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Honda e:Ny1 im Test: Größer, weiter, schlechter

Fazit: Mehr Platz und Reichweite, doch neue Fehler

Die großen Fußstapfen des kleinen Vorgängers Honda e kann der e:Ny1 nicht ganz ausfüllen. An einigen Stellen spürt man den Rotstift der Betriebswirte. So fehlt dem an sich wertigen e:Ny1 etwa die Edelanmutung des Interieurs sowie der Heckantrieb und der gigantische Panorama-Bildschirm des e. Dafür legt er in praktischen Kategorien wie Preis, Reichweite und Platz deutlich nach, kann aber in kaum einer Kategorie mit der Konkurrenz wie etwa dem Volkswagen ID.3 mithalten.

Für wen ist der Honda e:NY1 das richtige Auto?

Mit einem Basispreis von 38.000 Euro ist der Honda e:Ny1 nicht günstig. Besonders in der höheren Linie “Advance”  ist der e:NY1 reichhaltig und modern ausgestattet. Er fährt in der Praxis gut 300 Kilometer im Mischbetrieb und verfügt über Schnellladen mit bis zu 78 kW. Das sind absolut keine Bestwerte, aber ohne größere Kompromisse praxistauglich. Auf Anhängerkupplung und Dachträger müssen Sie verzichten.

honda e:ny1 im test: größer, weiter, schlechter

EFAHRER.com/Moritz Diethelm

Honda e:NY1 – Die Stärken und Schwächen

Honda e:NY1 – Technische Daten

Basis-Preis 38.990 Euro
Maße 4,83 x 2,02 x 1,58 Meter
Leistung 204 PS
Drehmoment 310 Nm
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h) 7,6
Norm-Reichweite  412 km
Gemessene Autobahn-Reichweite 235 km
Ladehub 64,9
Akku-Typ Lithium-Ionen-Batterie mit Nickel-Mangan-Kobalt
Maximale gemessene Ladeleistung 73 kw
Ladezeit 60 Minuten (10% auf 80%)
Sitzplätze 5
Kofferraum-Volumen 344 Liter
Antrieb Front

Das macht den Honda e:NY1 so besonders

Die Karosse des e:Ny1 ist weniger lieblich als die des Vorgängers Honda e. Statt niedlicher Rundungen und Kulleraugen im Kindchen-Schema gibt’s große, fast skulpturale Flächen und einen bösen Blick aus LED-Schlitzen in der Front. Die Linienführung ist angenehm schlicht. Der Honda e:NY1 wirkt so im besten Sinne deutlich fetter und bulliger als andere Autos seiner Klasse wie der kaum kleinere Volkswagen T-Roc.

Der Kofferraum ist mit 361 Litern in etwa so groß wie bei einem Golf. Im großzügigen Fach im Kofferraum-Unterboden finden Ladekabel, Werkzeuge, Reinigungsmittel und anderes Fahrzeug-Zubehör locker Platz.

Honda e:Ny1: Raumangebot, Material und Verarbeitung

Vier Erwachsene sitzen im e:NY1 bequem. Nur auf den Rücksitzen macht sich bei langbeinigen Passagieren die mangelnde Sitzhöhe unangenehm bemerkbar. Dafür ist viel Raum für die Knie und genug für den Kopf.

Der mittlere Sitz lässt sich leider nicht fürs Durchladen sperriger Gegenstände wie Ski umlegen. Hondas geniale Faltsitze, die so genannten „Magic Seats“, sucht man im e:NY1 ebenso vergeblich wie Sitzheizung auf der Rückbank. Dafür lässt sich die Rückbank fast komplett plan umlegen und macht so rund 1200 Liter Raum frei.

Verarbeitung und Material sind durchweg solide, allerdings nicht auf dem Premiumniveau des Vorgängers. Größtes Ärgernis sind die riesigen, schwarzen Hartplastikflächen in Klavierlackoptik. Die sehen zwar brandneu und auf Fotos von Neuwagen beeindruckend aus, verdrecken und verkratzen aber erfahrungsgemäß noch vor dem ersten Service-Termin.

Honda e:Ny: Ekel-Alarm beim Laden

Die Ladeklappe vorne ist in vielen Situationen ungünstig. Sie macht das Anfahren an Ladestationen schwierig. So steht der e:NY1 oft deutlich über die Ladebucht hinaus auf die Straße. Die Klappe öffnet sich elektrisch. Schließen muss man sie von Hand, was ein wenig eklig sein kann, wenn sie nach einer schnellen Autobahn-Etappe im Sommer etwa von toten Insekten verklebt ist.

Erwähnenswert ist auch Hondas Verschattungslösung für das optionale Glasdach. Anstelle einen Baldachin zur Seite zu fahren, klipsen Sie hier im Fenster über dem Fond zwei passende Netzgitter ein, die sich ebenfalls nur im Unterboden des Kofferraums sinnvoll verstauen lassen.

Statt des bombastischen Panorama-Bildschirms des Honda e müssen Sie im e:NY1 mit einem großen Touchscreen im Hochformat vorliebnehmen. Das Grundlayout des Infotainments ist sehr gelungen. Pfiffig ist die Idee, im obersten Bildschirm-Drittel fix Android Auto oder Apple Car Play zu platzieren.

