Nachrichten

Panorama

Vermischtes

Meißen: Wer zerkratzt ukrainische Autos?

Immer wieder hört man, dass ukrainische Fahrzeuge Ziel von Vandalismus werden. Von zerkratzten Fahrzeugen ist dann die Rede. Stimmt das?

meißen: wer zerkratzt ukrainische autos?

Das Auto von Iryna und Artem wurde von Unbekannten zerkratzt. © privat

Meißen. Wir haben uns mit Iryna und Ina verabredet. Beide sind seit März 2022 in Meißen. Beide sind mit ihrem Fahrzeug hier. Sie selbst wären nie auf die Idee gekommen, mit der Zeitung über ihre Autos, genauer noch die Schäden daran, zu sprechen. Die Initiative ging von uns aus.

Iryna hat ihren Mann mitgebracht. Artem holt gleich sein Smartphone raus und blättert im Fotoordner zurück – bis Oktober 2022. Die Bilder zeigen das Auto der Familie, einen Audi A6. Es ist ein älteres Fabrikat. Was sofort ins Auge fällt, ist ein langer Kratzer – vom hinteren Kotflügel bis zur Beifahrertür. Verursacht wahrscheinlich durch einen spitzen Gegenstand. In den Schmutz auf der Motorhaube ist außerdem “Du Sau” geschrieben. Eigentlich ein Scherz bei Fahrzeugen, die mal wieder eine Wäsche vertragen könnten. In diesem Zusammenhang war jedoch niemandem zu lachen zumute.

Schaden von 1.000 Euro an einem Auto

Festgestellt wurde der Schaden am 13. Oktober 2022, gegen 18 Uhr. “Wir wollten was aus dem Auto holen, als wir den Kratzer gesehen haben”, erzählt Iryna. Die 44-Jährige ist Unternehmerin, führte mit ihrem Mann eine Firma, die Massage-Geräte aus Südkorea vertrieb. Sie spricht recht gut Deutsch. Auf die Frage, was sie im ersten Moment gedacht habe, verdreht sie nur die Augen und zuckt mit den Schultern.

meißen: wer zerkratzt ukrainische autos?

Neben dem Kratzer gab es noch diese Mitteilung auf der Motorhaube. © privat

Der Audi war zu dem Zeitpunkt auf dem Parkplatz an der Hochuferstraße abgestellt. Einige Tage später war sie bei der Polizei und hat den Vorfall zur Anzeige gebracht. Das Protokoll weist einen Sachschaden von 1.000 Euro aus. Sie habe die Auskunft bekommen, dass die Polizei nach den Tätern suchen werde. Seitdem parkt sie das Auto woanders. Reparieren lassen hat sie den Schaden bisher nicht. “Das macht keinen Sinn. Es kann ja immer wieder passieren”, sagt sie. Ihre Freundin Anastasia erzählt, dass man außerhalb der Ukraine gegen Schäden durch Vandalismus nicht versichert sei. “Wir haben nur eine Art Haftpflicht, die bei einem selbst verursachten Unfall die Schäden der anderen Beteiligen reguliert”, erklärt sie. Die Abwicklung laufe über die grüne Karte.

Tankdeckel fürs Autogas geklaut

Neben Irynas Auto stand an dem Tag noch ein weiteres mit ukrainischem Kfz-Kennzeichen – das von Ina, ein Mittelklassewagen der Marke Toyota. Auch hier zieht sich eine dünne, handgekratzte Linie über die Fahrerseite. Zudem wurde der Tankdeckel fürs Autogas geklaut. Ersatz dafür zu bekommen, so sagt Ina, sei schwierig bis unmöglich. “Es ist eine Spezialanfertigung”, so die Ukrainerin weiter. Auch sie hat den Schaden der Polizei gemeldet. Ihr Protokoll hat sie nicht dabei. Erwischt habe es außerdem noch ein drittes ukrainisches Fahrzeug auf dem besagten Parkplatz an der Hochuferstraße. Zu dessen Besitzer habe man aber keinen Kontakt, sagt Ina.

meißen: wer zerkratzt ukrainische autos?

Das Fahrzeug von Ina hat es auch erwischt. Hier fehlte außerdem der Tankdeckel fürs Autogas. © privat

Normalerweise säße noch ein weiterer Geschädigter in der Runde. “Ihm wurde auf einem Parkplatz unweit der Manufaktur die Scheibe eingeschlagen”, sagt Anastasia. Er habe sich aber nicht getraut, den Vorfall öffentlich zu machen. “Das ist häufig so. Die Betroffenen haben Angst vor möglichen Konsequenzen. Sie wissen auch nicht, inwieweit sie juristisch in etwas reingezogen werden”, erzählt die Familienmutter weiter. Sie ist wie viele andere in einer Telegram-Gruppe aktiv. Dort, so sagt sie, seien in den letzten Monaten mindestens 15 Sachbeschädigungen nach diesem bzw. einem ähnlichen Muster bekannt geworden.

Anfrage bei Polizei läuft noch

Iryna schiebt allerdings keinen Frust. Einerseits liegt der Vorfall schon einige Monate zurück. Andererseits würde das wahrscheinlich auch nicht helfen. “Wir fühlen uns trotzdem hier wohl. Es gibt sehr viele Menschen in Meißen, die uns unterstützen. Sie haben ein großes Herz”, sagt sie. Alle in der Runde drücken gegenwärtig die Schulbank, pauken Deutsch. Ina war in ihrer Heimat Medienkauffrau. Hat Werbung fürs Fernsehen und Print verkauft. Auch viele PR-Kampagnen gingen auf ihr Konto. Sie würde nach der Deutschschule hier gern in diesem Job wieder arbeiten.

Ob es sich um Einzelfälle handelt, oder ein größeres Problem darstellt, ist bislang unklar. Eine Anfrage bei der Polizeidirektion zu Vandalismusschäden an ukrainischen Fahrzeugen, die aktenkundig geworden sind, läuft noch. Zuletzt wurden in Meißen handgeschriebene Klebezettel mit der Aufschrift “Ukrainer raus!” an Papierkörben entdeckt.

TOP STORIES

Top List in the World