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75 Jahre Citroën 2CV: Geliebt, gehasst, vergöttert

Wir blicken zurück auf die lange Karriere der "Ente"

75 jahre citroën 2cv: geliebt, gehasst, vergöttert

Es ist eines der berühmtesten Modelle der Automobilgeschichte: der Citroën 2CV. Oder auch eine “Sie”, denn in Deutschland ist der 2CV als “Ente” fast jedem Kind ein Begriff. Und das, obwohl der Wagen vor 75 Jahren debütierte und seine Produktion 1990 endete.

Dabei kann in ihrem Heimatland mit “Ente” kaum einer etwas anfangen. Das Wassertier setzte sich vor allem in Deutschland und den Niederlanden durch, in Frankreich sagt man in Anlehnung an den Modellnamen (2CV gleich 2 Steuer-PS) lieber “Deux Chevaux” (“Döschewo”). In Italien gibt es keinen besonderen Spitznamen, nur 2CV. Allerdings dominierten dort sowieso Fiat 500 und 600.

Bildergalerie: 75 Jahre Citroën 2CV

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TPV: Sparta auf Rädern

Die Geschichte des 2CV reicht zurück in die Mitte der 1930er-Jahre: Citroën war gerade von Michelin übernommen worden, die neuen Bosse forderten ähnlich wie drüben in Deutschland eine Art “Volkswagen”. Nur noch eine Nummer spartanischer. Ein minimalistischer Kleinwagen sollte es sein. Die Anforderungen, die Konstrukteur André Lefèbvre erhalten haben soll, waren sehr konkret. 

“Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter auf 100 km verbraucht. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, sodass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht.”

Citroën TPV (1939)

Das Projekt “TPV” (“Toute Petite Voiture” oder “Sehr Kleines Auto”) wurde 1936 mit dem Ziel ins Leben gerufen, ein sparsames und vielseitiges Auto für jedermann zu schaffen. 1937 entstand der erste straßentaugliche Prototyp des TPV-Projekts, der nur 370 kg wog und nur einen Scheinwerfer besaß, da die damalige Gesetzgebung keine zwei Scheinwerfer vorschrieb. Das Fahrzeug konnte bis zu vier Personen und 50 kg Gepäck bei einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h befördern und bot dabei einen außergewöhnlichen Fahrkomfort.

Der Krieg ändert alles

250 Vorserienmodelle sollten 1939 auf dem Pariser Autosalon präsentiert werden. Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhinderte dies. Die gebauten Modelle wurden vernichtet – bis auf vier Exemplare, die im Testzentrum von Citroën in La Ferté-Vidame erhalten blieben und Jahrzehnte später entdeckt wurden.

Im Nachhinein vielleicht gut so, wenn man sich solch ein Fahrzeug betrachtet. Die Ur-Ente war sehr spartanisch, aber zugleich nicht unbedingt günstig in der Fertigung, da man aus Gewichtsgründen viel Aluminium vorsah. Zumindest in Sachen 2CV kam der Krieg Citroën nicht ungelegen, denn der extrem spartanische TPV wäre wohl ein Flop geworden. Doch nun konnte man das Konzept noch einmal grundlegend modifizieren.

Citroën 2CV (1949)

Frühe 2CV hatten ein großes Rolldach statt einer Kofferraumklappe

Premiere vor 75 Jahren

Enthüllt wurde der Citroën 2CV, ein im Vergleich zum TPV komplett überarbeitetes Modell, dann erst neun Jahre später, am 7. Oktober 1948, auf dem Pariser Automobilsalon. Der Legende nach war der damalige französische Staatspräsident von dem Anblick nicht sonderlich begeistert. Auch die Presse griff schnell den Begriff vom “häßlichen Entlein” auf, besonders in Deutschland wurde der 2CV lange geschmäht und nicht verstanden. Man war eben auf den VW Käfer geeicht …

Das französische Volk war hingegen begeistert und musste anfangs bis zu sechs Jahre auf einen 2CV warten. Der Grund war Rohstoffmangel. Der Beliebtheit tat es keinen Abbruch: Günstig in der Anschaffung und im Unterhalt, dazu vier Türen und relativ viel Platz. Das überzeugte vor allem die ländliche Kundschaft, für die der 2CV oft das erste Auto war. 

