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Zwei Dresdner Uhrmacher wagen sich ins Luxussegment

Die Uhr als Statussymbol: Manche/r trägt heute das Auto oder die Yacht am Handgelenk. Jetzt wollen Josef Bresan und Lukas Pöhlmann aus Dresden den Luxusmarkt erobern.

zwei dresdner uhrmacher wagen sich ins luxussegment

Glänzende Aussicht: Weil bei der Prestige JU26-01 der Rotor eines Automatikaufzugs fehlt, sieht man das komplette Uhrwerk mit gut 80 Teilen. © kairospress

Die Neugier ist geweckt: bei der Kundschaft und der Konkurrenz. Nachdem die Uhrmacher Josef Bresan und Lukas Pöhlmann Ende Januar ihre erste Eigenschöpfung präsentiert hatten, gab es viele Bestellungen für die limitierte „Prestige“-Serie, Anfragen und Einladungen. Und Schulterklopfen. Dabei kommt ihre kleine Manufaktur für hochwertige mechanische Armbanduhren im Dresdner Osten eher unscheinbar daher: in einem Künstlerkomplex aus den 1920er-Jahren mit einem halben Dutzend Ateliers: von Blattvergoldung über Malerei bis zur Keramikwerkstatt. „Uns war wichtig, dort unterzukommen, wo wir uns als Handwerker verstanden fühlen“, sagt Josef, der sofort beim Du ist.

Ihre Firma – zunächst unter dem Namen Junge Uhrmacher, jüngst aber in Pöhlmann-Bresan GbR umbenannt, ist seit Ende 2021 auf dem Areal der Freien Akademie Kunst+Bau zu Hause. An den Maschinen unten fliegen Späne, und auf der hölzernen Empore stehen zwei Uhrmachertische, eine Mini-Bibliothek und ein Trockenschrank für Zigarren, der zur korrosionsfreien Teilelagerung zweckentfremdet wurde. „Mehr braucht es nicht“, sagt Josef und lacht.

Feedback aus aller Welt

„Wir arbeiten in einem mikroskopisch kleinen Bereich“, erklärt sein Kompagnon Lukas. Deshalb hätten sie Uhrmacher-Lupen auf Handys geklebt, ihre Arbeit gefilmt und sie via Instagram öffentlich gemacht. Das Resultat: „Ein tolles Feedback aus der ganzen Welt“ – auch von Lehrlingen, die zu bestimmten Techniken inspiriert worden seien. So stünden sie im Austausch mit einem Schüler der Uhrmacherschule Paris.

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Lukas Pöhlmann und Josef Bresan (v. l.) sind stolz auf ihre erste eigene Uhr. © kairospress

Die Kumpels, beide Jahrgang 1990 und ledig, kennen sich seit 2013. Josef war nach Ausbildung und Job bei Juwelier Wempe in Glashütte bei der nunmehr im benachbarten Ullersdorf ansässigen Dresdner Manufaktur Lang & Heyne gelandet, wo auch Lukas nach dort absolvierter Lehre angestellt war. Obwohl Josef noch ein Studium und ein Intermezzo bei einem Maschinenbauer in Arnsdorf anschloss, haben sich die beiden nie aus den Augen verloren. „Ich habe außerdem gemerkt, dass die Leidenschaft für Uhren noch da ist“, gesteht er.

Neugier trifft Leidenschaft

Neben der Leidenschaft trieb sie die Neugier. „Man will immer mehr Wissen ansammeln, und das kennt keine Grenzen“, sagt Josef. Die Uhrmacherei lebe von breiter Vielfalt, die er und sein Kollege kennenlernen wollten. „Wir haben 2019 angefangen, uns privat zu treffen, an defekten Vintage-Uhren zu schrauben und gemerkt: Wow, da gibt es noch so viel Neues, was man selbst mal in eine Uhr einbauen könnte“, beschreibt Lukas jenes Hochgefühl.

