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BMW R 1300 GS Adventure: Schweres Geschütz

bmw r 1300 gs adventure: schweres geschütz

Ein Geschütz aus dem Zweiten Weltkrieg in der Nähe von Tarifa inspirierte zum Titel.

Ja, haben die an der neuen BMW R 1300 GS Adventure denn die Seitenkoffer vorn montiert? Nein, natürlich nicht. Das kastenartige Teil ist der riesige Tank, zierlich wie ein Kühlschrank. In Fahrt wirkt dieses Mordstrumm Bike dann erstaunlich leichtfüßig. Und die optionale Automatik macht erst recht das Leben leicht.

Klar, der massive Auftritt ist gewollt, schließlich bezeichnen sie die GS Adventure in München als „Fels in der Brandung, wenn es ums Thema Motorrad-Abenteuer und Fernreisen geht“. Fels, nicht Kieselstein. Und irgendwo müssen 30 Liter Sprit ja hin. Sicher nicht in die Seitenkoffer.

Realistisch reicht das locker für 550 Kilometer. Und der Alutank bietet bei Bedarf neben serienmäßigen Zusatzscheinwerfern zudem jede Menge Ösen und oben an den Seiten zwei Abstellflächen, die sicher mal jemand als Trittstufen für Stunts zweckentfremden wird. An den Ösen lassen sich Taschen aus der Zubehörliste befestigen, obendrauf ein Tankrucksack, den man zum Tanken ganz easy wegklappen kann. Damit wären wir dann doch wieder bei vorderen Seitenkoffern.

Achtung, Schwerpunkt!

Das mit diesem Zusatzgepäck muss man sich aber gut überlegen. Auf Langstrecken ist es sicher praktisch; wenn es offroad verwinkelt und eng wird, will man sich vielleicht mal nach vorn beugen. Vor allem aber spürt man den höheren Schwerpunkt. Der ist zwar wegen des bei der neuen Generation zentraler und tiefer untergebrachten Treibstoffs tiefer als früher, aber logischerweise dennoch relativ hoch. Wenn man da im Stand ein wenig mehr als gewollt in Schräglage gerät, liegt die Fuhre schnell mal im Dreck. Bisweilen braucht es sogar richtig Kraft, sie vom Ständer aufzurichten.

Vorteil: Der serienmäßige Motorschutzbügel ist so geformt, dass bei einem Sturz weder dem Motor noch dem Rest des Fahrzeugs etwas passiert. Mir ist sie umgefallen und mehr als ein Minikratzer am Rückspiegel war nicht zu sehen. Auch das Aufheben ging erstaunlich leicht, obwohl das Testbike mit Sonderausstattung und genannten (befüllten) Taschen deutlich schwerer war als die 269 kg Leergewicht fahrfertig. 269 Kilogramm! Ja, viel, aber für so viel Motorrad mit so viel Benzin auch wieder nicht.

Nicht vergessen: Nach einem Sturz aktiviert sich das serienmäßige eCall und setzt einen Notruf ab – den sollte man abbrechen, wenn nichts passiert ist.

Nur eines sollte bei einem Umfaller nicht passieren: Der Schalthebel sollte mit nichts Festem in Berührung kommen – denn der ist aus Plastik! Den Kollegen von 1000PS.at ist er an einer Standard-GS wie aus dem Nichts nach einem harmlosen Umfaller einfach abgebrochen.

Superfeines TriebwerkDer prächtige, 145 PS starke 1300-ccm-Zweizylinder-Boxer ist natürlich der neue aus der Standard-GS, wie auch das ganze Motorrad eine Ausbaustufe der Standard-GS ist (anders als bei der 900er-GS). Der wirkt aus dem Drehzahlkeller zwar nicht so drehmomentstark wie das 1250er-Vorgängermodell, das täuscht aber: Die neue Generation ist mit 149 Nm bei 6500/min. nicht nur stärker, sondern hängt den Vorgänger im gesamten Drehzahlbereich ab. Zwischen 3600 und 7800 Touren stehen ständig mehr als 130 Nm zur Verfügung. Es fehlt nur der traktorartig sonore Sound (sogar mit Akrapovic-Doppeltopf), aber das ist den Geräuschvorschriften geschuldet. Abwürgen ist kaum möglich, die Drehmomentkurve fängt bei 115 Nm an.

