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Reichweitenangst mit dem E-Auto? Auch Verbrenner-Fahrer kennen sie

reichweitenangst mit dem e-auto? auch verbrenner-fahrer kennen sie Die sogenannte Reichweitenangst wird oft als Hindernis für den Erfolg der Elektromobilität angesehen, doch sie hat auch den Aufstieg des Verbrennungsmotors nicht aufgehalten: Obwohl der Begriff “Reichweitenangst” relativ neu ist, litten Autofahrer bereits vor Jahrzehnten unter diesem Gefühl.

Reichweitenangst, oder “range anxiety”, ist ein vergleichsweise neuer Begriff, der das Gefühl von Elektroautofahrern beschreibt, dass die Reichweite ihres Fahrzeugs oder die Anzahl verfügbarer Ladestationen nicht ausreicht, um ihr Ziel zu erreichen. Die Ursprünge des Begriffs lassen sich auf das Jahr 1997 zurückverfolgen, als der Journalist Richard Acello ihn prägte, um die Sorgen der Fahrer des elektrischen GM EV1 zu erläutern. Mit seiner begrenzten Reichweite von 100 bis 150 Kilometern und einem fehlenden öffentlichen Ladenetz waren beim EV1 tatsächlich keine Wunder zu erwarten.

Obwohl der Ausdruck Reichweitenangst relativ neu ist, ist das dahinterstehende Gefühl den Autofahrern bereits seit Jahrzehnten vertraut. Die heutigen Reichweiten von Verbrennerfahrzeugen sind das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses.

Tanken war früher eine Herausforderung

Betrachtet man die Verbrauchswerte des beliebten Volkswagen Käfers aus den 1960er- und 1970er-Jahren, wird deutlich, dass der durchschnittliche Verbrauch lange Zeit bei über 10 Litern pro 100 Kilometer lag. Auch der VW Passat und die ersten Generationen des 3er BMWs waren alles andere als sparsam. Zudem waren die Tanks vergleichsweise klein: Im Käfer fassten sie etwa 40 bis 43 Liter, was zu einer typischen Reichweite von unter 400 Kilometern führte – weniger als bei vielen modernen Elektroautos.

Zusätzlich war die Anzahl der Tankstellen nicht immer ausreichend. Selbstbedienungstankstellen begannen in Deutschland erst Anfang der 1970er-Jahre, und die Ölkrise sowie steigende Spritpreise führten dazu, dass viele Tankstellen schließen mussten. Laut der Website Geschichtsspuren verschwanden zwischen 1970 und 1980 rund 20.000 von insgesamt etwa 41.000 Tankstellen, was das Tankstellennetz in der damaligen Bundesrepublik nahezu halbierte. Gleichzeitig stieg die Anzahl der Pkw pro 1.000 Einwohner dramatisch an, wie Statista zeigt. Zudem waren Tankstellen abends und sonntags oft geschlossen.

Trotz dieser widrigen Umstände blieb der Aufstieg des Pkw unaufhaltsam. Die heutigen Verbrauchswerte und Reichweiten von Benzin- und Dieselfahrzeugen sind das Ergebnis langjähriger Entwicklungen, und auch das Tankstellennetz entstand nicht über Nacht. Ähnlich haben sich die Antriebsakkus von Elektroautos in den letzten Jahren weiterentwickelt, wenn auch auf einem höheren technischen Niveau. Heute sind Ladezeiten von etwa 20 Minuten an Schnellladesäulen, um den Akku von 10 auf 80 Prozent aufzuladen, längst keine Seltenheit mehr. Laut ADAC lag die durchschnittliche Reichweite der getesteten Elektroautos im letzten Jahr bei 393 Kilometern, was einen Anstieg von sieben Kilometern im Vergleich zum Vorjahr und von 60 Kilometern seit 2021 bedeutet. Vor zehn Jahren waren es sogar mehr als doppelt so wenig. Im Oktober 2019 gab es in Deutschland knapp 27.000 öffentliche AC- und DC-Ladepunkte; heute sind es bereits über 128.000. Zusätzlich stehen mehr als 1 Million private und betriebliche Lademöglichkeiten zur Verfügung, an denen der Großteil des Ladestroms bezogen wird.

Erfahrungen sammeln: Elektrisches Fahren nimmt den Druck der Reichweitenangst

Zugegeben: Lange Autofahrten, ob privat oder geschäftlich, waren in den 1960er- und 1970er-Jahren nicht so verbreitet wie heute. Bereits die Familienreise nach Norditalien galt als Abenteuer, bei dem ein Reservekanister im Kofferraum einen Teil der Sorge nehmen konnte. Bei E-Autos gestaltet sich das jedoch anders.

Dennoch ist die moderne Reichweitenangst laut dem Ingenieurpsychologen Thomas Franke, der eine Dissertation über das Reichweiten-Erleben in Elektrofahrzeugen verfasst hat, nur in den seltensten Fällen tatsächlich begründet. Im Gespräch mit dem MDR betont Franke: “Unser Verhältnis zum Auto ist nicht unbedingt rational. Erstens kaufen sich viele Menschen ihre Autos nicht mit dem Fokus auf den alltäglichen Gebrauch. Die meisten preisen immer den besonderen Fall, den Urlaub, den Möbeltransport oder andere Aspekte ihrer Nutzung mit in die Überlegungen des Autokaufs ein. Sie wünschen sich Allrounder-Fahrzeuge, die alles können – eben auch gefühlt unendlich lange fahren, ohne dass sie nachdenken müssen.”

Franke erklärt zudem, dass die Reichweitenangst in der Vergangenheit bereits stark abgenommen hat. Das könnte auch daran liegen, dass deutsche Autofahrer im Schnitt weniger als 40 Kilometer pro Tag zurücklegen. “Die Frage ist jedoch, ob wir überhaupt über Angst sprechen können”, so Franke weiter. “Meine Forschung hat ergeben, dass viele Menschen eher Reichweitenstress als Reichweitenangst empfinden und das auch nur sehr selten. Dieser Stress speist sich zumeist aus Unsicherheit.”

Der Ingenieurspsychologe hat einen hilfreichen Ansatz gegen dieses Problem: die Konfrontation mit dem Thema. “Die beste Maßnahme ist hier einfach Erfahrungen zu sammeln”, empfiehlt Franke. “Sprechen Menschen mit Bekannten und Freunden, merken sie sehr schnell, dass viele Vorbehalte gegen das E-Auto unbegründet sind. Natürlich muss man im E-Auto neue Routinen erlernen. Doch das ist mittlerweile sehr einfach. Das E-Auto plant die komplette Route oft inklusive der Ladesäulen. Das Tanken muss einfach nur bei der Planung schon mitgedacht werden.”

Auch die Unternehmensberatung Horváth konnte diesen Effekt in einer Studie des letzten Jahres bestätigen: Demnach würden sich 92 Prozent der E-Autofahrer auch beim nächsten Kauf für ein vollelektrisches Fahrzeug entscheiden.

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