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Nio: Unter Wert verkauft

Automatisiertes und elektrisches Fahren Nio: Unter Wert verkauft

Der chinesische Autohersteller Nio eröffnet ein weiteres Entwicklungszentrum bei Berlin. Dort geht es um automatisierte Fahrfunktionen. Mit dem Long Range Lidar im Sensor-Set könnten die E-Autos bereits im Level 3 unterwegs sein. Doch Nio gibt sich zurückhaltend und betreibt Understatement. Dabei wären höhere Absatzzahlen dringend notwendig.

nio: unter wert verkauft

Nio demonstrierte seine Fortschritte beim automatisierten Fahren auf der Dekra-Teststrecke am Lausitzring. (Bild: Dirk Kunde)

Bereits Ende April werden in China die ersten 150-kWh-Batterien in Nio-Tauschstationen platziert, kündigt William Li, CEO des Automobilherstellers in einem Videogespräch an. Damit könne man die Reichweiten-Marke von 1.000 km knacken. Zumindest mit dem kleinsten Modell, dem Nio ET 5 sollte das funktionieren. Wann die Batterien nach Europa kommen, wurde nicht thematisiert. Es ist jedoch egal, denn die deutsche Bürokratie verhindert wieder mal technische Innovation.

Am Rande der Eröffnung des Nio-Smart Driving Technology Centers in Berlin-Schönefeld wurde klar, dass ein wesentlicher Vorteil des Batterietausches in Deutschland entfällt. Die E-Autos werden aktuell mit einer Batteriemiete für die Standard Range-Variante (75 kWh) und die Long Range-Version (100 kWh) angeboten. Wer die monatlich 289 Euro für die große Batterie nicht zahlen mag, entscheidet sich für die Kleinere (169 pro Monat). Hierbei sind zwei Tauschvorgänge enthalten, bezahlt wird nur die nachgeladene Energie. In der Berichterstattung über Nio wurde stets herausgestellt, dass man sich für den Urlaub oder längere Geschäftsfahrten stunden- bzw. tageweise die größere Batterie einsetzen lassen kann. Dem ist in Deutschland nicht so. Im Fahrzeugschein sind das Gewicht als auch die Batteriekapazität des E-Autos eingetragen. Beides würde sich beim Batteriewechsel ändern. Damit wäre das amtliche Dokument fehlerhaft. Das darf nicht sein. Somit entfällt in Deutschland ein Batterietausch mit unterschiedlichen Speicherkapazitäten.

Nio zeigt Sicherheitsfunktionen auf Basis von Lidar nio: unter wert verkauft nio: unter wert verkauft nio: unter wert verkauft nio: unter wert verkauft

14 aktive Wechselstationen

Auch beim Aufbau der neuartigen Wechselstationen bekommt Nio die Schwerfälligkeit deutscher Bürokratie zu spüren. Neben den typischen Schwierigkeiten, die auch andere Ladepark-Betreiber kennen, kommt hinzu, dass Bauämter eine Batteriewechselstation in keine der bislang bekannten Gebäudekategorien einsortieren kann. Aktuell sind 14 Wechselstationen aktiv und vier weitere in Bauvorbereitung. Mit acht Wechselstationen in den deutlich kleineren Niederlanden ist Nio deutlich weiter. In Deutschland sind bislang vor allem in West- und Süddeutschland Stationen aktiv. Der nördlichste Standort befindet sich in Großburgwedel bei Hannover. Das Unternehmen richtet sich beim Aufbau nach den Wohnorten seiner Kunden.

Unveränderte Marketing-Strategie

Insgesamt läuft der Absatz seit dem Deutschland-Start im Herbst 2022 stockend. Im Jahr 2023 verzeichnete das Kraftfahrtbundesamt rund 1.300 Zulassungen. Im ersten Quartal 2024 waren es gerade mal 102 Stromer. In Nutzerforen wird berichtet, dass es in Dänemark so schwach läuft, dass Kunden und Interessenten von Schweden aus betreut werden. Dabei haben die Kunden in Europa bereits die Wahl zwischen sechs Modellen in der Mittel- und Oberklasse. Beim Marketing will Hui Zhang aber nichts verändern. Der Nio Group Vice President setzt auf Mundpropaganda bestehender Kunden sowie die Außenwirkung der Wechselstationen sowie der Nio Houses in den Innenstädten von Berlin, Düsseldorf und Frankfurt. „Es dauert Zeit eine Marke aufzubauen und Vertrauen zu etablieren“, erklärte Zhang im Gespräch mit Next-Mobility bei der Einweihung des Driving Technology Centers in Berlin-Schönefeld. Das ist bereits das fünfte Entwicklungszentrum des Herstellers in Europa. Im Herbst 2023 eröffnete Nio ein Software-Center in Berlin-Friedrichshain. Bei der Niederlassung in Flughafennähe konzentrieren sich rund 25 Ingenieure auf automatisierte Fahrfunktionen für Europa. Geleitet wird es von Mirko Reuter, dem Entwicklungsdirektor für automatisierte Fahrfunktionen bei Nio. Für den Standort habe man sich entschieden, weil Brandburg inzwischen ein Automotive Cluster sei. Tesla wird als Haupttreiber dieser Entwicklung bei der Eröffnungsveranstaltung namentlich nicht erwähnt. Zhang zählt dagegen Zulieferer, Universitäten, Fachkräfte sowie die Nähe zum Lausitzring als Vorteile auf.