Pariser Autosalon 1948: Der französische Staatspräsident Auriol (mit Brille) am 2CV

9 PS für 560 Kilogramm

Der neu entwickelte, luftgekühlte Zweizylinder-Boxermotor mit einem Hubraum von anfangs 375 Kubikzentimeter leistete 6,6 kW (9 PS) und war erstmals serienmäßig mit einem Viergang-Getriebe ausgerüstet. Es folgten zahlreiche weitere Entwicklungsstufen. Dabei hatte der ab 1970 in den Citroën 2CV6 eingebaute 602-Kubik-Motor zunächst 21 kW (28 PS). Bei allen Fahrzeugen war es möglich, den Motor mit Hilfe einer Kurbel zu starten.

Die erste Ausführung des Citroën 2CV mit 9 PS erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von rund 70 km/h. Die letzten Typen mit 29 PS Leistung schafften Spitzengeschwindigkeiten von 113 km/h. Die “Ente” ist damit eines der wenigen Fahrzeuge, deren Leistung der Basismotorisierung sich im Laufe der Entwicklungsstufen deutlich mehr als verdreifachte.

Cockpit eines frühen 2CV

2CV-Fahrgestell (1960)

Der viertürige 2CV war nicht selbsttragend konstruiert; er bestand aus einem Fahrgestell (einem Kastenrahmen) und einer daraufgeschraubten Karosserie. Statt eines festen Stahldachs gab es ein Rollverdeck aus Vinyl, um das Fahrzeug leichter zu machen und das Wohlbefinden an Bord zu steigern. Eine erhebliche Seitenneigung in Kurven gehörte ebenfalls zum 2CV.

Aufgrund der leichten Karosserie, des tiefliegenden Boxermotors sowie des tiefliegenden Tanks ergab sich allerdings ein niedriger Schwerpunkt. Anfangs waren alle Fahrzeuge rundum mit Trommelbremsen ausgerüstet. Ab 1981 wurden vorne Scheibenbremsen eingebaut. 

Lieferwagen und Sondermodelle

Der im Frühjahr 1951 eingeführte Lieferwagen auf Basis des 2CV unterschied sich von der Limousine ab der B-Säule durch einen kastenartigen geräumigen Laderaum. Die Beladung der “Kastenente” erfolgte über zwei Flügeltüren am Heck. Zum Einsatz kam das Auto beispielsweise beim französischen Straßenrettungsdienst oder als Postfahrzeug in Belgien. Später entwickelte sich daraus der Acadiane auf Basis der “Edel-Ente” Dyane. 

Citroën 2CV Fourgonnette

2CV aus dem 007-Film “For your eyes only”

Spätestens ab den 1970er-Jahren war der Citroën 2CV trotz optischer Aufwertungen und mehr Leistung technisch und optisch völlig veraltet, neue Baureihen wie LN oder Visa standen zur Ablösung bereit. Doch der 2CV blieb im Programm, nun wurde er von Fans als Ausdruck einer Lebenseinstellung gekauft. Zudem war er auf vielen Märkten einer der günstigsten Neuwagen.

Citroën 2CV Cocorico

Citroën 2CV Charleston

Ähnlich ging es etwa zeitgleich auch dem VW Käfer. Und hier wie dort sollten Sondermodelle den Verkauf beleben. Im Fall des 2CV waren dies unter anderem Spot, Cocorico oder Dolly. Am bekanntesten wurde der 2CV Charleston, der meist in schwarz-brauner Lackierung vom Band rollte.

Apropos Band: Insgesamt wurden 5.114.969 Exemplare des 2CV produziert, davon 1.246.335 2CV-Kastenwagen. 1988 endete die Produktion im Stammwerk in Levallois nahe Paris. Der allerletzte 2CV verließ das Werk im portugiesischen Mangualde 42 Jahre nach seiner Markteinführung am 27. Juli 1990 um 16 Uhr.

Darüber hinaus war die Ente auf den Straßen der ganzen Welt unterwegs: 1970 bei der 16.500 km langen Rallye Paris-Kabul-Paris, 1971 bei der 13.500 km langen Rallye Paris-Persepolis und 1973 bei der 8.000 km langen Afrikarallye von Abidjan nach Tunis, die alle drei von Citroën organisiert wurden.

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