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Das E-Auto zu Hause aufladen? Für viele Mieter und Stockwerkeigentümer immer noch ein Wunschtraum

das e-auto zu hause aufladen? für viele mieter und stockwerkeigentümer immer noch ein wunschtraum

Topmoderne E-Autos stehen für den Aufbruch in die Verkehrszukunft, doch ohne ausreichende Ladeinfrastruktur bleibt der Fortschritt auf der Strecke. Christian Beutler / Keystone

Die meisten Privatpersonen, die auf E-Mobilität setzen, wollen ihre neuen Fahrzeuge bequem in der heimischen Garage laden. Doch die Realität sieht oft anders aus. Nehmen wir das Beispiel des Ehepaars Sommer aus Aarau (Namen geändert). Voller Enthusiasmus kauften sie einen Tesla Model 3 und planten, in der Garage ihres Mietshauses eine Wallbox zu installieren.

Ihre Vorstellung war denkbar einfach: ein Kabel zum Sicherungskasten ziehen und einen Zähler anbringen. Doch schnell wurden sie eines Besseren belehrt. Ohne die ausdrückliche Zustimmung des Vermieters sind Veränderungen an der Elektroinstallation nicht erlaubt. Zudem sind die Leitungen in älteren Häusern häufig nicht für die hohen Ladeleistungen ausgelegt, die ein Tesla benötigt.

Aufgrund der erwarteten hohen Kosten lehnte die Verwaltung das Gesuch ab. Viele Vermieter sind auch deshalb zurückhaltend, weil die Nachfrage nach E-Fahrzeugen geringer ist als erwartet.

Ähnlich erging es Frank Häsler, einem Fahrlehrer aus Regensdorf. Er wollte seine Fahrschule um Angebote für Elektrofahrzeuge erweitern. Doch trotz seinem Engagement scheiterte er an rechtlichen Hürden. Die Verwaltung sah keinen Anlass, irgendetwas zu unternehmen. «Mangels Interesse der anderen Mieter und wegen der hohen erwarteten Kosten», heisst es in der Antwort der Verwaltung. Das zwingt den Fahrlehrer bis auf weiteres, sein E-Fahrzeug woanders zu laden.

Die Rechtslage

Private Eigentümer von Einfamilienhäusern haben es wesentlich einfacher, da sie ohne Zustimmung einer Verwaltung Wallboxen installieren können. Doch was tun, wenn der Vermieter nicht mitspielt? In der Schweiz gibt es keinen gesetzlich verankerten Anspruch für Mieter oder Stockwerkeigentümer. Ganz anders etwa in Norwegen: Dort ist das Recht auf eine Ladestation festgeschrieben.

Bei Wohnungen im Stockwerkeigentum ist die Rechtslage komplex. Eigentümer sollten mit der Verwaltung sprechen und einen Antrag an die Versammlung stellen. Experten sind sich einig, dass solche Nachrüstungen als nützliche bauliche Massnahmen gelten. Hierfür ist meist ein qualifizierter Mehrheitsentscheid nötig. Ein Blick ins Reglement hilft, das notwendige Stimmenmehr herauszufinden – meist die Mehrheit der Stimmen und der Wertquoten.

Die Meinungen innerhalb einer Hausgemeinschaft gehen oft weit auseinander: Einige Bewohner möchten nichts mit der Installation von Ladeinfrastruktur zu tun haben, während andere betonen, dass eine Investition in die Verkehrszukunft unerlässlich ist. Sie argumentieren, dass Immobilien ohne Lademöglichkeiten an Wert verlieren könnten.

Eine einfache Steckdose reicht nicht

Die Nachrüstung von Ladeinfrastruktur ist sowohl rechtlich als auch technisch anspruchsvoll. Die Nutzung einfacher Steckdosen stellt ein Sicherheitsrisiko dar und ist für eine Wallbox nicht ausreichend – es wird eine spezielle Starkstromdose mit 400 Volt benötigt.

Qualifizierte Elektriker sollten die technische Infrastruktur sorgfältig überprüfen, da bestehende Leitungen oft nicht für die Dauerbelastung durch das Laden eines Elektrofahrzeugs ausgelegt sind. Ein konzessionierter Elektriker kann nicht nur ein individuelles Angebot unterbreiten, sondern auch sicherstellen, dass alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Wichtig ist, die Ladeinfrastruktur beim Energieversorger anzumelden und ein Mess- und Prüfprotokoll zu erstellen.

