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Meinung: Der Mercedes-AMG C 63 hätte ein E-Auto sein sollen

Viel Technik und Schub, wenig Ausstrahlung - der neue C 63 kommt nicht an die alten ran. Als EV hätte er's zumindest versuchen können.

meinung: der mercedes-amg c 63 hätte ein e-auto sein sollen

Unser amerikanischer Kollege Kyle Kinard von Motor1.com USA (wo die Enthusiasten genauso verärgert und kaufzurückhaltend gegenüber dem aktuellen Mercedes-AMG C 63 sind wie hierzulande) bringt einen sehr kontroversen Gedanken zur einst beliebten Ober-C-Klasse ins Spiel. Wir teilen die Meinung nicht unbedingt, aber interessant finden wir sie allemal. Sie ja vielleicht auch. 

Ich stürze mich nur ungern auf den aktuellen C 63, denn anscheinend kann Mercedes das Ding schon jetzt nicht mehr verkaufen. Aber es hilft ja nichts. Der neueste “UberMerc” ist nach objektiven Maßstäben kein schlechtes Auto, aber wenn wir unseren Gefühlen nachspüren, wie es Vader einst anordnete, wissen wir: Ein besonders tolles Auto ist der neue C 63 auch nicht.

Das ist eine Schande, denn jeder C 63, der vor ihm kam, war großartig. Der C 63 konnte nie mit den Rundenzeiten des BMW M3 oder der visuellen Präsenz des Audi RS 4 mithalten, aber er setzte auf Attitüde. AMG wählte eine Art Jason-Statham-Charisma und schüttete es eimerweise über seiner Mittelklasse aus.

Wenn ein C 63 vorbeifuhr, hinterließ er Eindruck. “Ein Auto für einen Mann mit einer Narbe im Gesicht”, könnte man meinen. Während ich mich an die letzten Generationen des M3 und des RS 4 kaum noch erinnern kann, werde ich die Erinnerung an den letzten C 63, wie er da eine Haarnadelkurve in Tennessee komplett quer durchballert, niemals los. Selbst nachdem er verschwunden war, konnte man das Triebwerk noch eine Meile weit den Hang hinaufbrüllen hören. 

Genau das macht die C 63-Plakette aus. Warum wollte Mercedes dieses Rezept ändern?

Willkommen bei Kinardi Line, dem Sprachrohr des neugierigsten Autojournalisten der freien Welt. Die Heimat fragwürdiger Ansichten, stiller Enthüllungen und der Anbetung von Scheißkisten.

Wir werden nie eine klare Antwort bekommen. Aber sicher ist, dass die Entscheidung von den EU-Emissionsanforderungen angetrieben wurde und nicht von einer authentischen Verbindung zum Mercedes-F1-Programm. Oder einem überzeugenden geschäftlichen Argument. Oder, wie in den Tagen, als Tobias Moers AMG leitete, von echtem, grundehrlichem Enthusiasmus. 

Mercedes war fest entschlossen, uns keinen V8 zu geben. Und lieferte einen C 63 mit einem kompakten Reihenvierzylinder-Turbo, der mit einigen E-Motoren und Batterien gekoppelt ist. Nach allem, was man hört, ist das ein technisches Meisterwerk. Unser Autor Chris Rosales hat hier einen schönen technischen Überblick über den Antriebsstrang gegeben, und es ist lustig, dass das Lesen über die Technologie des C 63 ein Gefühl der Ehrfurcht vermitteln kann, das Fahrerlebnis aber nicht. 

Der Hybrid-C 63 macht nahezu alles platt, was ihm über den Weg läuft, einschließlich der älteren Generationen, aber er ist schwer und fährt teils dröge. Umso mehr, wenn man die Geschichte des Autos bedenkt. Anstatt also den Mangel an emotionaler Anziehungskraft dieses C 63 wie das tote Pferd zu reiten, das er ist, sollten wir lieber einen anderen Standpunkt einnehmen. 

Der neue C 63 hätte ein Elektroauto sein sollen. 

Zunächst ein praktisches Argument: Mercedes hat Berge versetzt, um sowohl einen ungeliebten Vierzylinder als auch ein Plug-in-Hybridsystem in die aktuelle C-Klasse zu packen.

Die Folge dieser Verpackungsentscheidung: In diese Mittelklasselimousine passt kaum etwas hinein (in den USA wird das C 63 T-Modell nicht angeboten; Anm. d. Red.). Der Kinderwagen meines Sohnes zum Beispiel passt nicht in den Kofferraum des C 63. Das ist inakzeptabel. 