Den Restaurationsarbeiten folgten erste Ideen und Entwürfe für ein eigenes Uhrwerk. Und irgendwann musste eine Entscheidung her. So kam es zur Firmengründung und zum Umzug in den Dresdner Osten. Dort entstand das Handaufzugskaliber JU26-01, akribisch dokumentiert – und der Welt am 31. Januar mit nachtgrauem und -blauem Ziffernblatt präsentiert. Jede Farbvariante ist auf 24 Stück limitiert. Ein Edelstahlgehäuse mit Saphirglas und polierter Lünette, dem äußeren Zierring, Handaufzug, 39 Stunden Gangreserve, Zentralsekunde, also der Sekundenzeiger mittig im Ziffernblatt, verleihen dem Schmuckstück eine besondere Note.

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Handwerkskunst Made in Dresden: Die Uhr gibt es in zwei Farben – und die ersten Order unter anderem aus China. © Bildstelle

So viel Handwerkskunst hat ihren Preis: 16.750 Euro plus Mehrwertsteuer. Die bei Bestellung fälligen 30 Prozent Anzahlung sichern die Einkommen der beiden Uhrmacher. „Durch die Verwendung unserer Familiennamen als Marke auch auf dem Zifferblatt schaffen wir eine bessere Verbindung zwischen uns als Schöpfer und unseren handgefertigten Uhren“, sagt Josef. Das Vorgehen habe ferner eine alte Tradition in der Luxusuhrenbranche. Die bekanntesten Beispiele: Patek-Philippe, Vacheron Constantin und Audemars Piguet. Auch der Entstehungsort Dresden soll mit aufs Zifferblatt. Seiner weitreichenden Uhrmachergeschichte wollten die zwei Jungunternehmer ihren Teil hinzufügen.

Derzeit werden erste Order unter anderem aus China abgearbeitet – parallel drei bis fünf Uhren, was die Maschinenarbeit effektiver macht. „Für eine Uhr brauchen wir einen Monat“, sagt Josef. Hinzu käme ein Stresstests per Uhrenbeweger, der zwei Wochen lang alle Lebenslagen simuliert. So ergeben sich halbjährliche Lieferzyklen. Diese Wartezeit sei bei kleinen Firmen normal, von den Kunden anerkannt und Beleg für aufwendige Handarbeit.

Zeitanzeige ist Nebensache

Das Besondere ihrer Uhr ist der von der Rückseite gewährte volle Einblick ins Räderwerk und auf rund 80 Einzelteile – bis hin zur 0,08 Millimeter starken Feder zum Fixieren der Unruh für den Sekundenstopp. Der Rotor einer Automatikuhr hätte die faszinierende Optik eingeschränkt, also fehlt er. Lukas nennt noch einen Grund für den Handaufzug: „Wir wollen, dass man sich mit der Uhr in einer Art Ritual beschäftigt: Mit eigener Energie die Uhr antreiben.“ Überhaupt solle die auf den ersten Blick klassische Dresswatch oft getragen, aber nie langweilig werden, ergänzt Josef. Das Basiswerk eröffnet viele Möglichkeiten der Aufwertung: etwa eine Datumsanzeige oder ein Goldgehäuse. „Prestige“ – die erste Kollektion ist Programm.

Edle Uhren sind schon lange ein Statussymbol. Wer es sich leisten kann, trägt heute das Auto, die Küche oder die Yacht am Handgelenk. Die ursprüngliche Funktion der Uhr ist in Zeiten der Digitalisierung Nebensache.

„Schon um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren Zeitmesser aus Sachsen und insbesondere aus Glashütte Luxusobjekte – goldene Gehäuse, handwerklich veredelte Uhrenwerke, feine Emaille-Zifferblätter“, sagt Frank Müller. Diese Faszination habe sich nicht gewandelt, so der Experte. Der Mann weiß, wovon er spricht, ist seine Beratungsgesellschaft The Bridge to Luxury doch die erste im deutschsprachigen Raum, die sich ausschließlich dem Luxus und seiner professionellen Verankerung in Unternehmen widmet. Zuvor hatte der promovierte Betriebswirt Firmen wie Lange & Söhne und Glashütte Original geführt, war er Mitglied der erweiterten Konzernleitung der Swatch Group.

