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Cargobike und E-Sprinter kommen als Paarlösung

Mercedes-Benz Vans hat mit dem Berliner Cargobike-Hersteller Onomotion ein pfiffiges System für die Paketzustellung in der Stadt entwickelt.

Vollelektrische Transporter wie der neue Mercedes eSprinter oder der eVito sind eine gute Möglichkeit, um den Lieferverkehr in Großstädten umweltfreundlicher zu gestalten. Zumindest die Emissionen von Kohlendioxid und Stickoxiden, die bei der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen entstehen, werden durch den Wechsel der Fahrzeugflotten vom Diesel- zum Elektromotor deutlich reduziert. Die wachsenden Verkehrsprobleme in den Städten löst die Antriebswende gleichwohl nicht – da braucht es neue Konzepte für die Citylogistik.

Zum gelinden Schrecken von Nutzfahrzeugherstellern wie Mercedes-Benz Vans haben große Paketversender wie Hermes, DPD, GLS und UPS deshalb damit begonnen, elektrische Cargobikes in größerer Zahl in ihre Flotten aufzunehmen, um diese dreirädrigen „Pedal Assisted Transporter“ (PAT) in Projekten verschiedener Städte für den emissionsfreien Transport von Sendungen auf der sogenannten letzten Meile einzusetzen. Die Sorge der Transporterbauer: Langfristig könnte die wachsende Verbreitung der „PATs“ dazu führen, dass die Bestellungen von klassischen Lieferwagen allmählich zurückgehen.

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Freie Fahrt in der Fußgängerzone Seit 2019 schon arbeitet Onomotion mit dem Paketdienst Hermes zusammen. Dieser nutzt die Cargobikes aus Berlin unter anderem in München zur Belieferung von Geschäften rund um den Viktualienmarkt. Foto: Hermes

„Sie fahren am Stau vorbei, nutzen die Fahrradinfrastruktur und können direkt zu Kunden vor die Haustür fahren“, wirbt etwa der Berliner Hersteller Onomotion. Das Ono Cargo – ein 3,40 Meter langes Dreirad mit aerodynamisch verkleidetem Fahrerhaus, zwei Radnabenmotoren mit 250 Dauerleistung sowie einem Akkupaket mit 1,4 kWh Speicherkapazität kann in einem containerähnlichen Wechselmodul immerhin Lasten von rund 200 Kilogramm transportieren – bis zu 50 Kilometer weit. Mit einem Basispreis von rund 15.000 Euro deutlich preiswerter als ein eVito. Hinzu kommt: Um den elektrischen Kleinlaster bewegen zu dürfen, braucht es keinen Führerschein. Das macht es deutlich einfacher, dafür Fahrer zu finden.

Kein Platz in der City für Umschlagplätze

Bei Mercedes-Benz Vans sahen pfiffige Ingenieure die schweren Cargobikes allerdings weniger als Risiko für das eigene Geschäft denn als Chance. Und nach dem Motto „Wen Du nicht besiegen kannst, mache Dir zum Freund“ suchten sie Kontakt zu Onomotors. Das fiel nicht sonderlich schwer: Einer der drei Gründer des Startups ist der ehemalige Mercedes-Designer Murat Günak. Gemeinsam überlegte man, wie man beide Transportmittel – den vollelektrischen Van und das teilelektrische (weil auch noch muskelbewegte) Cargobike – zu einem innovativen Logistiksystem weiterentwickeln könnte.

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Rampensau Statt über eine Rampe wird der Rollcontainer von einem hydraulischen Lifter aus dem Laderaum des eSprinter gehievt. In wenigen Minuten und ohne Gefahr für Leib und Leben von Passanten oder des Fahrers. Fotos: Mercedes-Benz

Denn für die Logistikdienstleister ist es vielerorts inzwischen ein großes Problem, die Sendungen in die Stadt zu bekommen, um sie dort weiterverteilen zu können. Für den Güterumschlag aufs Cargobike sind sogenannte Micro-Hubs erforderlich. Doch solchen Flächen sind rar – und wo es sie gibt, wird es teuer. Und irgendwo am Straßenrand möchte niemand die Pakete umladen.

Wie kommt der Container über die Ladekante?

Das Ergebnis des gemeinsamen Brainstormings von Mercedes-Benz mit Onomotion ist eine pfiffige Tandemlösung. Die Sendungen, so die Idee, werden in Logistikzentren am Stadtrand vorkommisioniert und dann in kleine Wechselcontainer auf Rollen gepackt, von denen jeweils zwei mit einem eSprinter zu einem Übergabepunkt in der City gebracht werden. Dort werden die Container dann über ein eigens entwickeltes, fernsteuerbares Hubsystem aus dem Laderaum des Lieferwagens gehievt und von einem Ono Cargo übernommen. Anschließend kehrt der eSprinter ins Logistikzentrum zurück, um neue Container aufzunehmen – das Cargobike bringt derweil die Pakete an die Haustür der Adressaten. Ohne dort lang nach einem Parkplatz suchen zu müssen oder die Fahrbahn zu blockieren.

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Ohne Führerschein Das elektrifizierte Cargobike von Onomotion ist so lang wie ein Kleinwagen und kann Lasten von bis zu 200 Kilogramm transportieren. Einen Führerschein benötigt der Fahrer trotzdem nicht – nur stramme Waden und Ortskenntnisse.

Die größte Herausforderung, erzählt Ono Wilken aus dem Bereich Business Strategy & Sustainability von Mercedes-Benz Vans, der die Kooperation initiiert hat, sei die Entwicklung des Wechselsystems gewesen: Ein 200 Kilogramm schwerer Container lasse sich ohne Gefahr für Leib und Leben nicht so einfach über eine Rampe aus dem Laderaum eines Sprinters (Höhe der Ladekante: 57 Zentimeter) schieben. Am Computer wurde mit Hilfe eines CAD-Programms aber in nur drei Wochen eine Lösung gefunden: ein hydraulisch betriebener hochbelastbarer Lifter. Der Prototyp wurde aus massivem Aluminium gefräst.

Praxistest soll schon in Kürze starten

Für eine erste Erprobung des Systems nutzte Mercedes-Benz den Technologieträger „Sustaineer“, einen eSprinter der ersten Generation, in dem bereits eine Vielzahl innovativer, „grüner“ Systeme verbaut sind. Solarpanels zur Stromerzeugung auf dem Dach, verschleißarme Bremsen und körpernahe Heizsysteme wie ein Fußwärmer oder wärmende Sicherheitsgurte, auch digitale Außenspiegel. Letztere, räumt Wilken ein, hätten sich allerdings nicht bewährt: „Die fressen mehr Strom als dass durch die verbesserte Aerodynamik an Reichweite gewonnen wird.“ Da macht das Hubsystem schon mehr Sinn.

Im nächsten Schritt wollen Mercedes-Benz und Onomotion ihre Tandemlösung nun einem der großen Logistikdienstleister zur Erprobung geben. Gedacht wird an eine Produktion von zunächst drei bis fünf Fahrzeugen – eSprintern der neuen Generation und Ono Cargobikes. Wo der Praxistest stattfindet und bei welchem Paketdienst, soll in Kürze bekanntgegeben werden – die Verhandlungen laufen noch.

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