Ratgeber

Wie lädt man am Campingplatz?

Wie Campingplätze Strom für E-Camper sinnvoll verwalten, verteilen und abrechnen können. Eine Beratung für Platzbetreibende, die an dieser Stelle dem EndkundInnen zeigt: So funktioniert das mit ID. Buzz und Co. auf dem Campingplatz.

Über den Gaspreis sind die Strompreise enorm gestiegen. Gleichzeitig drängen Gesetzgeber und Gesellschaft auf Strom als Energieträger für Fahrzeuge und Wärme, und auch im Camper steigt der Anteil an E-Herden und elektrischen Wärmepumpen-Heizungen. Die Nachfrage nach Strom steigt damit trotz hoher Strompreise (Bundesdurchschnitt Herbst 2022: rund 42 ct/kWh).

Die Abrechnung nach verbrauchter elektrischer Energie wird sich somit langfristig nicht nur lohnen, sondern sie wird für einen wirtschaftlichen Betrieb sogar nötig werden. Der Akku eines VW ID.Buzz speichert 77 kWh netto, und wenn man am Ziel ankommt, ist der Akku typischerweise recht leer.

wie lädt man am campingplatz? Mercedes-Benz

Den EQV gibt es mittlerweile auch mit Campingausstattung.

Der Mercedes-Benz EQV speichert 90 kWh. Den ersten Mercedes-Benz EQV als Campervan gibt es hier. Die 90 kWh ist längst nicht das Ende der Fahnenstange für kleine Nutzfahrzeuge: Fords E-Pick-up F-150 Lightning (nur US-Markt) bietet bereits einen Akku mit 130 kWh netto an.

Eine elektrische Wärmepumpe in einem Camping-Ausbau zieht in kalten Nächten 1,5 kW, also in 10 Stunden 15 kWh. Wenn mehr Gäste mit solchem Equipment anrücken, werden Sie beim Stromverschenken sehr bald draufzahlen. Wer sich hier mit fairen und komfortablen Abrechnungen in Stellung bringt, erntet die Freude der Kunden und muss dabei keine Miesen machen.

Probleme der Stromlieferung auf Campingplätzen

Der erste Hemmschuh für einen Ausbau der Stromlieferungen auf einem Campingplatz ist die Anschlussleistung ebendieses Platzes. Zur Text-Vereinfachung unterscheide ich nicht zwischen Scheinleistung und Wirkleistung. Der Unterschied (“Blindleistung”) zwischen Schein- und Wirkleistung liegt bei bis etwa 10 % – falls Sie genau rechnen müssen, sollten Sie die Unterscheidung wieder treffen. Jedes Haus, jedes Gewerbe, jedes Grundstück mit Strom ist mit einer definierten Leistung am Stromnetz angeschlossen, in Deutschland üblicherweise mit 3 Phasen Wechselstrom (alternating current, AC).

wie lädt man am campingplatz? Karl-Heinz Augustin

Strom auf dem Campingplatz? Sieht bisher so aus.

Die Spannung für Niederspannungs-Endverbraucher ist mit 230 Volt (V) gegenüber dem Nullleiter vorgegeben, sodass sich Hausanschlüsse über die Stromstärke in Ampere (A) unterscheiden. Mit 20 kW Anschlussleistung (3 x 32 A) kann man dauerhaft auf etwa 15 Steckdosen 230 V x 6 A ausgeben (rund 1,4kW), als Beispiel, und mit sagen wir: 3 x 100 A (63 kW) kann man schon einen kleinen Campingplatz versorgen.

Für typisches Camping bisher mit Gaskocher und gelegentlich einem/r elektrischen Wasserkocher/Kaffeemaschine (üblicherweise im Bereich 1.000 W Stromaufnahme) reichten am Stellplatzstecker 6 A aus. Mit Heizung/Klimaanlage, E-Herd und E-Auto reicht es nicht.

Eine Lösung: größerer Anschluss mit dickeren Kabeln

Der einfachste Weg, hier nachzulegen: größerer Anschluss. Dazu müssen oft entsprechend dickere Kabel verlegt werden. Je nach Stromanbieter können Sie bis 150 kW Anschlussleistung als Niederspannungs-Wechselstrom beantragen. Dabei fließen dann deutlich über 200 A pro Phase, entsprechend dick und teuer werden die Kabel nebst Anschlussnebengebühren. Ob es diese Leistungen bei Ihnen gibt, hängt von der Umgebung ab.

Nahe am Gewerbegebiet ist es oft kein größeres Problem, jwd kann es bitter werden. Wenn ein Platz mehr als 150 kW Anschlussleistung braucht, wird er wie ein größeres Hotel an das Mittelspannungsnetz angeschlossen, aus dem die regionalen Verteilnetze bestehen (10.000 bis 35.000 V). Auch hier richtet sich der Preis nach der benötigten Anschlussleistung (beim Energieversorger erfragen), diese ist nur wesentlich höher.

