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Schilderitis in Dresden

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Schilderitis in Dresden

Schilderitis in Dresden

Dresden. Unsere Stadt soll grüner werden. Und so gibt es jetzt nicht mehr nur Wohnparks, sondern auch Schilderwälder. Sie wachsen an allen Straßenrändern und haben den Vorteil, dass sie auch Dürresommer überstehen. Der Optimist findet die vielen Schilder sehr hilfreich, denn sie weisen ihm den Weg in unserer komplexen Welt.

Der Pessimist dagegen fühlt sich gegängelt von all den Ge- und Verboten: nicht halten, nicht parken, nicht durchfahren, nicht abbiegen, nicht schnell fahren, nicht überholen – und schon gar nicht bei Nässe. Wo immer man sich aus der Haftung ziehen will, wird ein Schild aufgestellt: Achtung, Straßenschäden, Achtung, Tonnage-Begrenzung.

An vielen Schilderstämmen gedeihen gleich mehrere Anweisungen, um kurz darauf durch neue ersetzt zu werden. Das fühlt sich manchmal wie Gehirnjogging an. Gewonnen hat, wer bei 50 km/h die meisten Schilder erkennt, ohne dabei die Stoßstange des Vordermanns zu touchieren und den plötzlich bei Rot kreuzenden Radfahrer mitzunehmen. Verlierer ist, wer vor lauter Schildern den Wald nicht mehr sieht und deshalb ein Bußgeld bekommt.

Für Fortgeschrittene werden die Dauerschilder regelmäßig durch temporäre Schilder ergänzt. Wobei der Wortbestandteil Tempo nicht immer so wörtlich zu nehmen ist. Denn Schilder bleiben im Schilderwald gern länger als nötig stehen. Insofern kann es schon mal vorkommen, dass man immer noch brav der Umleitung 17 folgt, obwohl schon längst die 114 gilt.

Viele der temporären Schilder erinnern mich an unseren Paketausträger, der im Akkord seine Sendung loswerden muss. Die Betonfüße liegen oft wie abgeworfen mitten auf Fußwegen, egal, ob die Mutti mit Kinderwagen noch vorbeikommt. Leistungsdruck in der Straßenverkehrsbehörde oder Achtlosigkeit? Wer weiß.Bei aller Liebe zum Grün wachsen Schilderwälder nicht immer an den glücklichsten Stellen. Im Dorfkern Loschwitz zum Beispiel schreibt der Denkmalschutz die Gestaltung bis zum letzten Fensterkreuz vor. Doch die Behörde darf das historische Ambiente unsensibel und überambitioniert mit Verbotsschildern zupflastern.

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    Zudem gibt es in Dresden auch Straßen, die falsch beschildert sind. Dazu gehört das Terrassenufer. Statt Hauptstraße sollte dort besser das Schild Spielstraße angebracht werden. Denn für gefühlt fast jeden, der auf dem Terrassenufer mal kollektiv radeln, joggen oder seine geschlechtliche Orientierung feiern will, wird die Ost-West-Achse gesperrt. Weil es in Dresden offenbar an Plätzen mangelt, werden neuerdings sogar Bühnen mitten auf die sonst viel befahrene Straße gebaut. Möge so endlich auch der letzte Autofahrer kapieren, dass er unerwünscht und von gestern ist.

    Wie jeder Wald muss aber auch ein Schilderwald regelmäßig gepflegt werden. Das Straßen- und Tiefbauamt, das zeigen die Beispiele, kommt damit nicht wirklich hinterher. Deshalb hätte ich eine Idee: Wie wäre es, den Schilderwald direkt dem Amt für Stadtgrün zu unterstellen? Das hat einfach die größeren Erfahrungen, wie man mal richtig auslichtet.

    Die Autorin lebt seit 1979 in Dresden. Sie ist Redakteurin der SZ und hat viele Jahre über Stadtpolitik berichtet.

    Mail an Katrin Saft.

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