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Medienbericht: Kehrt Mercedes-AMG mit LMDh nach Le Mans zurück?

Die Schlagzeile der noch jungen Woche schlechthin hat in jedem Fall das Fachportal Daily Sportscar auf seiner Seite. Man sei “zuversichtlich, mitteilen zu können, dass Mercedes-AMG seit einiger Zeit formell einen möglichen Einstieg in die Hypercar- [WEC] oder GTP-Kategorie [IMSA] mit einem LMDh-Prototypen untersucht.”

Der Bericht beruft sich auf Quellen von Zulieferern. Die Tiefe der Gespräche sei “deutlich mehr” als nur ein informelles Ausloten der Möglichkeiten, heißt es. Weitere Details wie ein Einstiegsjahr werden nicht genannt.

Es ist ein mutiger Vorstoß, denn bislang hat keine andere Quelle auch nur von einem Interesse an einem AMG-LMDh berichtet. Auch Motorsport-Total.com und dem Motorsport Network sind derartige Überlegungen des Herstellers bislang nicht bekannt.

Mercedes-AMG in Le Mans – das spricht dafür

Die Hypercar-Klasse ist zweifellos der größte Erfolg in der Geschichte des Sportwagensports und stellt mittlerweile sogar die Gruppe C in den Schatten. Inzwischen sind fast alle großen traditionellen Automobilkonzerne vertreten, nur Ford, die Mercedes-Benz Group und die Tata Group fehlen derzeit.

Entscheidend für den Erfolg der Kategorie: Die Balance of Performance (BoP) – so umstritten sie aus sportlicher Sicht auch sein mag – hält die Entwicklungskosten niedrig. Zum ersten Mal, seit der Motorsport in den 1990er-Jahren in die Kostenfalle gerannt ist, lässt sich Le Mans zu einem Preis realisieren, bei dem die Kosten den Marketing-Gegenwert nicht übersteigen.

Die aktuellen Hypercars sind, glaubt man dem ACO, die letzten Benziner in der Topklasse. Die Wasserstoffklasse, die den Benzinantrieb irgendwann ablösen soll, wurde allerdings immer weiter nach hinten verschoben, weitere Verschiebungen nicht ausgeschlossen. Hypercars können derzeit mindestens bis 2029 eingesetzt werden, wahrscheinlich werden sie noch bis weit in die 2030er-Jahre in Le Mans fahren.

Eine BoP-Meisterschaft benötigt auch keine jahrelange Anlaufzeit wie ein wettbewerbsorientiertes Reglement. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, sind Siege bereits im ersten Jahr möglich, wie das Beispiel Ferrari zeigt.

Zudem hat Mercedes seine ehrgeizigen Pläne, bis 2030 ausschließlich Elektroautos anzubieten, inzwischen begraben. Bis in die 2030er-Jahre hinein sollen elektrifizierte Verbrennungsmotoren angeboten werden – also das Konzept, das auch bei den Hypercars verfolgt wird.

Mit dem Mercedes-AMG One gibt es ein Hypercar für die Straße, das gerade seinen eigenen Rekord auf der Nürburgring-Nordschleife gebrochen hat und als erstes Fahrzeug mit Straßenzulassung unter 6:30 Minuten gefahren ist. Der Rennwagen könnte sich optisch an diesem Fahrzeug orientieren.

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Einer von zwei Mercedes-Siegen in Le Mans: 1989 mit dem Sauber-Mercedes C9

Foto: Daimler

Außerdem kann AMG auf die lange Mercedes-Tradition in Le Mans verweisen, die bisher zwei Gesamtsiege in den Jahren 1952 und 1989 hervorgebracht hat. Die unrühmliche GT1-Ära ließe sich beim Verkauf der alten Erfolge recht einfach ausklammern.

Ein Aspekt bleibt auch die Möglichkeit, Personal aus dem Formel-1-Projekt relativ einfach in einem Hypercar-Projekt “zwischenparken” zu können, sollte das Formel-1-Team Gefahr laufen, die dort geltende Budgetobergrenze zu sprengen. Bei Ferrari soll der Ansatz ähnlich sein.

Zum Thema LMDh kommt noch hinzu, dass Porsche gezeigt hat, dass Erfolge mit diesem Konzept trotz externem Chassis und Einheitselektronik immer auf die Marke zurückfallen – am Ende sogar deutlicher als beispielsweise beim Sauber-Mercedes C9, wo der Schweizer Rennstall noch im Namen steckte.

Motorsport-Total.com bat außerdem Mercedes-AMG um Stellungnahme. Die Antwort: Man beteilige sich nicht an Spekulationen. Also kein komplettes Dementi.

Mercedes-AMG in Le Mans – das spricht dagegen

Würde ein Einstieg heute intern beschlossen, wäre 2027 der frühestmögliche Termin für eine volle Saison. Und wie Motorsport-Total.com aus Mercedes-internen Quellen erfuhr, wäre ein solcher Einstieg, wenn er denn schon beschlossene Sache wäre, wasserdicht geheim gehalten worden – zu geheim, um wahr zu sein.

