Am zweiten Tag ihres Besuchs in der Ukraine hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock eine Aufstockung der humanitären Hilfe aus Deutschland angekündigt. Die Mittel würden um 100 Millionen Euro angehoben, sagte sie in der frontnahen Stadt Mykolajiw.
Russlands Präsident Wladimir Putin wolle “dieses Land zermürben, und genau das lassen wir nicht zu – weder militärisch noch wirtschaftlich noch humanitär”, sagte Baerbock vor dem ehemaligen Sitz der Regionalverwaltung, der kurz nach Kriegsbeginn 2022 durch russische Raketen schwer beschädigt worden war.
“Der blanke Terror des russischen Präsidenten setzt auf Zermürbung”, sagte sie weiter. “Er setzt darauf, dass die Furchtbarkeit dieses Krieges irgendwann dazu führt, dass die Menschen hier vor Ort resignieren oder die internationale Gemeinschaft resigniert – und genau das werden wir nicht tun.”
Für die Ukraine sind Mykolajiw und seine Bevölkerung zum Symbol für den Widerstand gegen die russische Invasion geworden. Zu Beginn des russischen Angriffskriegs vor zwei Jahren war die strategisch wichtige Hafenstadt eines der ersten Ziele, das von Raketen getroffen wurde.
Trotz massiver Angriffe hat sich die Stadt erfolgreich gegen eine russische Eroberung verteidigt. Mykolajiw wurde zu einer Art Festung, die der russischen Armee ihren Weg von der Krim weiter nach Odessa und in das Zentrum der Ukraine versperrte. Über neun Monate wurde die Stadt fast täglich beschossen.
Bei einem russischen Raketenangriff auf den Sitz der Regionalverwaltung waren im März 2022 insgesamt 37 Menschen getötet worden. In einer weiteren Angriffswelle zerstörten die russischen Streitkräfte die Wasserversorgung der Stadt, wochenlang mussten die Einwohner ohne Leitungswasser auskommen. Inzwischen leistet eine mit deutscher Hilfe errichtete Meerwasser-Entsalzungsanlage einen bedeutsamen Beitrag zur Wasserversorgung.
Mehr als die Hälfte der ursprünglich 480.000 Einwohner hat die Stadt inzwischen verlassen. Gleichzeitig beherbergt Mykolajiw heute viele ukrainische Binnenvertriebene aus den benachbarten russisch besetzten Gebieten.
Baerbock war am Samstag zu einem vorab nicht angekündigten Besuch in der südukrainischen Hafenstadt Odessa eingetroffen. Bei ihren gemeinsamen Auftritten mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba demonstrierten beide einen engen deutsch-ukrainischen Schulterschluss – von ukrainischer Seite kamen allerdings auch kritische Töne.
Kuleba sagte, eine entschlossenere Haltung des Westens gegenüber Russland hätte den Krieg in seinem Land verhindern oder verkürzen können. Kuleba forderte auch eine rasche Lieferung von Waffen – insbesondere Munition, Luftabwehr und weitreichende Raketen, um den ukrainischen Truppen in ihrem Abwehrkampf gegen den übermächtigen Aggressor Russland zu helfen.
Baerbock sagte weitere Waffenlieferungen zu – machte aber keine konkreten Versprechungen etwa in Hinsicht auf den deutschen Marschflugkörper Taurus, den sich die Ukraine dringend wünscht.
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