- Auch der Volvo ist jetzt ein „Smartphone auf Rädern“
- Weiterentwickeltes OS mit neuen Präferenzen
- Einpedalfahren mit supersensiblem „Gaspedal“
- Klasse-Fahrwerk und genug „Bumms“
- Hochwertiges Interieur, übersichtlicher Arbeitsplatz
- Ohne Internet geht nichts mehr
- Testverbrauch und Ladeweile
- Technische Daten
Vor einem halben Jahr hatten wir das Vergnügen den Polestar 2 zu fahren, der die Elektro-Plattform mit dem Volvo XC 40 teilt. Volvo hatte bislang in den XC40 Benziner-Modellen ein Infotainmentsystem eingebaut, das, sagen wir es diplomatisch, grenzwertig war. Der Polestar 2 war der erste Stromer, der mit einem echten Google Automotive OS ausgestattet war.
Auch der Volvo ist jetzt ein „Smartphone auf Rädern“
Wie man aus Google-Kreisen hörte, hatte sich das Interesse der Automobilindustrie am Automotive OS sprunghaft erhöht, nachdem die ersten „euphorischen“ Besprechungen des Polestar draussen waren. Der zweite Stromer, der nun mit einem solchen OS kommt, ist die Elektroversion des XC40 von Volvo.
Zwischen den beiden Modellen liegt schon wieder mehr als ein halbes Jahr, in der IT-Branche eine Ewigkeit. Volvo hatte seine Kunden in der Vergangenheit darüber befragt, wie sie denn mit den vielen, vielen Einstellungsmöglichkeiten des Infotainment-Systems zufrieden seien. Die Antwort und eine folgende Analyse überraschte die Ingenieure: viele Funktionen werden schlicht nicht benutzt. Der typische Volvo-Pilot verwendet, so fanden sie heraus, nur einen Bruchteil der Funktionen, die ihm theoretisch zur Verfügung stehen.
Weiterentwickeltes OS mit neuen Präferenzen
Das hat man sich zu Herzen genommen, als man das OS für den XC40 Recharge zusammen mit Google konzipierte. Man strich den Funktionsumfang rigoros zusammen. Herausgekommen ist ein System, dessen Bedienung noch ein bißchen einfacher ist, als das des hochgelobten Polestar 2.
Einpedalfahren mit supersensiblem „Gaspedal“
Das bedeutet aber auch, dass man den XC40 zwischen 19 und weit über 34 kWh Verbrauch auf der selben Strecke fahren kann. Da ist für die Reichweite das eigene Können und Wollen ausschlaggebend.
Klasse-Fahrwerk und genug „Bumms“
Und das wird durch einen äußerst niedrigen Scherpunkt, einem straffen Fahrwerk und genau der richtigen Dosis „Bumms“ unterstützt. Auf unserer Testfahrt nördlich von Hamburg zeigte sich, dass der Wagen fast wie das sprichwörtliche Brett auf den unterschiedlichsten Straßen liegt. Enge Kurven nimmt er mit dem größten Vergnügen und teilweise vergisst man, dass man einen 2,2 Tonnen-Boliden unter dem Allerwertesten hat. Bodenwellen und Schlaglöcher lassen den Elektro-SUV weitgehend kalt, auch wenn die Stuckergeräusche der Achsen dank der Stille beim Dahingleiten durchaus vernehmbar sind.
Hochwertiges Interieur, übersichtlicher Arbeitsplatz
Das Interieur unterstützt den „Fahrmaschinen“-Gedanken. Ein übersichtliches Cockpit verwöhnt Puristen ebenso, wie die sehr bequemen Sitze mit bestem Seitenhalt. Die Platzverhältnisse sind gut, die Einstellmöglichkeiten für Lenkrad und Sitzpostition vorbildlich. Rangieren wird durch Kameras mit Vogelperspektiven-Darstellung stark vereinfacht.
