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Warum Werner Siedl (45) für ein Solar-Fahrzeug zahlt, das vielleicht nie gebaut wird

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„Die Idee gefällt mir“: Werner Siedl hat das Solarauto Sion bestellt und zahlt 1500 Euro an, wenn der Hersteller bis Ende Februar die Finanzierung der Serienproduktion sichern kann.

Warum Werner Siedl (45) für ein Solar-Fahrzeug zahlt, das vielleicht nie gebaut wird

Ein Auto, angetrieben von der Sonne: Die Münchner Tüftler Laurin Hahn und Jona Christians gründeten 2016 das Start-up Sono Motors – mit dem ehrgeizigen Ziel, das Solarauto Sion zur Serienreife zu bringen.

Holzkirchen – Die ambitionierten Autobauer kamen weit, standen aber mehrfach vor der Pleite. Sono Motors rettete sich 2019 mit Crowdfunding-Aktionen. 2021 verhinderte ein Börsengang in USA die Insolvenz.

Mittlerweile haben Prototypen eine Straßenzulassung, die Fabrik in Finnland ist reserviert. Erneut aber droht dem Start-up die Puste auszugehen. Bis Ende Februar müssen noch einmal gut 100 Millionen Euro ins Unternehmen fließen, wenn der Sion gebaut werden soll. Investoren sollen helfen, aber auch Vorbesteller, die den Kaufpreis (29 900 Euro) oder Teile davon anzahlen.

Etwa 40 der 44 000 Sion-Reservierer wohnen im Landkreis Miesbach, einer davon ist der Holzkirchner Werner Siedl (54). Im Interview erklärt der Unternehmensberater (zwei erwachsene Töchter), warum er auf ein Auto setzt, dessen Zukunft an seidenem Faden hängt.

Herr Siedl, Sie haben ein Auto bestellt, das es als Serie noch gar nicht gibt und vielleicht nie geben wird. Wie viel Geld haben Sie vorgestreckt?

Werner Siedl: Ich gehöre zu den Reservierern der neuen Kampagne, erst im Herbst habe ich mich entschieden. Den Betrag konnte man wählen, mindestens 500 Euro mussten es sein. Ich habe 1500 Euro zugesagt. Das Geld ist aber noch nicht geflossen: Nur wenn Sono Motors die Finanzierung bis Ende Februar hinbekommt, wird es fällig.

Warum sind Sie so überzeugt von diesem Auto?

Siedl: Die Idee gefällt mir. Junge Unternehmer gründen ein Start-up, formulieren ihre Vision von einem Solarauto und legen los. So eine Mentalität bräuchten wir öfter im Land. Wir sollten mehr wagen, um Zukunft zu gestalten. Der Mut, der hinter diesem Auto steckt, das imponiert mir. Und technisch ist das Auto gut durchdacht, Hut ab.

Ihre Tochter arbeitet für den Sion-Hersteller Sono Motors. Wer hat wen für das Projekt gewonnen?

Siedl: Sie studiert Business-Management in Schottland. Für ihr Jahrespraktikum hat sie vor sechs Monaten den Job bei Sono Motors in München angetreten, praktischerweise nahe der Heimat. Sie gehört zu einer Generation, die genau schaut: Wie sinnvoll ist ein Projekt, wie engagiert ist das Team? Sie hat mit leuchtenden Augen erzählt von diesem Spirit. Das habe ich mir angeschaut und war beeindruckt, wie viel Herzblut da drin steckt.

Branchenexperten haben Zweifel, dass Sono Motors die neuerliche Finanzierungslücke schließen kann. Ob es zu einer Serienproduktion kommt, ist offen. Warum glauben Sie an den Sion?

Siedl: Ich hoffe, dass das klappt. So ein Leuchtturm würde dem Wirtschaftsstandort Deutschland sehr gut tun. Das Unternehmen hat ja schon einige Hürden genommen, ist an die Börse gegangen. Dafür eine Zulassung zu bekommen, setzt akribische Vorbereitung voraus. Die können das. Aber klar, ich bin Realist, das Ding kann auch scheitern.

Wenn die Idee eines Solarautos so gut ist: Warum haben sie dann die großen Autobauer nicht entdeckt?

Siedl: Es war nicht ihre Idee, daran liegt es vielleicht. Auch Tesla und Elon Musk wurden von deutschen Autobauern belächelt, bis er den Markt aufgemischt hat.