Sensationelle Automatik optional

Mit der GS Adventure führt BMW ein neues Feature ein: ASA, den automatisierten Schaltassistenten, als optionalen Teil des Dynamikpakets. Das ist im Prinzip ein automatisiertes Schaltgetriebe. Doch was in einem Pkw die schlimmste Art zu schalten überhaupt ist, ist hier an der BMW unglaublich geschmeidig. Die Schaltstrategie ändert sich mit dem Fahrmodus und sorgt beim Fahrer nur in seltenen Fällen für Irritation. Man kann jederzeit mit dem Fuß schalten und sollte das kurz nach einem automatischen Schaltvorgang passieren, wird nicht ein weiteres Mal geschaltet, sondern es bleibt richtigerweise der aktuelle Gang drin.

Das Klauengetriebe an sich ist mit dem normalen identisch, aber es gibt keinen Kupplungshebel. Dessen Aufgabe übernimmt ein Elektromotor, ein weiterer wechselt den Gang, nimmt ihn raus oder legt ihn ein. Das geht so sauber, wie es kaum ein Fahrer manuell zustande bringt. Anfahren in steilem Gelände? Nichts sauberer als das! Beim Anhalten wird bei 5 km/h der erste Gang eingelegt, denn ab 6 km/h reicht zum Beschleunigen jederzeit der zweite.

Wenn man zum Überholen ansetzt, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man dreht einfach das Gas aus und beschleunigt auf der Drehmomentwelle oder man dreht den Gasgriff schnell – dann wird heruntergeschaltet. Darüber hinaus kann man natürlich selbst runterschalten. Dann kehrt das System nach kurzer Zeit in den Automatikmodus zurück.

Per Knopfdruck am linken Lenkergriff kann man dauerhaft den Manuellmodus aktivieren und fahren wie mit jedem Motorrad mit einem sehr zuverlässigen, geschmeidigen Quickshifter.

Einzige Fehlerquelle: Wenn man im Stand aus Nachlässigkeit den Fuß auf dem Schalthebel abstellt, landet man versehentlich im Leerlauf. Dann kommt man nicht von der Ampel weg – oder das Bike kann wegrollen, wenn man es abstellt.

Gerade im Gelände ist ASA für weniger Geübte ein Segen, weil man sich ums Kuppeln und Schalten nicht kümmern muss. Die linke Hand bleibt am Lenkergriff.

Erstaunlich ist, dass der Normverbrauch mit ASA von 4,9 auf 5,0 l/100 km steigt, obwohl es nur 1,2 kg wiegt. Im Realbetrieb sollte der Verbrauch mit Automatik deutlich günstiger sein, weil man einfach immer im richtigen Gang unterwegs ist. Ehrlicherweise fährt ASA oft in einem höheren Gang, als ich das manuell machen würde, aber es hat mich nie gestört.

Dank Elektronik für wirklich jede Körpergröße

Trotz ihrer schieren Größe und des Gewichts ist die große GS ein Motorrad für Menschen jeder Größe: Ihre Sitzhöhe lässt sich prinzipiell zwischen unter 800 und über 900 Millimeter variieren. Zudem ist die Schrittbogenlänge links und rechts um 20 mm kürzer als früher. Serienmäßig beträgt die Sitzhöhe mit dem variabel montierbaren Sattel 870 oder 890 mm.

Wem das zu hoch ist, aber dennoch den vollen Federweg von 210/220 mm vorn/hinten haben möchte, bestellt die „Adaptive Fahrzeughöhenregelung“, die das Bike unter 25 km/h automatisch um 30 mm absenkt und ab 50 km/h wieder anhebt (lässt sich im Enduromodus zugunsten des Federweges oben blockieren). Darüber hinaus kann man dann noch eine Fahrwerkstieferlegung um 20 mm ordern (zulasten der Federwege) und – wenn das noch nicht reicht – eine tiefere Sitzbank.

