- Estlands Autonomer Bus braucht eigene 3D-Karte
- Massenproduktion ab 2025 geplant
- Deutschland will Vorreiter bei autonomen Bussen werden
Auvetechs Kleinbus Iseauto in Tallinn. Auvetech
In Estlands Hauptstadt Tallinn fahren autonome Kleinbusse bereits auf öffentlichen Straßen. Das Startup Auvetech will sie jetzt auch nach Deutschland bringen. FOCUS Online hat sich vor Ort umgesehen.
Auvetech möchte dem etwas entgegensetzen. Die erst 2019 gegründete Firma hat ein selbstfahrendes Auto entwickelt. MiCa heißt die neueste, im November vorgestellte Variante. Acht Passagiere haben hier Platz. Ein Elektromotor treibt das Gefährt sechs Stunden lang an, bevor es an die Steckdose muss.
Estlands Autonomer Bus braucht eigene 3D-Karte
Gedacht ist MiCa aber nicht als Taxi, sondern als Ergänzung zu Bus und Bahn. Der Minivan soll etwa abgelegene Vororte mit der nächsten Bushaltestelle verbinden. „Wir wollen die letzte Meile zum ÖPNV sein“, sagt Klaats. MiCa kann etwa dort eingesetzt werden, wo sich eine reguläre Buslinie oder der Ausbau der Bahn nicht lohnt – oder wo die Straßen zu eng sind. MiCa misst gerade einmal anderthalb Meter in der Breite, ist dafür aber hoch genug, dass Passagiere sich stehend darin bewegen können.
Mit maximal 20 Stundenkilometern geht es dann über die Straße. Aktuell muss aus rechtlichen Gründen noch eine Art Schaffner mitfahren, später wird das Gefährt nur noch von einem Kontrollzentrum über Kameras überwacht. Das spart Verkehrsbetrieben eine Menge Geld. Ein Fahrer im Kontrollzentrum kann nach Auvetechs Angaben bis zu zehn Fahrzeuge überwachen. Er kann sie von dort im Notfall auch von Hand steuern oder stoppen, wenn er Schäden am Fahrzeug erkennt. Letzteres soll in der nächsten Generation auch der Bordcomputer selbst erkennen.
Massenproduktion ab 2025 geplant
Die Technik hat einen Preis: Für ein Fahrzeug der aktuell zweiten Generation ruft Auvetech rund 200.000 Euro auf. Klaats weist zwar daraufhin, dass dieser Preis in den kommenden Jahren erstens noch halbiert werden soll und sowieso schon deutlich günstiger sei als bei vergleichbaren Anbietern, aber einen Teil davon werden auch Passagiere mitbezahlen müssen. Zwar ist die Ticketgestaltung Sache der Verkehrsbetriebe, die die autonomen Autos am Ende einsetzen, doch Auvetech rechnet mit Fahrpreisen, die pro Kilometer gerechnet irgendwo zwischen ÖPNV und eigenem Auto liegen werden.
Für Verkehrsbetriebe soll sich das aber lohnen. „Sie sparen eine Menge Geld, weil sie weniger Fahrer brauchen“, sagt Klaats. Schließlich reicht dann ein Mitarbeiter für zehn Autos. Und überhaupt „fehlen in den meisten Städten doch heute schon Busfahrer“, sagt die Estnin. Damit hat sie recht: Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmen gibt es derzeit 5000 offene Stellen. Hinzu kommen fehlende Fahrer für Straßen- und U-Bahnen.
Bis sich Auvetechs autonome Autos flächendeckend durchsetzen, wird es aber noch dauern. Die kleine estnische Firma hat bisher nur 13 Fahrzeuge produziert, die bisher in 12 Ländern eingesetzt werden. Erste Ansprechpartner im Ausland waren die skandinavischen Länder Norwegen, Schweden und Dänemark, bald wird der erste MiCa nach Belgien geliefert. Rund 20 Autos kann AuveTech selbst pro Jahr bauen. Für eine Massenproduktion ab 2025 sucht das Startup derzeit nach Produktionspartnern, am besten in den Ländern, in denen die Autos dann auch eingesetzt werden sollen.
Deutschland will Vorreiter bei autonomen Bussen werden
2023 möchte die nordeuropäische Firma auch in Deutschland expandieren. Derzeit sucht sie nach Partnern. Die ersten MiCas dürften aber wohl nicht in deutschen Großstädten fahren, sondern auf Privatgrund. Die Deutsche Telekom und die Deutsche Bahn haben Interesse bekundet, autonome Autos auf ihren Firmengeländen einzusetzen. Auch Flughäfen wären ein interessanter Einsatzort. Die Minibusse könnten sowohl Mitarbeiter als auch Waren auf großen Arealen verteilen. Vielleicht steigen Sie auch hier zuerst in ein solches Auto. Sie würden sich auch als Shuttle-Busse für Passagiere an großen Flughäfen eignen.
Außerhalb solcher privater Einsatzgebiete und Großstädten werden Sie die selbst fahrenden Busse aber nicht sehen. Zwar wären solche Lösungen auf dem Papier perfekt für die Anbindung ländlicher Gegenden, in denen sich eng getaktete Linien heute wirtschaftlich schlicht nicht lohnen, doch erstens sind die autonomen Minibusse für große Strecken mit 20 Stundenkilometern zu langsam und mit 200.000 Euro pro Stück auch zu teuer. „Das rechnet sich nicht“, sagt auch Klaats.
Konkurrenz hätte Auvetech in Deutschland bisher kaum. Zwar gibt es zahlreiche Pilotprojekte, etwa in Berlin auf öffentlichen Straßen und auf dem Klinikgelände der Charité mit autonomen Kleinbussen, durchgesetzt für den Regelbetrieb hat sich bisher aber kein Anbieter. Dabei will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) Gas geben. Erst im Mai wurde ein Gesetz gebilligt, dass den Einsatz von autonomen Kleinbussen unter bestimmten Umständen erlaubt. „Wir müssen Technologieführerschaft im Automotive-Sektor in Deutschland sichern“, sagt der Minister. Die ersten Fahrzeuge dafür könnten aber aus dem Ausland kommen.
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