Finanzen

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Wo Pilze vom Band rollen

wo pilze vom band rollen

Adelaide hat die Transformation geschafft.

Wo Pilze vom Band rollen

Adelaide war Zentrum der australischen Autoindustrie. In ihren Hallen sprießen nun gute Ideen.

Etwas mehr als fünf Jahre ist es her, dass Adelaide das Zentrum der australischen Autoindustrie war. Ford, Holden und Toyota produzierten in der Hauptstadt Südaustraliens. Zwischenzeitlich rollten fast eine halbe Million Fahrzeuge pro Jahr vom Band. Zeitweise suchten Autohersteller wie Holdens Muttergesellschaft General Motors sogar nach Möglichkeiten, die Exporte in Länder wie die USA zu steigern.

Doch steigende Herstellungskosten und hohe Gehälter machten die Produktion immer schwieriger. Als letztendlich auch die Subventionen der Regierung versiegten, machte ein Hersteller nach dem anderen seine Produktion dicht. Im Februar 2008 wurde den Mitsubishi-Beschäftigten während einer Versammlung in der Autofabrik Tonsley Park mitgeteilt, dass sie ihre Jobs verlieren würden. Im Oktober 2017 rollte schließlich der letzte Holden vom Band.

Die australische Fertigung sei über Jahrzehnte hinweg rückläufig gewesen, erklärte John Spoehr von der Flinders University in Adelaide in einer Analyse des Australian Industrial Transformation Institute. In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends habe der Bergbauboom „den australischen Dollar auf ein nicht wettbewerbsfähiges Niveau“ getrieben. Einer der Leidtragenden war die Autoindustrie und damit Adelaide, wo die meisten Produktionsstätten und Zulieferer saßen.

Doch die Stadt mit ihren 1,3 Millionen Menschen hat es geschafft, ihr Schicksal umzukehren. Dies gelang zum einen dank einer lebendigen Kunstszene: In Adelaide findet Australiens größtes Kunstfestival, das Adelaide Fringe, statt. Zum anderen setzt Südaustralien aber auch seit Jahren schon auf Innovation: Nicht umsonst hat sich in Adelaide die australische Weltraumindustrie formiert. Auch Nachhaltigkeit wird groß geschrieben: Bis 2030 will der Bundesstaat seine Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen generieren. 2017 setzte die Stadt auf Tesla-Chef Elon Musk und eröffnete mit ihm zusammen das weltweit größte Batteriesystem zur Speicherung erneuerbarer Energie.

Auch die Hallen der einstigen Autofabriken liegen schon seit Langem nicht mehr brach. In der früheren Mitsubishi-Autofabrik im Tonsley Park ist ein Innovationszentrum entstanden, wo heute über 1700 Menschen arbeiten, 70 Prozent mehr als zu der Zeit, als Mitsubishi die Schließung des Werks verkündete. Und auch die alte Holden-Fabrik ist dabei, wieder ein großes Produktions- und Exportzentrum zu werden – wenn auch nicht mehr im Bereich der Industrieproduktion.

Anstatt Limousinen und Kombis sollen künftig tausende Tonnen Pilze „vom Band rollen“. Mit dem neuen Projekt, das bis Mitte 2024 fertiggestellt sein soll, will Adelaide zur „exotischen Pilzhauptstadt Australiens“ werden. Die neue Pilzfarm wird vom lokalen Produzenten Epicurean Food Group betrieben und soll Supermärkte und Restaurants mit Produkten beliefern. 31 Vollzeitbeschäftigte arbeiten bisher für die australische Firma, darunter auch ehemalige Mitarbeiter von Holden. In den nächsten 15 Monaten soll das Personal auf etwa 350 Angestellte aufgestockt werden.

Seit Ende Februar läuft in sechs Anbauräumen die Produktion von 20 Tonnen Pilzen pro Woche, künftig soll die Produktion auf geschätzte 20 000 Tonnen rohe Pilze und Pilzprodukte pro Jahr ansteigen. Austern-, Shiitake-, Enoki-, Königsaustern- und Löwenmähnenpilze werden in vertikalen, bis zu 13 Meter hohen Säulen sprießen.

Neben der Pilzfarm entstehen ein Labor und eine Großküche, in der Pilze in schmackhafte Burger-Patties oder Würstchen verwandelt werden sollen – allesamt vegane Produkte. Sogar veganes Leder soll aus den Pilzen produziert werden. Ziel sei es, „den gesamten Zyklus abzudecken“, wie Kenneth King, CEO der Epicurean Food Group, sagte: Von der Kuration von Pilzkulturen in einem Labor über den Anbau und Vertrieb von Frischprodukten aus regenerativer Landwirtschaft bis hin zur Verarbeitung und Produktion von Pilzprodukten in einer Hightech-Gewerbeküche.

Nachdem die Nachfrage nach pflanzenbasierten Lebensmitteln wächst, hofft King, mit seinen Pilzen eine neue Wachstumsindustrie nach Adelaide zu bringen, die der Stadt nach dem Exodus der Autoindustrie auch wieder ein neues Image verleiht. Schließlich seien Pilze nicht nur ein schmackhaftes, sondern – wie King betont – auch ein sehr gesundes Lebensmittel, das vollgepackt ist mit Kalzium und Magnesium sowie mit verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffe wie Mangan, Zink und Selen.

TOP STORIES

Top List in the World