bei Miles je nach Flughagen 5 bis 10 Euro, bei Share Now 14 Euro. Es gibt außerdem Stoßzeiten: Morgens und am späten Nachmittag – also den üblichen Pendler-Zeiten, sind relativ wenig Autos verfügbar. Abstellen müssen Sie den Wagen immer im Geschäftsgebiet.

Prüfung vor jeder Fahrt erforderlich

Das meiner nach Meinung größte Problem bei Carsharing: Ein Fahrzeug wurde vor Ihnen bereits von vielen anderen Nutzern verwendet. Manchmal ist der Sitz vollgekrümelt oder verdreckt, die Scheibenwaschanlage leer, der Reifenluftdruck zu niedrig oder es stinkt unangenehm nach Zigaretten (erstaunlich oft). Die Wagen werden zwar regelmäßig gereinigt, der Zustand ist aber Glückssache.

Wichtig: Alte Schäden am Auto können zum Problem werden, unter Umständen wird ihnen nämlich ein Blechschaden eines früheren Kunden angelastet. Sie sollten deshalb vor jeder Miete um das Auto herumgehen und es auf Schäden überprüfen. Beide Apps bieten eine Funktion für die Schadensmeldung. Sie können einen Blechschaden einfach zu Beginn der Ausleihe abfotografieren und in der App hochladen – oder nehmen doch lieber ein anderes Fahrzeug. Sie sollten aber besser auf die Reifen achten. Was uns auffiel: Miles setzt in München offensichtlich bei den meisten Modellen auf Ganzjahresreifen, was das Wechseln der Reifen im Sommer und Winter unnötig macht. In der Stadt ist dies kein Problem, bei langen Autobahnfahrten bei Schnee aber auch im Hochsommer sorgen diese Kompromiss-Reifen oft für ein schwammiges Fahrgefühl. Zumindest bei seinen BWM- und Mini-Fahrzeugen nutzt Share Now dagegen Winter- und Sommerreifen, bei den Stellantis-Fahrzeugen leider offenbar ebenfalls Ganzjahresreifen.

Fazit: Welchen Anbieter soll ich wählen

Die Anbieter sind beide recht ähnlich und größter Unterschied ist der unterschiedliche Fuhrpark. Bei längeren Fahrten ist allerdings Share Now oft etwas günstiger und bietet nicht zuletzt einige interessante BMW-Modelle. Echte Winter- und Sommerreifen halten wir ebenfalls für einen Vorteil. Miles hat dagegen Teslas und relativ günstige Transporter vorzuweisen, die man auch für einen Umzug nutzen kann. Sich einfach bei beiden Anbietern anzumelden, ist da sicher keine schlechte Idee.

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