Honda e:Ny1: Pfiffiges Infotainment mit Problemen

Das Menü ist einfach strukturiert und lässt sich ohne Einarbeitung intuitiv bedienen. Die grundlegenden Funktionen und die drahtlose Kopplung per Apple Carplay funktionieren flüssig. Geeignete Smartphones laden unterhalb des Bildschirms kabellos in einer Ladeschale.

Allerdings gab es im Test immer wieder Probleme mit Android Auto. Der obere Teil des Bildschirms hängte sich auf und ließ sich weder während der Fahrt noch durch Ausschalten, Abschließen oder Warten wieder zum Laufen bringen. Da hilft nur noch die integrierte Navigation.

Mit 204 PS ist der e:NY1 für die alte Verbrennerwelt stark motorisiert. In der Elektrowelt ist dieser Wert bestenfalls Mittelfeld. Und das angeblich ganz bewusst, wie Honda-Ingenieur Kotaro Yamamoto erklärt: „Viele E-Autos bieten zu starke Beschleunigungen, die das menschliche Gehirn nicht verarbeiten kann.“ Statt auf Dampfhammer-Durchzug sei der Honda e:NY1 auf harmonische Fahrdynamik abgestimmt.

Honda e:Ny: Fahrdynamik mit Licht und Schatten

Der e:NY1 ist mit seinen rund 1,7 Tonnen eines der leichtesten Elektro-SUVs auf dem Markt und hat den E-Auto-typischen tiefen Schwerpunkt. Dafür fährt sich der e:NY1 ungewöhnlich weich und priorisiert Komfort vor Sport.  Die Sitze sind komfortabel, das Lenkrad liegt gut in der Hand und führt den e:NY1 präzise und kontrolliert durch kurvige Straßen.

Der e:NY1 hat auch im Öko-Modus stets locker Reserve für ein Überholmanöver oder das Einfädeln in die Autobahn. Der Kontrast zum Vorgänger Honda e ist allerdings krass: Mit seinem Heckantrieb und mit dem winzigen Wendekreis war der e ein wieselflinkes Stadtauto mit Spaßgarantie. Der e:NY1 zieht mit gut zwölfeinhalb Metern deutlich behäbiger seine Kreise.

Nur bei voll durchgedrücktem Gaspedal hat die Frontachse Mühe, die 204 PS und über 300 Nm Drehmoment auf die Straße zu bringen. Beim Anfahren auf nassem Asphalt und in der Kurve schlupfen und quietschen die Vorderreifen, besonders im Sportmodus. Schade, denn eigentlich sollte Honda als Spezialist für sportliche Fronttriebler wissen, wie man satte Motor-Leistung schlupffrei in Vortrieb verwandelt.

Honda e:Ny1: Ladeleistungen und Ladezeit in der Praxis

Beim Laden gibt’s rein numerisch ebenfalls keine Bestwerte. Die 11 kW an der heimischen Wallbox oder öffentlichen Ladesäule sind Standard und werden nur mehr von anderen Fernost-Konkurrenten unterboten.

Die nominalen 78 kW Spitzenleistung am Schnelllader sind derweil nicht einmal mehr Mittelmaß. Bei moderaten Außentemperaturen von rund 23 Grad lud der Honda e:NY1 im EFAHRER-Test bis 38 Prozent mit 71 kW geladen, brach dann aber auf 22 kW ein. In den folgenden 5 Minuten stieg die Leistung bis 50 kW, dann allerdings wieder auf 22 kW herab. So würde das Auto wohl über eine Stunde bis 80 Prozent brauchen.

Immerhin: Die konservative Lade-Auslegung wird wohl den Akku vor Überhitzung schützen und möglichst lange haltbar machen.

Honda e:Ny1: Fahrassistenzen und echte Reichweiten

Sinnvolle Fahrassistenzen wie ein Abstandstempomat mit Spurhaltung unterstützen den Fahrer unaufdringlich und sorgen für ein wichtiges Sicherheitsplus. Von autonomem Fahren kann hier allerdings nicht die Rede sein. Zu oft verliert der Lenk-Assistent in kurvigen Käffern und auf sportlich gefahrenen Landstraßen den Faden.

Insgesamt 412 Kilometer Reichweite verspricht Honda für den e:NY1. In der Praxis wird dieser Wert eher bei guten 300 Kilometern liegen.

Bei Tempo 130 klettert der Verbrauch allerdings auf deftige 27,6 kWh pro 100 Kilometern. Mehr als 235 Kilometer sind auf der Autobahn dann nicht drin.

Apropos deutsche Autobahn: Bei den Fans derselbigen hat der Honda e:NY1 mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h einen kleinen Bonus gegenüber den Standard-IDs von VW, die bei Tempo 140 abriegeln. Auch bei VMax liegt der e:NY1 ruhig auf der Straße.

Ob Honda mit der konservativen Auslegung seines Elektroantriebs an die legendäre Haltbarkeit seiner Saugbenziner anknüpfen kann, wird die Zeit zeigen.

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