Multitool für alle Gelegenheiten

Beeindruckend ist, wir die große Adventure zu allen Gelegenheiten passt. Im Gelände pflügt sie unbeirrt ihren Weg, auf der Straße fegt sie ums Eck wie das ärgste Naked Bike. Grandios auch in diesem Zusammenhang auch die serienmäßigen Off-/Onroadreifen vom Typ Metzeler Karoo 4. Da ist Karoo Trumpf, kann man sagen. Am Ende einer Tagestour von Malaga über die Berge, auf Asphalt, im Gelände und einigem dazwischen, zeigte der Schräglagenmesser am Display 49 bzw. 47 Grad.

Je schneller man unterwegs ist, desto weniger fällt auch die Masse ins Gewicht und das Geschmeidige tritt in den Vordergrund. Manche monieren die geringe Rückmeldung der Front, aber das Fehlen eines Gabeleintauchens dank des überarbeiteten und um die Bezeichnung „Evo“ erweiterten Telelevers ist durchaus angenehm. Und bisher hat noch jede GS den Vertrauensvorschuss zurückgezahlt.

Auf langen Strecken besticht die GS Adventure mit hervorragendem Windschutz dank des mit seitlichen Flügeln versehenen Schildes (je nach Version unterschiedlich groß und elektrisch einstellbar). Außerdem kann man müde Haxen auf dem Motorschutzbügel ablegen und ausstrecken. Marktlücke für Zubehöranbieter: Da wären Polster angenehm, vor allem wenn man kurze Stiefel und eine dünne Hose anhat.

Die Preise

Der Basispreis für die BMW R 1300 GS Adventure liegt bei exakt 24.760 Euro. Andernorts kursieren andere Preise sind falsch und haben ihre Ursache darin, dass BMW offenbar besser im Bauen von Motorrädern als im Kommunizieren von Preisen ist. Serienmäßig ist unter anderem das semiaktive Fahrwerk DSA (Dynamic Suspension Adjustment) mit dynamischer Anpassung von Dämpfung und Federrate sowie Beladungsausgleich. Auch Heizgriffe, Tempomat mit Bremsfunktion, Reifendruckkontrolle oder Keyless Ride sind Serie.

Die Aufpreisliste ist voll mit Schmankerln, bis hin zum Adaptivtempomaten mit diversen Kollisionswarnern und erweiterbaren Koffern mit elektrischer Schnittstelle für Beleuchtung und USB-Ladebuchse. So kann man sich seine Adventure auch um knapp 40.000 Euro konfigurieren. Ein Vorteil an der GS ist ihr hervorragender Wiederverkaufswert, auch und gerade mit guter Ausstattung.

Kleine Auswahl: Das Dynamikpaket umfasst die Sportbremse, die Berganfahrhilfe, mehr Fahrmodi sowie die Möglichkeit, Gasannahme und Regelsysteme präziser abzustimmen. Mit Schaltassistent 930 Euro, mit ASA 1811 Euro. Das Innovationspaket um 1475 Euro bringt die Radaranlage und einen besseren Frontscheinwerfer. Zum Touring-Paket (1044 Euro) gehören der elektrisch verstellbare Windschild, die Halter für die Alukoffer, die Vorbereitung für das Navigationsgerät oder auch der Hauptständer.

Fahrzit

Unsere Tour durch Südspanien führte uns auch zu einer Kanone, die im Zweiten Weltkrieg von einem britischen Kriegsschiff an Land in die Nähe von Tarifa verpflanzt wurde – die Begegnung zweier schwerer Geschütze, sozusagen. Denn auch die BMW R 1300 GS Adventure kann man als ein solches bezeichnen. Nicht nur wegen ihres Gewichts, sondern auch weil sie wirklich alles kann – außer zierlich sein. Der Antrieb ist eine Macht, die Automatik ein geschmeidiges Highlight, der Reisekomfort ebenso beeindruckend wie die dynamischen und die Offroad-Fähigkeiten. BMW-Motorrad-Designer Alex Buckan prognostiziert, dass die Adventure trotz ihres massigen Auftritts einschlagen wird „wie eine Bombe“. Treffer, versenkt?

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