Da wäre zum einen das Kostenargument. Denn das wird schon jetzt immer mehr verwässert. Durch den Einsatz von Entwicklungsjokern und teilweise die Umstellung ganzer Fahrzeugkonzepte wie bei Vanwall entstehen wieder Entwicklungskosten, wo eigentlich keine mehr sein sollten. Das ursprüngliche Kostenziel wurde durch die Vielzahl der Hersteller ohnehin verfehlt. Wo viele Hersteller sind, wird es über kurz oder lang teuer.

Zudem zeigt sich immer wieder, dass BoP keine Versicherung gegen ein schlechtes Auto ist. Selbst unter BoP-Regularien gab es in der WEC teilweise eklatante Unterschiede zwischen den einzelnen Hypercars. Und das betrifft nicht nur kleine Hersteller wie Isotta Fraschini, Vanwall oder Glickenhaus, sondern auch etablierte Marken wie Lamborghini und Peugeot.

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Der andere Mercedes-Sieg: Hermann Lang und Fritz Riess triumphieren 1952 auf dem 300 SL

Foto: Motorsport Images

Schon jetzt gibt es mehr engagierte Hersteller als gesund ist. 2026 werden mindestens zehn Hersteller um den Sieg in Le Mans kämpfen, aber es kann nur einen Sieger geben. Es werden mehr Hersteller frustriert nach Hause gehen, als von ihrem Engagement profitieren.

Und bis das Mercedes-AMG-Hypercar fertig ist, werden andere Hersteller mit ihren Autos bereits vier oder fünf Le-Mans-Rennen bestritten haben. Diese Erfahrung kann keine BoP der Welt aufwiegen.

Das größte Problem bei allem, was mit Mercedes und Le Mans zu tun hat, ist und bleibt das Trauma von 1999. Seitdem hat Mercedes das Thema Le Mans nicht nur gemieden, sondern gar nicht erst aufgegriffen. Von Stefan Wendl, Leiter Mercedes-AMG Customer Racing, hieß es immer, Le Mans sei für Kundenteams mit dem GT3-Fahrzeug interessant – auch bei direkten Fragen nach der Hypercar-Klasse.

Die offizielle Linie von Mercedes lautete immer: Wir zeigen Hybridtechnologie in der Formel 1. Und dort wird der elektrische Anteil ab 2026 stark erhöht, während er bei einem LMDh minimal ist. Auch beim AMG One werden die Formel-1-Gene immer wieder betont. So ist der Verbrennungsmotor direkt vom Formel-1-Aggregat abgeleitet.

Und genau da liegt das nächste Problem: Eine Anlehnung an den One ist mit diesem Motor kaum möglich, weil er einfach zu klein ist. Die LMDh-Kategorie begünstigt aufgrund der vorgegebenen Drehmomentkurve hubraumstarke Motoren. Und genau von diesen verabschiedet sich AMG derzeit – die Diskussion um den C63 AMG mit Vierzylindermotor lässt grüßen.

Natürlich bliebe die Möglichkeit eines V8-Turbomotors, wie er im AMG GT (der mittlerweile bereits zehn Jahre auf dem Markt ist) oder im AMG S 63 E Performance zum Einsatz kommt. Aber dann wäre eine Anlehnung an den One wenig sinnvoll.

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Reicht ein Vierteljahrhundert aus, um das Trauma von 1999 zu überwinden?

Auch die Möglichkeit, Personal zwischenzuparken, erfordert kein Hypercar-Engagement. Mercedes-AMG ist im GT3-Sport vertreten und wird in den nächsten Jahren ein neues Fahrzeug entwickeln, schließlich steuert der aktuelle AMG GT3 auf sein zehnjähriges Jubiläum zu.

Dann stellt sich die Frage, was genau Mercedes in Le Mans erreichen will. Ein Le Mans-Sieg hilft einer Marke wie Ferrari oder Porsche aufgrund des sportlicheren Images deutlich mehr als Mercedes. Es bliebe höchstens die Möglichkeit, AMG stärker von Mercedes abzugrenzen und ein Le-Mans-Projekt dafür zu nutzen.

Das Sauber-Mercedes-Projekt war immer eine Vorübung für die Formel 1 (wo Mercedes Sauber rasch zugunsten von McLaren fallen ließ). Das GT1-Projekt der 1990er-Jahre war ein Ersatz für den Wegfall der DTM/ITC nach 1996. Da das Formel-E-Team an McLaren verkauft wurde, muss in diesem Fall kein Ersatz gefunden werden.

Schließlich kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Seit dem Ausstieg von Isotta Fraschini hat Daily Sportscar bereits mehrfach versucht, Mercedes-AMG in die WEC zu schreiben – zunächst zweimal in die LMGT3, nun in die Hypercar-Klasse, die einen LMGT3-Slot garantieren würde.

Allerdings gibt es mit Isotta Fraschini und Vanwall noch zwei Hypercar-Anwärter, die zurückkehren wollen und eher zu berücksichtigen wären, bevor AMG mit dem GT3 kommen könnte. Außer, der ACO möchte den Hypercar-Boom künstlich abwürgen, was auch nicht gut für einen AMG-LMDh wäre.

Hersteller überprüfen ständig ihre bestehenden und potenziellen Motorsportprogramme. Ein formeller Prüfungsprozess muss noch nicht viel bedeuten. Dennoch wäre allein dies schon ein starkes Zeichen, denn es wäre das erste Mal seit dem Trauma von 1999, dass sich Mercedes ernsthaft mit dem Thema beschäftigt.

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