Formel 1

Sport

Max Verstappen siegt im turbulenten Regen-Grand-Prix von Kanada – doch die neuen 1000-PS-Autos sorgen für Unmut

max verstappen siegt im turbulenten regen-grand-prix von kanada – doch die neuen 1000-ps-autos sorgen für unmut

Regen und viel Hektik beim Grand Prix von Kanada – am Ende gewinnt wieder Max Verstappen. David Kirouac / Imago

In einer so komplexen Disziplin wie der Formel 1 kommt es immer aufs richtige Timing an. Die Wettbewerbshüter des Automobilweltverbandes (FIA) waren sich sicher, dass der Grand Prix von Kanada ideal für die Präsentation der mit Spannung erwarteten, ab 2026 im Einsatz stehenden Autogeneration sein würde. Schliesslich zielen die drastischen Änderungen auf ein globales Publikum ab.

Die Versprechen, die mit den künftig je zur Hälfte durch E-Fuels und von Elektromotoren angetriebenen 1000-PS-Autos verbunden sind, waren grundsätzlich absehbar – neben der Umweltfreundlichkeit sollen die Rennwagen der Zukunft ein weitaus besseres Racing liefern, als es mit den derzeit eingesetzten, erst vor zweieinhalb Jahren eingeführten Fahrzeugen der Fall ist.

Das Rennen bietet einiges an Drama

Zu diesem Zeitpunkt konnte ja noch niemand ahnen, dass der Start in das zweite Saisondrittel ein derart spannendes Geschehen liefern würde, das sogar die propagierte schöne neue Rennwelt verblassen lässt. Das Wochenende in Quebec war gehörig von launischem Wetter mit immer wieder aufkommenden Regenschauern geprägt. Das Rennen am Sonntagabend bot entsprechend ein gewisses Mass an Drama, so dass ein Trend noch immer nicht erkennbar ist: Aus dem Dreikampf an der Formel-1-Spitze ist ein Quartett geworden, nachdem Mercedes nach jahrelanger Krise aufgerückt war. Für George Russell resultierte am Ende der durch zwei Safety-Car-Phasen geprägten 70 Runden aus seiner Pole-Position zwar nur ein dritter Platz, aber es war für die Silberpfeile immerhin der erste Podestplatz der Saison.

Lando Norris im McLaren sah phasenweise ebenfalls wie ein sicherer Sieger aus, doch die erste Neutralisierung des Rennens wurde ihm zum Verhängnis. So schlug die Stunde eines Mannes, dessen Team viele in letzter Zeit auf dem absteigenden Ast sahen. Doch Max Verstappen zeigte mit der richtigen Dosierung von Aggression und Vernunft, warum er momentan der beste Fahrer im Feld ist.

In der Qualifikation exakt zeitgleich mit Russell, leistete er sich im Rennen keine Fehler und konnte so seinen sechsten Sieg im neunten Saisonrennen einfahren, nachdem er im Mai überraschend bei zwei Rennen das Nachsehen gehabt hatte. Da sich seine Verfolger wechselweise die Punkte wegnehmen, führt er in der WM-Gesamtwertung mit 56 Punkten vor dem ausgeschiedenen Ferrari-Fahrer Charles Leclerc. Weitere 7 Punkte dahinter rangiert Norris.

Gerade das Beispiel der italienischen Scuderia zeigt, wie wichtig Stabilität ist. Carlos Sainz junior, der mit seinem roten Auto einen Crash verursachte, weiss keine Antwort auf die Frage, warum bei den Italienern dem stärksten Wochenende der Saison in Monaco auf dem Circuit Gilles-Villeneuve der schwächste Auftritt folgte. Für die Spannung in einer voreilig als langweilig abgestempelten Saison sind solche Schwankungen gut.

Die Fahrer haben Zweifel an der neuen Autogeneration

Die Protagonisten haben grosse Zweifel an den künftigen Designregeln, mit denen nicht nur neue Hersteller wie Audi angelockt worden sind. Attraktivere, einfacher zu konstruierende und zu fahrende Autos sollen die komplizierten Ground-Effekt-Autos ablösen. Doch schon die Präsentation der neuen Richtlinien, an der auch der ehemalige Sauber-Technikdirektor Jan Monchaux massgeblich gefeilt hat, entfachte bei Verantwortlichen und Rennfahrern einen Sturmlauf gegen die Pläne mit den kürzeren und schmaleren Neuwagen, denen es an der heute üblichen Bodenhaftung fehlen wird. Es droht ein Aufstand gegen die technische Revolution.

Der McLaren-Teamchef Andrea Stella brachte die Sorge vieler auf den Punkt: «Auf den Geraden sind diese Autos zu schnell, in den Kurven sind sie zu langsam.» Sogar von Formel-2-Niveau wurde gesprochen. Verantwortlich dafür sind die deutlich schwereren Elektrokomponenten. Gegenüber den heutigen Autos, bei denen es schon viel Geld und Aufwand kostet, ein paar Kilo einzusparen und so die Leistung zu erhöhen, müssten in Zukunft sogar 60 Kilogramm verringert werden, damit das Gewicht nicht zu stark bremst. Tempo ist nun einmal das alles bestimmende Ideal im Motorsport. «Die Formel 1 muss weiterhin die Spitze des Motorsports sein», mahnte der Williams-Teamchef James Vowles, «deshalb müssen wir die momentane Leistung und den Speed beibehalten.»

Die zweite Sorge wird sogar von den Ingenieuren geteilt, die von Berufs wegen kein Problem haben, über die kommende, komplizierte Hybrid-Technik zu sprechen. Sie befürchten jedoch, dass gerade die durch Netflix rekrutierte neue und zahlreiche Formel-1-Kundschaft bald gelangweilt sein dürfte, wenn das Renngeschehen zu kompliziert zu verstehen sein wird. Der Grund dafür ist die abrufbare Zusatzenergie aus den Batterien, die die bisherige aerodynamische Überholhilfe namens DRS ablösen soll. «Es wird definitiv komplizierter werden», sagte sogar der Titelverteidiger Verstappen und zog witzelnd eine Parallele zum Computerspiel «Mario Kart»: «Fehlen eigentlich nur noch Bananenschalen und Schildkrötenpanzer . . . Ich sehe noch viele Fragezeichen.»

Auch Fernando Alonso, der älteste aktive Formel-1-Fahrer, ist genervt von der hohen Komplexität: «Ich denke, es sollte alles einfacher sein und es sollte wieder mehr um pures Rennfahren gehen.» Einen ersten Erfolg können die Gegner der Transformation verbuchen. Zwar sollen die Eckpfeiler des neuen Reglements noch in diesem Monat vom Weltrat der FIA verabschiedet werden. Danach aber sollen die Teilnehmer bei der Ausgestaltung stärker mitreden dürfen. Frühester Konstruktionsbeginn für die neuen Rennwagen ist der 1. Januar des kommenden Jahres.

TOP STORIES

Top List in the World