Ohne Internet geht nichts mehr
Dank der Internetverbindung ist das Infotainmentsystem eine wahre Wohltat, weil beispielsweise über Tune-In unzählige Radiosender weltweit zur Verfügung stehen. Die Smartphone-Anbindung funktioniert tadellos, das Löschen aus dem System nach der Testfahrt ebenfalls. Über „Hey Google“ sind viele weitere Befehle möglich, so zum Beispiel „Hey Google, mach die Sitzheizung an“ und so weiter. „Einige Befehle funktionieren noch nicht so, wie wir das wollen“ räumte ein Volvo-Mitarbeiter ein. Da muss noch nachgeschärft werden, was aber über OTA-Updates kaum ein Problem sein wird.
Testverbrauch und Ladeweile
Die Platzverhältnisse im Kofferraum sind identisch zur Verbrenner-Version, vorne gibt’s einen kleinen Frunk, in den eine kleine Tasche passt und natürlich die vielen Ladegeräte. Womit wir beim Thema wären. Bei unserem Testverbrauch von rund 21 kWh war recht viel Stadtverkehr, Landstraße und ein bißchen Autobahn enthalten. Insgesamt 132 Kilometer. Wobei wir den eSUV auf dem kurzen 10 Kilometer-Autobahnstück durchaus mit Schmackes auf 170 beschleunigt haben. Das Verkehrsaufkommen war aber leider so hoch, dass nur 130-150 km/h im Verlauf möglich waren. Das wir uns richtig verstehen, der XC40 ist kein ausgesprochener Langstrecken-Stromer. Bei einer Nettobatteriekapazität von um die 75 kWh sind auf diese Weise etwas über 300 Kilometer drin. Das Laden geht aber nur mit maximal 150 kW. Da könnte man noch eine Schippe drauflegen.
Technische Daten
Spitzenleistung: | 300 kW/408 PS Dualmotor, AWD |
Beschleunigung 0-100 km/h: | 4,9 Sekunden |
Max. Drehmoment: | 660 Nm (2×330 Nm) |
Top-Speed: | 180 km/h (elektronisch abgeregelt) |
Reichweite (WLTP): | 418 km |
Batteriekapazität (Brutto/Netto): | 78 kWh/75 kWh |
Ladeleistung AC: | 11 kW, 41 km/h |
Ladeleistung DC: | 150 kW, 420 km/h |
Abmessungen (LxBxH)/Gewicht: | 4.425 x 1.863 x 1.570 mm/1.651 kg |
Grundpreis/Testwagenpreis: | 62.000 Euro/71.245 Euro |
Optionen (Testwagen) | 20″-5-V-Speichen, Aussenfarbe, Sitzkomfort-Paket, Lichtpaket, Inntelli-Safe-Paket Pro, Xenium-Paket Pro, Laderaum-Paket Pro, Alarmanlage, Aufbewahrungstasche für das Ladekabel, Induktives Smartphone-Ladesystem (Qi-Standard), Seiten- und Heckfenster abgedunkelt, Sitzheizung hinten, Wärmepumpe |
Umweltbonus: | 7.500 Euro |
e-engine meint: Der Volvo XC40 Recharge ist ein gutes Elektroauto mit hervorragender Verarbeitung einem tollen, nochmals vereinfachten Betriebssystem und sehr guten Fahreigenschaften. Die Reichweite, wie auch Effizienz könnten größer sein, gehen aber in Ordnung. Der Grundpreis von rund 61.000 Euro für das 2021er-Modell ist allerdings heftig. Das hat auch Volvo offensichtlich bemerkt, denn in den letzten Wochen hat sich das Wettbewerbsumfeld durch etliche Newcomber verschärft. So wird das 2022er-Modell, das ab Mai vom Band läuft deutlich unter 60.000 Euro starten, mit einer etwas angepassten Grundausstattung versteht sich. Das 2021er-Modell ist ohnehin schon ausverkauft. Europaweit wurden bislang in 3 Monaten rund 11.000 Fahrzeuge abgesetzt, denn der XC40 startete in Norwegen und den Niederlanden bereits früher.
Test: Bernd Maier-Leppla
Fotos: e-engine, VOLVO, Foto Limberger