Immer wieder hört man, dass ukrainische Fahrzeuge Ziel von Vandalismus werden. Von zerkratzten Fahrzeugen ist dann die Rede. Stimmt das?
Meißen. Wir haben uns mit Iryna und Ina verabredet. Beide sind seit März 2022 in Meißen. Beide sind mit ihrem Fahrzeug hier. Sie selbst wären nie auf die Idee gekommen, mit der Zeitung über ihre Autos, genauer noch die Schäden daran, zu sprechen. Die Initiative ging von uns aus.
Iryna hat ihren Mann mitgebracht. Artem holt gleich sein Smartphone raus und blättert im Fotoordner zurück – bis Oktober 2022. Die Bilder zeigen das Auto der Familie, einen Audi A6. Es ist ein älteres Fabrikat. Was sofort ins Auge fällt, ist ein langer Kratzer – vom hinteren Kotflügel bis zur Beifahrertür. Verursacht wahrscheinlich durch einen spitzen Gegenstand. In den Schmutz auf der Motorhaube ist außerdem “Du Sau” geschrieben. Eigentlich ein Scherz bei Fahrzeugen, die mal wieder eine Wäsche vertragen könnten. In diesem Zusammenhang war jedoch niemandem zu lachen zumute.
Schaden von 1.000 Euro an einem Auto
Neben dem Kratzer gab es noch diese Mitteilung auf der Motorhaube. © privat
Tankdeckel fürs Autogas geklaut
Neben Irynas Auto stand an dem Tag noch ein weiteres mit ukrainischem Kfz-Kennzeichen – das von Ina, ein Mittelklassewagen der Marke Toyota. Auch hier zieht sich eine dünne, handgekratzte Linie über die Fahrerseite. Zudem wurde der Tankdeckel fürs Autogas geklaut. Ersatz dafür zu bekommen, so sagt Ina, sei schwierig bis unmöglich. “Es ist eine Spezialanfertigung”, so die Ukrainerin weiter. Auch sie hat den Schaden der Polizei gemeldet. Ihr Protokoll hat sie nicht dabei. Erwischt habe es außerdem noch ein drittes ukrainisches Fahrzeug auf dem besagten Parkplatz an der Hochuferstraße. Zu dessen Besitzer habe man aber keinen Kontakt, sagt Ina.
Das Fahrzeug von Ina hat es auch erwischt. Hier fehlte außerdem der Tankdeckel fürs Autogas. © privat
Normalerweise säße noch ein weiterer Geschädigter in der Runde. “Ihm wurde auf einem Parkplatz unweit der Manufaktur die Scheibe eingeschlagen”, sagt Anastasia. Er habe sich aber nicht getraut, den Vorfall öffentlich zu machen. “Das ist häufig so. Die Betroffenen haben Angst vor möglichen Konsequenzen. Sie wissen auch nicht, inwieweit sie juristisch in etwas reingezogen werden”, erzählt die Familienmutter weiter. Sie ist wie viele andere in einer Telegram-Gruppe aktiv. Dort, so sagt sie, seien in den letzten Monaten mindestens 15 Sachbeschädigungen nach diesem bzw. einem ähnlichen Muster bekannt geworden.
Anfrage bei Polizei läuft noch
Iryna schiebt allerdings keinen Frust. Einerseits liegt der Vorfall schon einige Monate zurück. Andererseits würde das wahrscheinlich auch nicht helfen. “Wir fühlen uns trotzdem hier wohl. Es gibt sehr viele Menschen in Meißen, die uns unterstützen. Sie haben ein großes Herz”, sagt sie. Alle in der Runde drücken gegenwärtig die Schulbank, pauken Deutsch. Ina war in ihrer Heimat Medienkauffrau. Hat Werbung fürs Fernsehen und Print verkauft. Auch viele PR-Kampagnen gingen auf ihr Konto. Sie würde nach der Deutschschule hier gern in diesem Job wieder arbeiten.
Ob es sich um Einzelfälle handelt, oder ein größeres Problem darstellt, ist bislang unklar. Eine Anfrage bei der Polizeidirektion zu Vandalismusschäden an ukrainischen Fahrzeugen, die aktenkundig geworden sind, läuft noch. Zuletzt wurden in Meißen handgeschriebene Klebezettel mit der Aufschrift “Ukrainer raus!” an Papierkörben entdeckt.