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Porsche Taycan: Beim Reichweite-Nachladen schlechter als Ioniq 5

Obwohl beide Autos mit 800-Volt-Technik arbeiten, ist der Hyundai schneller

porsche taycan: beim reichweite-nachladen schlechter als ioniq 5

Dem Porsche Taycan mit seinem 800-Volt-System eilt der Ruf voraus, sehr schnell laden zu können. Aber stimmt das wirklich? Und wie sieht die Ladekurve so eines Autos aus? Und wie schneidet das Auto ab im Vergleich mit anderen Fahrzeugen, die ebenfalls gut beim DC-Laden sind, wie der Hyundai Ioniq 5, Tesla Model 3 und Audi e-tron? Unsere neue Schnelllade-Analyse der Version mit 93,4-kWh-Akku gibt Antworten.

Als Grundlage verwenden wir Daten des europäischen Ladenetz-Anbieters Fastned von 2020, die sich auf die Version mit der großen “Performancebatterie Plus” (93,4 kWh brutto) beziehen, die beim Taycan Turbo und Turbo S serienmäßig ist, während es sie für den normalen Taycan mit Heckantrieb sowie für den 4S (die serienmäßig 79,2 kWh brutto haben) nur gegen einen Aufpreis von etwa 5.500 Euro gibt.

Ladekurve: Fulminanter Beginn

Während die kleinere Batterie laut Porsche nur mit 225 kW geladen werden kann, sind beim großen Akku bis zu 270 kW möglich. Beim hier analysierten Fastned-Ladevorgang waren es “nur” 262 kW.

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Die maximale Ladeleistung steht allerdings nur bis zu einem Ladestand (State of Charge, SOC) von etwa 27 Prozent zur Verfügung. Dann fällt die Ladeleistung auf etwa 200 kW und dann weiter auf rund 150 kW, die von etwa 35 bis 67 Prozent SOC gehalten werden. Danach fällt sie erneut ab, bleibt aber fast immer über 50 kW.

Wegen der hohen Ladeleistung am Anfang der Ladekurve lohnt es sich beim Porsche Taycan also, erst mit fast völlig leerer Batterie zur Ladestation zu fahren, wenn man auf der Langstrecke die Ladepausen kurz halten will.

Durchschnittliche Ladeleistung: 151 kW

Die durchschnittliche Ladeleistung im wichtigen Bereich von 20 bis 80 Prozent SOC beträgt 151 kW (im Diagramm unten schwarz markiert). Fährt man erst mit fast leerem Akku (2 Prozent SOC) zur Ladesäule und lädt nur bis 70 Prozent, kommt man sogar auf 185 kW Durchschnittsleistung, wie aus der ersten Spalte des folgenden Diagramms hervorgeht:

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C-Raten: Bis zu 2,8C

Die so genannte C-Rate gibt an, wie sich die Ladeleistung zur Kapazität des Akkus verhält. Zum Beispiel wird 1C erreicht, wenn der Akku in einer Stunde vollgeladen wird. Beim Taycan mit der großen Batterie wäre dazu eine durchschnittliche Ladeleistung von 93 kW ausreichend. Würde das Vollladen nur eine halbe Stunde dauern, wäre 2C erreicht. Dazu wären dann durchschnittlich 186 kW nötig.

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Bei dem Fastned-Ladevorgang betrug die maximale C-Rate etwa 2,8C. Die durchschnittliche C-Rate bei 20 bis 80 Prozent SOC lag bei 1,6C. Beide Werte sind sehr hoch.

Wie schnell wird Reichweite nachgeladen?

Die WLTP-Reichweite des Taycan 4S mit Performance Batterie Plus gibt Porsche mit 389 bis 464 km an. Für Langstreckenfahrer ist wichtig, wie lange es dauert, bis zum Beispiel 100 weitere Kilometer nachgeladen sind. Dieser Wert hängt von der durchschnittlichen Ladeleistung, aber auch vom Stromverbrauch ab.

Den Stromverbrauch berechnen wir hier aus der WLTP-Reichweite von 464 km und der verfügbaren Batteriekapazität von 83,7 kWh. So ergibt sich ein Wert von 18,0 kWh/100 km. Aus der durchschnittlichen Ladeleistung und dem Stromverbrauch lässt sich nun berechnen, wie schnell Reichweite nachgeladen wird. Dazu werden die 151 kW (siehe oben) durch den Stromverbrauch (180 Wh/km oder 10.800 Wmin/km) geteilt, was 14,0 Kilometer pro Minute ergibt.

Um 100 km Reichweite nachzuladen, sind also etwas mehr als 7 Minuten nötig, etwas mehr als die 5 Minuten, die Porsche angibt. Aber wahrscheinlich hat Porsche nicht von 20 bis 80 Prozent gemessen, sondern bei sehr niedrigem Ladestand begonnen.

