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Daten: Ist das Überholen mit den Ground-Effekt-Autos wirklich leichter?

daten: ist das überholen mit den ground-effekt-autos wirklich leichter?

Das Hinterherfahren sollte unter dem neuen Aerodynamikregeln leichter werden

Der Formel-1-Rechteinhaber Liberty Media hatte für das im Jahr 2022 eingeführte Aerodynamikreglement extra ein eigenes Technikteam unter der Führung von Ross Brawn und Pat Symonds beschäftigt, um die Überholproblematik in der Königsklasse mit den neuen Regeln endlich zu lösen.

Durch die ständige Weiterentwicklung der Autos wurde der sogenannte “Dirty-Air-Effekt” immer größer, was das Hinterherfahren schwieriger machte. Herausgekommen sind Ground-Effekt-Autos, die die Luft eher nach oben verwirbeln, um das Überholen zu erleichtern, doch was hat es wirklich gebracht? Wir haben uns die Überholdaten seit der Formel-1-Saison 1984 angesehen und klären, welches Reglement wirklich zu den meisten Überholmanövern geführt hat!

2024 das schwerste Überholjahr der Ground-Effekt-Ära

Doch zuerst zur aktuellen Formel-1-Saison 2024. In bisher 14 Saisonrennen gab es insgesamt 502 Überholmanöver, was einen Schnitt von 35,9 Überholungen pro Rennen entspricht. Das Rennen mit den meisten Überholvorgängen war dabei tatsächlich der Große Preis von Spanien mit 55 Stück, was insofern überraschend ist, da der Circuit de Barcelona-Catalunya aufgrund der vielen aufeinanderfolgenden Kurven nicht gerade als Überholstrecke bekannt ist.

Im Vergleich zu den ersten beiden Saisons mit dem Ground-Effekt-Reglement schneidet das aktuelle Jahr aber schlechter ab. 2022 gab es im Schnitt 41,6 Überholmanöver pro Rennen, 2023 sogar 42,6. Ein Grund könnte sein, dass das Feld zweifelsohne immer näher zusammenrückt und es in den Rennen kaum noch Pace-Unterschiede gibt, die für das Attackieren notwendig sind.

Damit ergibt sich ein Schnitt von 40,6 Überholmanövern pro Rennen im aktuellen Reglementzyklus seit 2022. Doch ist das wirklich mehr als unter den breiten und aerodynamisch ausgefeilten Autos, die von 2017 bis 2021 gefahren worden und mit den das Überholen vermeintlich so schwer war?

Daten zeigen: So viel leichter ist das Überholen seit 2022 gar nicht

2021, im letzten Jahr des alten Reglements, gab es in 22 Rennen 771 Überholvorgänge, was 35,1 Überholungen pro Rennen entspricht. 2020 lag der Schnitt bei 36,9, 2019 sogar bei 45,2! Eine große Erleichterung beim Überholen mit den Ground-Effekt-Autos seit 2022 lässt sich damit nicht erkennen. 2019 war das Überholen statistisch gesehen sogar leichter.

Nimmt man noch die restlichen beiden Saisons, 2017 und 2018, des alten Reglements hinzu, so ergibt sich ein Schnitt von 35,7 Überholmanövern pro Rennen im Reglementzyklus der breiten Formel-1-Autos mit viel Abtrieb. Somit haben die 2022 eingeführten Regeln für durchschnittlich 4,9 mehr Überholungen in jedem Grand Prix geführt, was angesichts der gravierenden Veränderungen an der Aerodynamik erstaunlich wenig ist.

Trotz Dirty-Air: Warum im alten Reglement relativ viel überholt wurde

Doch woran liegt das? Wahrscheinlich gibt es zwei Hauptgründe. Einerseits waren die Teams im alten Reglementzyklus noch weiter auseinander. Es gab noch keinen Budgetdeckel und auch keine Anpassung der Windkanalzeiten je nach Platzierung in der Konstrukteurs-WM. Somit gab es zwischen den Teams größere Pace-Unterschiede, womit man die benötigten Überholdeltas leichter überbrücken konnte. Mit den Daten unseres Technologiepartners i#PACETEQ#i können wir dies belegen.