Intelligentes Lademanagement

Ein weiteres Problem in Mehrfamilienhäusern ist die Skalierbarkeit der Ladeinfrastruktur. Zu Beginn mag eine einzelne Wallbox ausreichend sein, doch wenn mehr Bewohner E-Autos anschaffen, reichen die Kapazitäten für ein gleichzeitiges Laden mehrerer Elektroautos oft nicht mehr aus. Daher ist eine vorausschauende Planung mit intelligentem Lademanagement nötig.

Dies bietet Gewähr dafür, dass über Nacht eine grössere Zahl von Fahrzeugen aufgeladen werden kann. Auch dieser Umstand führt immer wieder zu Konflikten. Denn die einen sind überzeugte Verfechter einer Gesamtlösung mit intelligentem Lademanagement, während die anderen es oft bei einer günstigen Einzellösung für ein oder zwei Fahrzeuge bewenden lassen wollen.

Doch klare Richtlinien fehlen praktisch überall. Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) hat 2019 ein Merkblatt zur Elektromobilität herausgegeben, das Planer dazu auffordert, Grundinstallationen von Anfang an zu berücksichtigen. Doch die Empfehlung ist unverbindlich.

Dennoch haben schon vor einigen Jahren grössere Verwaltungen, die grossen institutionellen Investoren und Genossenschaften angefangen, in Neubauten die nötigen Vorkehrungen für E-Mobilität zu treffen. Teil dieser Aufgabe ist es zum Beispiel, gemeinsam mit den Energieversorgern die Leistungsfähigkeit der Stromversorgung zu klären.

Stimmen aus der Immobilienbranche

Was passiert, wenn die Nachfrage die bestehenden Kapazitäten übersteigt? Albert Leiser, Direktor des Hauseigentümerverbands Zürich (HEV), hat dazu eine klare Haltung: «Vor allem bei Neubauten und Gesamtsanierungen empfehlen wir, zumindest die nötigen Grundinstallationen und Verkabelungen vorzusehen.» Die Gebäude von Anfang an dafür auszulegen, sei in jedem Fall kosteneffizienter als spätere Nachrüstungen.

Unterschiedliche Ansätze, wie etwa die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur für einen kleineren Kreis von Mietern, die die Kosten selbst tragen, seien denkbar. Besonders in grossen Siedlungen sei es aber sinnvoll, alle Parkplätze so vorzubereiten, dass ein späterer Anschluss unkompliziert möglich sei. Unbestritten ist laut Leiser die wirtschaftliche Seite der Nachrüstungen: «Die Installation der Ladeinfrastruktur stellt eine wertvermehrende Investition dar und kann auf die Mieten umgelegt werden.»

Im Stockwerkeigentum und auch bei Mietverhältnissen gibt es sowohl technisch als auch organisatorisch verschiedenste Lösungsansätze. Praktisch alle Energieversorger bieten heute Ladestationen im Contracting an. Dies ist quasi ein «Sorglos-Paket», wobei der Contractor sämtliche Leistungen von der Finanzierung über Unterhalt bis zur individuellen Stromabrechnung übernimmt. Gerade bei Stockwerkeigentümern vereinfacht dies vieles, doch Contracting-Lösungen haben ihren Preis.

Nachfrage geringer als erwartet

Lars Egger, CEO der Espace Real Estate AG, gibt einen Einblick in die derzeitige Lage: «Rund 10 Prozent der Mieter fragen nach einer Ladestation für ein E-Auto.» Obwohl die Nachfrage derzeit geringer ist als erwartet, bleibt die Strategie des Unternehmens klar. «Alle Grundinstallationen müssen vorhanden sein, und der Ausbau erfolgt dann je nach Bedarf in mehreren Stufen», betont Lars Egger.

Die Espace Real Estate AG verwaltet rund 1400 Wohnungen in den Regionen Biel, Solothurn und Olten und plant, alle Liegenschaften flächendeckend mit der notwendigen Infrastruktur auszustatten. Für Neubauten und Gesamtsanierungen sei es heute Standard, die notwendige Leistung für Ladestationen verfügbar zu halten, so Egger.

Laut Matthias Schmid, Leiter E-Mobilität beim Immobiliendienstleister Wincasa, sind Zeitdauer und Kosten nicht zu unterschätzen. Der Einbau der Ladeinfrastruktur könne je nach Immobilie bis zu 50 000 Franken kosten und sei ein längerer Prozess. Schmid betont die Bedeutung der frühzeitigen Kommunikation: «Es ist anzuraten, früh auf die Verwaltung zuzugehen, auch schon bevor man ein Auto gekauft hat.» Dies ermögliche es der Verwaltung, die notwendigen Schritte rechtzeitig mit dem jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft zu besprechen. Denn letztlich liegt der Entscheid immer beim Eigentümer.

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