Da die Verbraucher trotzdem 230 V erwarten, kommt ein Trafo dazu. Der kostet je nach Leistung zwischen 15.000 und 60.000 Euro, hält etwa 40 Jahre und muss regelmäßig von Fachpersonal gewartet werden. Diese Lösung geht dann üblicherweise bis etwa 1000 kW (1 GW), hat andere Stromtarife und ist aufgrund der Gesamtfixkosten nur für sehr hohe Strombedarfe interessant.

Anschlussleistung nicht steigern, sondern ausnutzen

Wenn Sie die Zahlen betrachten, stellen Sie schnell fest, dass teures Erweitern der Anschlussleistung schlecht skaliert. Nehmen wir eine typische Wallbox zum Laden eines Elektroautos mit 3 x 16 A @ 230 V, also 11 kW. Der angenommene Platz hat 100 kW Anschlussleistung. Man installiert 10 Wallboxen. Schon bräuchte man mehr Anschlussleistung – aber nur, wenn wirklich 10 Autos gleichzeitig mit 11 kW laden. Und hier wird es interessant, weil das praktisch nie nötig ist.

Was will der Gast denn? Dass sein Auto in der Früh wieder voll ist. Dazu braucht er aber fast nie 11 kW die ganze Nacht (was sich auf über 100 kWh läppern würde). Also kann man die Wallboxen dynamisch so regeln, dass die Anschlussleistung des Platzes inklusive aller Verbraucher nicht überschritten wird. Das machen sogenannte “Lastmanager”: kleine Steuergeräte, die schaltbare Steckdosen oder steuerbare Geräte wie Wärmepumpen oder Wallboxen entsprechend der Verbrauchslage ansteuern.

wie lädt man am campingplatz? Timo Grosshans

Brauchen Camping-UrlauberInnen solche Ladestationen? Wohl eher nicht.

Die vorhandene Anschlussleistung wird damit viel besser genutzt, sodass sie viel später erst erweitert werden muss. Für Wallboxen/Ladestationen bietet zum Beispiel “Mobility House” Lösungen an, für Camping-Steckdosen am Stellplatz hilft die Firma “Scapo” mit schlüsselfertigen Produkten. Gute lokale Elektrikerbetriebe sollten ebenfalls in der Lage sein, dem Platzbetreiber ein Angebot für solche Technik zu erstellen.

Der Lastmanager sorgt bei vorhandener Photovoltaik-Anlage außerdem dafür, dass die Sonnenschein-Überschussleistung in Waschmaschinen, Wärmespeicher für die Nacht und ladende E-Autos fließt. Durch die gesunkenen Einspeisevergütungen lohnen sich solche Maßnahmen, die auf Eigenverbrauch optimieren.

wie lädt man am campingplatz? ECOCAMPING

Photovoltaik auf dem Dach, kann auch der Ladeinfrastruktur gutes tun.

Schlau verbrauchen, statt teuer speichern

Es ist immer am günstigsten, schlau zu verbrauchen statt zu speichern, weil Stromspeicherung sehr teuer und mit Verlusten verbunden (wider die Werbeversprechen oft über 20%) ist. Trotz der hohen Kosten kann Stromspeicherung jedoch durchaus weniger teuer kommen als die Erweiterung der Anschlussleistung. Kleinere Lithium-Pufferbatterien im Bereich 20 kWh) kosten immer noch über 500 Euro/kWh.

  • Beispiel: Ein Upgrade auf 150 kW Anschlussleistung kostet 22.000 Euro. Mit einer Batterie für 10.000 Euro käme ich aber ohne dieses Upgrade aus, sodass diese Lösung trotz der Lebenszeit der Batterie von etwa 15 Jahren auf zumindest 30 Jahre günstiger wäre. So ein Puffer kann natürlich nur Spitzen abfangen. Die durchschnittliche Leistung muss ausreichen. Wenn die Last dauerhaft hoch liegt, führt kein Weg daran vorbei, entweder den Verbrauch zu senken oder die Anschlussleistung zu erhöhen.

Was braucht ein Campingplatz wirklich?

Solche Technik mag faszinieren, wirtschaftlich betrachtet eignet sie sich oft nicht für den eher bodenständigen Campingplatz. Wallboxen mit Karten-Authentifizierung und geeichtem Zähler zur Abrechnung kosten fast 2.000 Euro pro Stück plus Montage. Eine Gleichstrom-Schnellladesäule brauchen wir für den üblichen Campingplatz nicht zu diskutieren, sie wird sich nie rechnen. Es stellt sich aber die Frage, ob sich schon einfache Wallboxen überhaupt lohnen.

Ein neuer Gast mit leerem Akku möchte sicher oft 50 bis 100 kWh Strom ziehen. Aber wie schnell braucht er die wirklich? Oder besser: wie langsam? Geben wir dem Autostecker 1 x 10 A, kann er über eine 10-h-Nacht 23 kWh ziehen. Damit fahren die meisten Autos bereits wieder über 100 km Landstraße weit, je nach Modell und Fahrprofil.

wie lädt man am campingplatz? VWN

Ob der E-Bulli ID.Buzz ein vollwertiger Campervan wird? Noch gibt es sehr wenige Ausbau-Varianten.

