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Jonsdorfer baut weltweit einmaligen Oldtimer auf

Ingo Herbst ist leidenschaftlicher Schrauber. Am Anfang war es nur ein unbeachteter alter Motor. Daraus ist ein mobiles Schmuckstück entstanden.

jonsdorfer baut weltweit einmaligen oldtimer auf

Ingo Herbst aus Jonsdorf hat ein Fahrzeug der Marke “Peter & Moritz” aus den 1920er Jahren wiederaufgebaut. Das ist einmalig auf der Welt. Zu sehen ist das gute Stück im Großschöner Motorrad- und Technikmuseum. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Wenn Ingo Herbst an das blaue “Ungetüm” denkt, das in den vergangenen Jahren unter seinen Händen entstanden ist, muss er lachen. “Ich habe mich damit unsterblich gemacht”, sagt er. Warum? “Weil das weltweit einmalig ist.” Der Jonsdorfer ist nicht nur eine Frohnatur – er ist auch ein Technik-Fan, der sich besonders von fahrenden Oldtimern begeistern lässt. Und damit andere erfreut. Der 75-Jährige hat ein vor 100 Jahren in einer Kleinserie hergestelltes Auto nachgebaut, von dem es eben kein zweites gibt: einen Wagen aus der Naumburger Fahrzeugschmiede Peter & Moritz.

40 Jahre war Herbst als Kraftfahrer unterwegs. “Mit 22 habe ich mich als junger Mann zum ersten Mal auf einen Bock gesetzt. Danach war für mich klar: Ich will nie mehr etwas anderes machen.” Und weil ihn nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Technik interessierte, werkelte er an dem, was er durch die Gegend fuhr. Auf seinen Touren pfiff er nicht etwa hübschen Frauen hinterher. “Ich war scharf auf das, was auf unseren Straßen fuhr.” Oder hätte fahren können, wenn es noch funktionstüchtig gewesen wäre. So kam Herbsts Liebe zum Detail ins Spiel. “Ich bin kein geborener Schrauber, habe mir im Laufe der Zeit alles selbst angeeignet.” Inzwischen verfügt er über ein Können und Wissen, um das ihn andere beneiden.

    Zu DDR-Zeiten hat der Jonsdorfer alles selbst repariert. “Ich hatte Lust dazu. Außerdem war es eine Art Selbsterhaltungstrieb, es gab ja nichts.” Sein erster “Favorit” war ein Motorrad R 35 aus den Eisenacher Motorenwerken, das auf einem Modell von BMW basierte. Ingo Herbst erinnert sich noch genau: “Das Baujahr war 1953. Ich konnte es überarbeiten und bin dann auf ihm stolz durch die Gegend gefahren.”

    Nach der Wende ergaben sich noch viel mehr Möglichkeiten. So bekam der begnadete Schrauber einen alten Käfer unter die Finger, auch einen seltenen 1970er Steyr Puch aus österreichischer Produktion. Ein Freund überredete ihn schließlich, sich am Aufbau des Motorrad- und Technik-Museums in der früheren Großschönauer Schlauchbootfabrik zu beteiligen. Dies war der Ausgangspunkt für seinen bisher größten Coup. Denn völlig unbeachtet lag da ein Motor der Autowerke Peter & Moritz – ein wahrer Schatz, wegen seiner Seltenheit. Herbst recherchierte, dass es nur am einstigen Firmensitz im thüringischen Eisenberg noch einen zweiten gab, ein komplettes Fahrzeug weltweit aber nicht mehr vorhanden war.

    Als Vorlage diente nur ein historisches Foto

    Was nicht besonders verwunderlich ist. Denn den als Aktiengesellschaft gegründeten Autowerken war nur ein äußerst kurzes Leben beschieden. 1919 in Eisenberg gegründet, wurde der Firmensitz 1922 nach Naumburg an der Saale verlegt. Dort war 1925 schon wieder Schluss. Insgesamt sollen nur rund 800 Fahrzeuge das Werk verlassen haben. Wie lange Ingo Herbsts Motor ein Auto angetrieben hat, ist nicht bekannt. Fest steht aber, dass er die Fertigungsnummer 401 trägt und aus dem Jahr 1921 stammt. “Danach hat man ihn wahrscheinlich als stationären Antrieb für ein Aggregat genutzt.”

    Für den Jonsdorfer begann damit der Reiz des Unbekannten. “Ich wollte eines dieser nicht mehr vorhandenen Fahrzeuge nachbauen”, erzählt er. Die Schwierigkeit dabei: Als Vorlage gab es nur ein historisches Foto. “Ich musste mich zurückdenken in die Zeit vor 100 Jahren. Wie hätten die Ingenieure damals ihre Probleme gelöst? Welche Materialien hatten sie, um das Auto straßentauglich zu machen?”

      2016 begann Ingo Herbst sein Werk, baute einen Rahmen, besorgte Federn und setzte den Motor ein. “Insgesamt war das ein Gerippe. Ich wollte es eigentlich so lassen, um den historisch wertvollen Antrieb zu zeigen. Doch dann bekam ich weitere Unterlagen in die Hand und ich fing an, auch eine Karosserie zu bauen.” In seiner Werkstatt am Haus in Jonsdorf machte der Schrauber alles selbst. Vorderachse schweißen, Bleche biegen – kein Problem. “Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden”, so sein Fazit. “Es ist zwar kein 100-prozentiges Original, weil mir die technischen Zeichnungen dazu fehlen. Aber es kommt sehr an das einstige Aussehen ran.”

      Seinen Enkeln ist das eigentlich egal. Ihnen macht vielmehr Spaß, dass das Vehikel auch fahrtauglich ist. “Mit den Kleinen bin ich schon mehrmals durch den Garten gefahren. Das gab ein Hallo und Hurra.” Herbst selbst ist ebenfalls begeistert. Denn “das Auto macht richtig Tempo”, hat er festgestellt. Messwerte gibt es natürlich nicht. Aber: “Geschätzt kommt der Wagen auf 90 Sachen.” Und hat – vermutet der Schrauber – etwa 20 PS unter dem Blech.

      Für die Enkel sind drei Elektroautos entstanden

      Eigentlich wollte er den Oldtimer zulassen. Doch der dazu notwendige Aufwand verhinderte dies. “Ich hätte für sämtliche Teile Nachweise und Materialprüfungen vorlegen müssen. Da ich fast alles selbst gemacht habe, ist das für mich gar nicht möglich.” Deshalb beschränkt sich Ingo Herbst auf seine “Teststrecke” im eigenen Garten. Und im August auf die Fahrt zum Fest des Motorrad- und Technikmuseums Großschönau, wo der einzigartige Oldtimer jetzt aktuell zu bewundern ist.

      Mit dem Basteln ist für den Technik-Fan damit aber längst noch nicht Schluss. Seine fünf Garagen zu Hause sind gefüllt mit Fahrzeugen und allen möglichen Teilen. Noch immer steht der Steyr Puch drin, auch ein 28 Jahre alter Mazda. Dazu zwei Jawa-Motorräder von 1936. “Ich habe immer was zu reparieren”, lacht der 75-Jährige. Auf sein Altenteil begeben will er sich nicht. Warum auch? Denn hat er nicht gerade mit den Oldies zu tun, liegen ihm die Enkel in den Ohren. “Für die habe ich schon drei kleine Elektroautos gebaut. Sechs km/h schnell – damit können sie auch mal auf dem Fußweg fahren.”

      Das Motorrad- und Technikmuseum des MC Robur Zittau in der Großschönauer Hauptstraße 85 ist von April bis Oktober jeweils Sonnabend und Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

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