Der Grund für den Platzmangel ist das knapp 90 Kilo schwere 6,1-Kilowattstunden-Batteriepaket des Hybridsystems, das über der Hinterachse sitzt. Nach modernen Maßstäben ist dies eine kleine Batterie, die jedoch einen großen Teil des vertikalen Kofferraumvolumens vernichtet. Das ist mit um die 300 Liter eh winzig und obendrein geht der meiste Platz dadurch verloren, dass sich der Kofferraumboden anhebt, um die Batterie unterzubringen. 

Das bedeutet, dass man einen zusammengeklappten Kinderwagen nicht in den Kofferraum quetschen kann, was wiederum bedeutet, dass man den Kinderwagen und seine durchnässten, schmutzigen Räder hinter dem Fahrersitz einklemmen muss, und schwupps , ist das Lederinterieur übersäht mit nassem Dreck und Gras. Um bei einem Plug-in-Hybrid mit Turbo-Vierzylinder zu bleiben, hat Mercedes die Praktikabilität auf dem Altar der Leistung geopfert. Aber musste das sein?

In Bayern bieten sie einen Gegenpol. Nehmen Sie den BMW i4, der nur eine Woche vor dem Benz in meiner Einfahrt stand. Als M50 schafft der i4 den Sprint von 0-60 mph (0-96 km/h) in knappen 3,3 Sekunden. Damit ist er fast gleichauf mit dem Mercedes, der 2,9 Sekunden benötigt. Aber auf der Viertelmeile liegen die beiden Autos Kopf an Kopf. Der Bimmer ist eine halbe Sekunde zurück, hat aber die gleiche Endgeschwindigkeit.

BMW

Auf der Geraden trennt die beiden nicht viel, aber man kann einen kleinen Unterscheid feststellen. Auf dem Skid Pad gibt es den nicht (um die 1,00 g). Allerdings ist der i4 im Innenraum wesentlich geräumiger und bietet eine luftigere Kabine für Fahrer und Passagiere sowie fast 200 Liter mehr Ladevolumen. Und das, obwohl der i4 in allen Außenabmessungen kleiner ist. 

Ich weiß, der Laderaum ist nicht gerade das sexieste Argument, aber wir erwarten selbst von unseren Superlimousinen Funktionalität.

Wenn der C 63 so viel Leistung mit so wenig Emotionen liefern soll – belastet durch das Leergewicht eines Elektroautos und die weitaus komplexere Mechanik -, stellt sich die Frage: Was wäre, wenn der C63 stattdessen ein Elektroauto wäre? 

Die Elektroauto-Palette von Mercedes könnte ein wenig Emotion vertragen. Das aktuelle Angebot an Elektroautos besteht aus einigen der langweiligsten und uninspiriertesten Limousinen in diesem Segment. Der EQE ist ein Paradebeispiel dafür. Er ist sowohl innen als auch außen so gestaltet, dass er aalglatt und harmlos aussieht, wie eine beschichtete Aspirin-Kapsel auf Rädern. Wenn doch nur seine Fahrdynamik den Schmerz über das belanglose Design dämpfen könnte.  

meinung: der mercedes-amg c 63 hätte ein e-auto sein sollen

Ein vollelektrischer C 63 hätte die E-Palette von Mercedes zum Leben erwecken können. Stellen Sie sich vor, Sie kommen aus dem Supermarkt und schauen nicht auf das x-te Stück luftwiderstandsoptimierte Seife auf Rädern, sondern sie erblicken einen C63, der obendrein ein Elektroauto ist. Stellen Sie sich die Lucid-eske Performance vor, die Präsenz seines brutalen visuellen Charmes, aber ohne dass Sie jedem Nachbarn erklären müssen, was zum Teufel ein Lucid Air ist?!

In einer Ära, in der jeder elektrische Mercedes jenseits der G-Klasse irgendwie anonym aussieht, erinnert immerhin das Design des C 63 noch immer an die besten Ideale von Mercedes-AMG. Der BMW i4 beweist, dass eine Mittelklasselimousine in Form der C-Klasse Batterien unterbringen und den Fahrgästen mehr Lebensqualität bieten kann, ohne die Leistungsanforderungen zu vernachlässigen.

Würde ein synthetischer V8, der aus Lautsprechern bollert, besser klingen als der androgyne Soundtrack des C 63? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber zumindest könnten Sie den Innenraum Ihres C 63 davor bewahren, von schlammigen Kinderwagenreifen verschmiert zu werden.  Und, nun ja, schlechter als ein EQE würde er auch nicht klingen.

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