2017 lagen die zehn Formel-1-Teams im Qualifying im Schnitt ganze 3,64 Sekunden auseinander! Und selbst das schnellste Team, Mercedes, und das viertschnellste Team, Renault, trennten durchschnittlich noch 1,86 Sekunden. Im Vergleich dazu: 2022, in der ersten Saison der neuen Regeln, lagen die zehn Teams im Qualifying nur 2,14 Sekunden auseinander, während der Abstand zwischen Platz eins (Red Bull) und Platz vier (Alpine) auch nur 1,06 Sekunden betrug.

Der zweite Punkt dürfte die aerodynamische Charakteristik der Abtriebsmonster im Reglementzyklus 2017 bis 2021 sein. Zwar erzeugten diese Autos deutlich mehr Verwirbelungen, was das Hinterherfahren erschwerte, dafür war aber auch der Windschatten- und DRS-Effekt auf den Geraden durch die Breite der Autos größer, da viel mehr Luftwiderstand erzeugt wurde. Somit konnte man von deutlich weiter hinten auf einer langen Geraden noch herankommen und eine Attacke setzen.

Wann wurde in der Formel 1 am meisten überholt?

Auch wenn das Überholen in der Ground-Effekt-Ära etwas leichter als in den Jahren zuvor ist, ist die Formel 1 dennoch weit von ihren Überhol-Hochzeiten entfernt. Schaut man sich die Daten seit der Saison 1984 an, so war der Regelzyklus von 2011 bis 2013 mit Abstand der überholfreundlichste. Schon 2009 hat die Formel 1 die Aerodynamik der Autos grundlegend vereinfacht, um die verwirbelte Luft zu reduzieren, doch mit der Einführung des DRS zwei Jahre später gelang der große Durchbruch.

In der Saison 2011 gab es in 19 Rennen ganze 1249 Überholungen, was einen Schnitt von 65,7 Manövern pro Rennen entspricht. Das sind etwa 25 mehr pro Grand Prix als in der aktuellen Regelperiode der Ground-Effekt-Autos. Die komplette Regelperiode von 2011 bis 2013 kommt insgesamt auf 3.507 Überholmanöver oder umgerechnet 60,5 Überholungen pro Rennen.

Beim Blick auf die Historie fällt auf, dass das Überholen seit 1984 immer schwerer wurde und 2005 seinen faktischen Tiefpunkt erreichte, ehe es 2010 wieder stark aufwärts ging. Bemerkenswert ist der Fall von 27,1 Überholmanövern pro Rennen im Jahr 1993 auf 17,9 nur eine Saison später. Nach den tragischen Todesfällen von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna in Imola wurden vermehrt künstliche Schikanen eingebaut, die sich negativ auf die Rennaction auswirkten.

Mit nur durchschnittlich 12,9 Überholmanövern pro Rennen ist die Saison 2005 das überholfeindlichste Jahr seit Beginn der Datenaufzeichnungen. Hauptgrund hierfür dürfte eine in diesem Jahr neu eingeführte Regel sein, die besagte, dass ein Reifensatz ein komplettes Rennen halten muss. Somit gab es kaum Reifenverschleiß und damit auch kein Reifendelta, was ein großer Faktor für das Überholen ist.

Auf welcher Strecke gibt es die meisten Überholmanöver?

Auch schon einmal gefragt, welche Strecke am besten für das Überholen ist? Nimmt man alle Saisons seit 1984 zusammen, so ist die unangefochtene Nummer eins die neue Las-Vergas-Strecke, auf der bisher aber auch nur ein Rennen absolviert wurde. In der 2023er-Ausgabe gab es ganze 99 Überholvorgänge.

Auf Platz zwei würde man wohl nicht so leicht kommen. Mit durchschnittlich 69,4 Überholmanövern pro Rennen liegt Zandvoort vor der Strecke in China (59,8). Dies dürfte wohl vor allem am letztjährigen Niederlande-Grand-Prix liegen, wo unter feuchten Bedingungen gleich 188 Mal überholt wurde. Seit 1984 gab es auch nur fünf Rennen an der niederländischen Küstenstadt.

Auf dem letzten Platz liegt hingegen wenig überraschend Monaco mit gerade einmal 12,0 Überholmanövern pro Rennen. Der vorletzte Platz geht an die französische Rennstrecke Magny-Cours (14,1), knapp hinter Aida in Japan (15,5), wo 1994 und 1995 der Große Preis der Pazifik ausgetragen wurde. Aufgrund der unterschiedlichen Reglements ist es aber ohnehin schwierig, vergangene Strecken mit den aktuellen zu vergleichen.

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