Vergleich mit anderen Elektroautos

Vergleichen wir die Taycan-Ergebnisse nun mit anderen Modellen, die besonders schnell laden können und deren Ladekurven wir bereits analysiert haben:

  • Audi e-tron (im Vergleich mit BMW iX3)
  • Hyundai Ioniq 5 (Englisch, noch nicht übersetzt)
  • Tesla Model 3

Hier sind die Ladekurven:

porsche taycan: beim reichweite-nachladen schlechter als ioniq 5

Das Diagramm zeigt, dass der Taycan (rote Kurve) anfangs zusammen mit dem Tesla Model 3 (blau und grün) zu den besten gehört. Auch der Hyundai Ioniq 5 (schwarze Kurve), der ebenfalls mit 800-Volt-Technik arbeitet, wird anfangs locker übertroffen. Im Bereich von 30 bis 50 Prozent SOC aber hat der Hyundai die Nase vorne. Das Model 3 lässt spätestens ab 30 Prozent SOC stark nach und kann mit Porsche und Hyundai nicht mehr mithalten.

Bei der durchschnittlichen Ladeleistung im Bereich von 20 bis 80 Prozent liegt der Hyundai Ioniq 5 mit 180 kW deutlich vorne, der Taycan liegt mit 151 kW auf Platz zwei, sehr knapp dahinter folgt der Audi e-tron mit 149 kW. Letzteres überrascht, denn der Audi ist ein 400-Volt-Auto. In Vergleich zu diesem enttäuscht der Porsche.

Ladeleistungen und C-Raten im Vergleich
Modell Batterie
(brutto)
Ladeleistung
(maximal erreicht)
Ladeleistung(Durchschnitt,
20-80%)
C-Rate
(maximal)
C-Rate(Durchschnitt,
20-80%)
Audi e-tron quattro 55 95 kWh 155 kW 149 kW 1,6 1,6
Hyundai Ioniq 5 77 kWh 225 kW 180 kW 2,9 2,3
Porsche Taycan 4S (93,4 kWh) 93,4 kWh 262 kW 151 kW 2,8 1,6
 Tesla Model 3 LR von 2021 (V3 SC) 80 kWh 250 kW 106 kW 3,1 1,3
Tesla Model 3 LR von 2019 (V3 SC) 75 kWh 250 kW 113 kW 3,3 1,5
Tesla Model 3 LR von 2020 (CCS2) 75 kWh 195 kW 128 kW 2,6 1,7

Die Vergleichstabelle oben zeigt auch, dass der Taycan nicht die höchsten C-Raten bietet. So wird bei Tesla mit bis zu 3,3C geladen. Die 2,8C des Taycan sind auch darauf zurückzuführen, dass die Porsche-Batterie deutlich größer ist als die Tesla-Akkus (da die C-Rate ja gleich Ladeleistung geteilt durch Akkukapazität ist).

Die durchschnittliche C-Rate ist jedoch auch nicht höher als beim Audi, der eine noch größere Batterie hat. Und im Vergleich zum Ioniq 5 mit seinen 2,3C sind die 1,6C des Porsche dann doch eher bescheiden.

Was das Nachladen von Reichweite angeht, so zeigt sich die Bedeutung des Stromverbrauchs. Der Porsche Taycan liegt zwar deutlich besser als der Audi e-tron, aber nicht so gut wie das sehr effiziente Model 3. Und der Ioniq 5 ist mit fast 20 Kilometer pro Minute unangefochtener Spitzenreiter dieses Vergleichs:

  • Audi e-tron: 12,4 km/min
  • Hyundai Ioniq 5: 19,9 km/min
  • Porsche Taycan 4S (93,4 kWh): 14,0 km/min
  • Tesla Model 3 LR von 2021 (V3 SC): 14,9 km/min
  • Tesla Model 3 LR von 2019 (V3 SC): 15,6 km/min
  • Tesla Model 3 LR von 2020 (CCS2): 16,6 km/min

Bei niedrigen Ladeständen lädt das Model 3 am Supercharger V3 besonders schnell Reichweite nach; der Ioniq 5 dominiert ab einem Ladestand von 40 Prozent. Beim Vergleich der Kurven zeigt sich jedoch die Überlegenheit des Hyundai nicht so deutlich wie in den Durchschnittswerten:

porsche taycan: beim reichweite-nachladen schlechter als ioniq 5

Fazit

Dass die maximale Ladeleistung des Porsche Taycan hoch ist, das war zu erwarten. Und wir wussten auch, dass der hohe Stromverbrauch des Taycan ein Nachteil beim Reichweite-Nachladen ist – darauf hat Lucid bei seinem Vergleich mit dem Air hingewiesen.

Doch die übrigen Ergebnisse der Schnelllade-Analyse haben uns überrascht. So verblüfft, dass Porsche beim Reichweite-Nachladen so deutlich gegen den Hyundai verliert. Das liegt nicht nur am Stromverbrauch, denn auch die durchschnittliche Ladeleistung ist beim Ioniq 5 deutlich höher.

Was die Ladekurve angeht, so wäre es angebracht, wenn Porsche im mittleren Bereich des typischen Ladebereichs nachbessern würde. Ohne Verbesserungen wird sich bald herumsprechen, dass der Porsche Taycan beim Schnellladen dem deutlich günstigeren Hyundai Ioniq 5 unterlegen ist – und wohl auch Kia EV6, der die gleiche Technik hat.

Anmerkung: Im Vergleich zum Originaltext von Mark Kane wurden einige Daten und Rechenwege genauer erklärt. Außerdem haben wir einige Tabellen und Diagramme sowie die Daten zum Reichweite-Nachladen auf Basis der US-amerikanischen EPA-Reichweite weggelassen. Und schließlich werten wir manche Ergebnisse etwas anders als unser US-Kollege.

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