Branche wächst trotz Krise

„Menschen haben schon immer das Schöne, Außergewöhnliche und Exklusive gesucht“, sagt der 58-Jährige. Zwar habe der Ukraine-Krieg in Russland dazu geführt, dass dort keine Uhren mehr eingeführt werden dürfen und der Handel 2022 zum Erliegen gekommen sei. Was nicht bedeute, dass Russen nicht in Ankara oder Dubai weiter Zeitmesser erstehen, so Müller. Chinas Nachfrageeinbruch um 13 Prozent sei auf die Lockdowns zurückzuführen. „Insgesamt wuchs die Branche aber global und insbesondere bei Uhren ab 6.000 Euro Verkaufspreis – im vorigen Jahr um elf, in Deutschland gar um gut 20 Prozent“, so der Fachmann. Die Inflation berühre zwar Uhrenfreunde aus der Mittelklasse, „bei sehr vermögenden Sammlern ist es eher ein psychologisches Moment, das bremsen könnte“, sagt Müller. In Krisenzeiten mache Konsum, auch wenn man ihn sich leisten könne, einfach weniger Spaß.

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Pöhlmann und Bresan (v.l.) sind auf dem Areal der Freien Akademie Kunst + Bau in Dresden zu Hause. Sie arbeiten in einem mikroskopisch kleinen Bereich – bei ihrem Produkt und auf dem Markt. © kairospress

Und was sagt der Experte zu den Dresdner Gründern und ihren Chancen unter den rund 25 Herstellern in Sachsen? „Es ist sehr zu begrüßen, wenn Vielfalt, Innovation, Bewegung das Angebot prägen“, so Müller. Das sei bei „Pöhlmann-Bresan“ der Fall. Er nennt ihre Uhr „ein seriöses, schönes Angebot Made in Saxony“. „Newcomer haben natürlich eine Chance“, macht er dem Duo Mut. Aber für den Erfolg müsse einiges zusammenkommen: „eine spannende und langfristig ausgelegte Kollektion mit vernünftigem Preis-Leistungs-Verhältnis, eine attraktive Marke, ein professionelles Marketing und ausreichende Mittel, um nicht in der ersten Krise die Insolvenz zu riskieren“.

Erste Stücke unverkäuflich

„Wir bedienen ein Segment etwas abseits der Etablierten“, betont Josef. „Bei uns steckt noch viel Handarbeit drin“, sagt er und deutet auf die wenigen Maschinen hinter sich. Auch gebe es bei Luxusuhren „so viele Bereiche, dass jeder seinen Platz findet“, so Lukas. Sammler interessierten sich für ganz bestimmte Dinge und kauften dann gezielt in diesem Segment. So gebe es Leute, denen es wichtig sei, dass ihre Uhr nur von zwei Menschen gebaut wurde.

„Man kann Vertrauen schaffen mit einer 100 Jahre alten Marke“, erklärt Josef. Andererseits seien Kleinstmarken reizvoll – und die Aussicht, die Personen, welche die Uhr erdacht, konstruiert und hergestellt haben, kennenzulernen. Emotionen seien wichtig – und eine gute Geschichte. Auch die Marktführer hätten mal klein angefangen. Uhrmacher seien wie andere Handwerker auf Wanderschaft gewesen, hätten andere Länder besucht, sich ausgetauscht.

„Auch für uns startet eine Wissensreise. Wir denken nicht zuerst an das Risiko, sondern eher an die Chancen“, sind sich die beiden Gründer einig. Ihre ersten beiden Uhren seien unverkäuflich, betonen sie, „denn was sie für uns bedeuten, lässt sich nicht mit Geld bemessen.“

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