Ab dem zweiten Tag sind die meisten Akkus wieder vollgeladen und ziehen nur noch den Strom, den die Gäste am Tag verfahren. Für höhere Bedürfnisse (“Ich muss morgen wieder zurückfahren!”) können Sie dann für den gesamten Platz ein, zwei Wallboxen mit 22 kW Leistung bereitstellen und gegebenenfalls anders abrechnen.

Alternativen zur Wallbox

Alternativ können Sie auch mit den Ladenetzbetreibern sprechen, ob sich eine Ladesäule lohnt, für die Sie nur den nötigen Platz verpachten. So eine Lösung reicht für 98 Prozent der Bedürfnisse aus, kostet “massiv” weniger Geld, und vergessen Sie nicht, dass Sie für alles außer Auto sowieso einfache blaue Stecker oder Schukodosen am Platz bereithalten müssen.

Um diese Stecker für ein E-Auto nutzen zu können, benötigen die Gäste einen Ladeadapter (von Schuko- oder CEE- auf Typ-2-Stecker), der oft nicht mehr in der Serienausstattung der Autos enthalten ist und gesondert gekauft werden muss. Es ist dann aber billiger, einige solcher Adapter (ab etwa 250 Euro pro Stück) zum Ausleihen vorzuhalten, statt viele Wallboxen zu installieren. Einziger Nachteil: Wallboxen können in vielen Stufen zwischen 1,4 bis 22 kW geregelt werden. Geregelte Steckdosen können nur an oder aus. In der Stellplatz-Praxis mit vielen geschalteten Dosen stört das jedoch selten.

wie lädt man am campingplatz? Uli Regenscheit

CCS Combo Typ 1 (Rechts) und ein Typ 2 Mennekes (Links) sind Stecker, mit denen E-Camper geladen werden.

Die 10 A sind kein zufällig gewählter Wert, sondern das, was die meisten Autohersteller als Standard in ihren Geräten einstellen, weil es einen guten Kompromiss zwischen Ladeleistung und elektrischer Sicherheit darstellt. Schon 10 A reichen durchaus für Kabelbrände aus, wenn sie über Tage anliegen, deshalb führt kein Weg daran vorbei, die elektrische Anlage auf solche Belastungen prüfen zu lassen. Es gibt keine mit dem Elektroauto vergleichbare Last außerhalb industrieller Fertigung, denn selbst eine Heizung regelt ja ab, wenn sie nach ein, zwei Stunden die Solltemperatur erreicht.

Ein E-Auto kann locker 20 h lang 10 A ziehen und immer noch nicht voll sein. Hier können sich Hitzenester bilden, die vorher nie auftraten. Der Zentralverband des Elektrohandwerks bietet deshalb einen “E-Check Elektromobilität” an, den Fachbetriebe bei Ihnen vornehmen können (Details siehe www.elektrohandwerk.de). Bei der Stromstärke ganz tief stapeln funktioniert nur bedingt: Der Mindest-Ladestrom liegt bei den meisten E-Autos bei 6 A. Darunter schaltet sich meistens der Ladevorgang nicht ein.

Heikles Thema Stromaufpreis Campingplatz

Was können Sie für Investitionen in Anschluss, Verkabelung, Stecker und Lastmanagement verlangen? Orientierungsdaten: Der Durchschnittsstrompreis für Haushalte lag zum Schreibzeitpunkt bei 42 ct/kWh. Die Stadt Hamburg nimmt 44 ct/kWh plus 2,06 € “Bearbeitungsgebühr” pro Ladevorgang an ihren AC-Ladesäulen (leistungsmäßig wie eine Wallbox mit 22 kW). Die Stadtwerke München nehmen 49 ct. Die EnBW nimmt in ihrem “Vorteilstarif”, der auch als ADAC eCharge zu haben ist, 38 ct an eigenen Säulen und 42 ct im Roaming.

wie lädt man am campingplatz? LEVC

Die Briten von LEVC planen einen elektrischen Campervan. 480 km Reichweite sollen der Van mit einer Hybrid-Technologie erreichen.

Bei der Recherche haben wir 40 bis 70 ct/kWh an Campingplatz-Tarifen gesehen. Oft kommt eine Strom-Bereitstellungsgebühr dazu, weil ja nicht jeder Camper auf Strom angewiesen ist oder zumindest nicht auf 16 A Stromstärke.

Eine große Rolle für die Kundenakzeptanz spielt, der eingangs erwähnte Abrechnungskomfort und die Transparenz: Wenn Sie den Gästen erklären können, warum der Strom genau diesen Aufpreis kostet, verstehen und akzeptieren die meisten es. Dabei hilft vor allem eine realistische Kalkulation der eigenen Investitionen, nebst einer fairen Umlage auf die Gästekosten.

Fazit

Benötigen alle Campingplätze bald Schnellladesäulen und neue Infrastruktur? Unser Autor rechnet vor und erklärt, was Sinn ergeben kann und was zu viel des Guten wäre. So kann es für viele Campingplatz-Betreibende dann auch mit Elektro-Campervans klappen.

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