Wäre es nicht schlauer, Sono Motors würde sich auf das lukrativere Geschäft mit den Solar-Nachrüstung-Kits für Lkw und Busse konzentrieren anstatt ein so hohes Risiko für ein eigenes Auto einzugehen?

Siedl: Wirtschaftlich wäre das am sinnvollsten, sehe ich auch so. Aber wenn wir aufhören, auch mal einen Traum realisieren zu wollen, werden wir nichts mehr in Richtung Zukunft bewegen. Dann überlassen wir das anderen Ländern. Sollte der Sion nicht funktionieren, wäre das schade. Dann wird Sono Motors ein Auto-Zulieferer wie viele, aber die eigentliche Vision dieses Start-ups wäre dahin.

Sind Sie schon einmal Probe gefahren?

Siedl: Das hat noch nicht geklappt. Ich bin aber schon drin gesessen und muss sagen: Für eine Familie passt das gut, man bekommt alles unter. Das Konzept ist durchdacht.

Die Ausstattung des Sion wirkt sehr reduziert. Es gibt ihn nur in Schwarz. Passt das für Sie?

Siedl: Ich bin Pragmatiker. Für mich passt es, wenn alles funktionell strukturiert ist. Schwarz ist okay, auch Weiß war ja als Einheitsfarbe im Gespräch, wäre mir auch recht gewesen. Im Tesla zum Beispiel ist viel Spielzeug verbaut, das man nicht wirklich braucht. Familien sollen sich das Auto leisten und alltagstauglich unterwegs sein können, darum geht es.

Die auf dem Dach verbauten Solarpaneele sollen die Reichweite um durchschnittlich 112 Kilometer pro Woche vergrößern, an sonnigen Tagen verspricht der Hersteller 245 Kilometer. Wie würden Sie diesen Vorteil nutzen?

Siedl: Ich merke es beim Tesla: Laden braucht Zeit und geht mittlerweile ins Geld. Wenn das geparkte Auto automatisch Energie über die Solarzellen zieht, spare ich mir das. Beim Pendeln von Holzkirchen nach München könnten wir locker drei Tage ohne Laden auskommen. Wir fahren 10 000 bis 12 000 Jahreskilometer. Wenn ich viermal weniger an die Ladesäule muss als bei herkömmlichen E-Autos, wie es Sono Motors verspricht, sehe ich darin schon Vorteile.

Eine Besonderheit des Sion ist das „bidirektionale Laden“: Die Batterie kann auch Strom abgeben. Im Auto gibt es sogar eine Steckdose. Für Sie ein entscheidendes Feature?

Siedl: Das ist in die Zukunft gedacht. Man zapft Sonnenenergie und bekommt einen fahrbaren Energiespeicher, quasi Mobilität mit Nebeneffekt. Auch VW will heuer ja solche rückspeisefähigen E-Autos anbieten. Das wird ein Thema, das uns noch sehr stark beschäftigen wird.

Der Sion ist ein völlig neues Auto. Fürchten Sie nicht Kinderkrankheiten? Und welche Werkstätten gibt es überhaupt?

Siedl: Mir wurde gesagt, Bosch wird Werkstatt-Partner und da haben wir ja Anbieter in Holzkirchen. An Kinderkrankheiten glaube ich nicht, die Entwicklung läuft seit Jahren. Da sind Ingenieure mit deutschen Qualitätsansprüchen am Werk. Und wenn ich doch mal in die Werkstatt muss, wäre das nicht schlimm.

Wann rechnen Sie mit der Auslieferung?

Siedl: Wenn die Finanzierung klappt, will Sono 2024 mehrere Tausend Sions bauen. Ich habe erst kürzlich bestellt, da sind andere früher dran, die schon seit Jahren warten. Angeblich wäre möglich, bis zu 43 000 Stück jedes Jahr zu bauen. Also realistisch heißt das: 2025 könnte der Sion bei mir zuhause stehen.

Würden Sie Ihren Sion über Car-Sharing mit anderen teilen?

Siedl: Da wäre ich sehr offen. Einerseits gehört das Auto hierzulande ja zur Familie, bekommt einen Namen. Will man das wirklich teilen? Andererseits stehen Privatautos 23 Stunden am Tag. Und wir wollen ja künftig mit weniger Autos auskommen. Also auch hier: Umdenken ist angesagt, Car-Sharing ist ein Konzept mit Zukunft.

Sollte der Sion tatsächlich da sein: Wohin geht die erste Ausfahrt?

Siedl: An den Kirchsee, das wäre eine schöne Tour.

Andreas Höger

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