Lidar-Sensor von Seyond

Innerhalb einer Fahrstunde sind die Ingenieure auf der Teststrecke, die von der Dekra derzeit zum ADAS-Testzentrum ausgebaut wird. Hier präsentiert der chinesische Autobauer seine Fortschritte beim automatisierten Fahren. An diesem Tag stehen der überarbeitete Parkassistent sowie eine Notbremsung bei Regen auf dem Programm. Zwar sind derzeit noch alle Assistenzfunktionen in den Nio-Modellen Level 2, dabei könnte die Hardware längst mehr. Der eigenentwickelte Computer namens Adam ist mit vier Nvidia Orin Chips auf Redundanz ausgelegt. Im Zusammenspiel mit dem ADAS-System Aquila verarbeitet der Computer Daten mit einer Bandbreite von 32 GB pro Sekunde. In der aktuellen Plattform NT 2.0 verfügen die Fahrzeuge über 33 Sensoren, darunter ein Ultra-Long-Range-Lidar mit einer Wellenlänge von 1.550 nm. Zu dem Termin hat Nio Dr. Junwei Bao eingeladen. Er ist Gründer und CEO von Seyond (See Beyond). Das Unternehmen wurde 2016 in Sunnyvale, Kalifornien gegründet. Seyond ist Lieferant von Falcon K, so heißt der Lidar-Sensor, dessen Punktewolke bis zu 400 Meter weit Objekte erkennt. „Bis zu 100 Meter erkennen wir auch kleinere Teile auf der Fahrbahn“, sagt Bao. Mit dem so genannten Watchtower oberhalb der Windschutzscheibe hat Nio eine gute Position für seien optische Sensoren gewählt. Zwar erfassen die Wischblätter den Lidar nicht, doch bläst der Fahrtwind Tropfen von der Oberfläche. Welche zusätzliche Sicherheit der Lidar-Sensor bietet, zeigt der Hersteller in einem Versuch auf der Rennstrecke. Ein Dekra-Fahrzeug fährt mit Beregnungsanlage vorweg. Bei Tempo 50 km/h weicht es kurz vor einem Stauende aus. Der Lidar-Sensor erkennt das stehende Fahrzeug und löst rechtzeitig eine Notbremsung aus. Der ET 5 kommt vor dem Dummy-Fahrzeug zum Stopp.

Stand vom 15.04.2021

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„Hören auf unsere Kunden“

Der Lidar-Sensor bietet einen großen Sicherheitsvorteil. Außerdem hätte Nio mit dieser Hardware-Konfiguration einer der ersten Hersteller mit Level-3-Fahrfunktionen in Deutschland sein können. Auf die Frage, warum man hier so zurückhaltend ist und wann mit derartigen Assistenzfunktionen zu rechnen ist, gibt sich Hui Zhang unkonkret. „Wir können kein Datum nennen. Wir sind ein User Centric Unternehmen, hören auf unsere Kunden. Das wurde bisher nicht gefordert“, so Zhang. Die Aussage überrascht, denn wie sollen Kunden eine Assistenzfunktion fordern, die sie bislang noch nicht erlebt haben?

Nio hört also sehr genau auf das Feedback in der Nio-App. Viele Kundenwünschen werden bei Aktualisierungen berücksichtigt. „Wir streben pro Quartal mindesten ein OTA-Update an“, betonte Entwicklungschef Reuter. In den letzten zwölf Monaten waren es sogar zehn Updates mit insgesamt 768 Verbesserungen. Als jüngste Beispiele für das Betriebssystem Banyon nennt Reuter den Blind Spot View. Im zentralen Bildschirm sieht der Fahrer das Kamerabild des toten Winkels. Das verleiht ein sicheres Gefühl bei Spurwechseln auf der Autobahn als auch beim Rechtsabbiegen in der Stadt. Eine vorausschauende Geschwindigkeitskontrolle passt das Tempo auf kurvigen Landstraßen noch genauer an die Straßensituation an. Vom verbesserten Parkassistenten dürfen sich die Teilnehmer am Lausitzring selbst überzeugen. Per Sprachbefehl sagt man Nomi, dass man auf der Suche nach einem Parkplatz ist. Das System erkennt beim langsamen Vorbeifahren verfügbare Parklücken parallel oder quer zur Fahrtrichtung. Freie Parkplätze werden auf dem Bildschirm mit Nummern markiert. Der Fahrer tippt seinen Wunschparkplatz an, das Auto setzt erstaunlich zügig und sicher in die Lücke. Leider funktioniert bei der Auswahl des Parkplatzes als auch beim Ausparken die Sprachassistentin Nomi nicht. Ein kommendes Update im April bringt Chat GPT-Funktionen in die Sprachassistenz.

Lidar auch bei den Wechselstationen

Nio setzt bei seinen E-Autos auf eine Flat-Architektur, bei der fünf Domain Controller für Bereiche wie Powertrain, Infotainment und ADAS verantwortlich sind. Somit verfolgen sie bereits die Idee des Software Defined Vehicle. Was die aktuellen ADAS-Systeme bereits können, zeigt Nio mit NOP+ im Heimatmarkt. Das Akronym steht für Navigate on Pilot. Damit navigieren die E-Autos selbstständig über chaotische Straßenkreuzungen in China, auf denen Fahrbahnmarkierungen fehlen und zahllose Roller- und Radfahrer an den Autos vorbeiziehen. Der Stadtverkehr in chinesischen Metropolen ist um ein Vielfaches unübersichtlicher als hierzulande. Nio-Fahrzeuge haben mit NOP+ bereits über 500 Millionen Kilometer absolviert. Wann es nach Europa kommt? Auch hier gibt es keinen verlässlichen Termin. Nur so tief lässt Zhang blicken: Der 2025 kommende Nio ET 9 bekommt zwei weitere Lidar-Sensoren. Das Luxus-Coupé erhält von Seyond auf beiden Seiten einen Robin W-Sensor. Mit diesem weitwinkeligen Lidar entsteht eine 360 Grad-Punktewolke. Das ermöglicht noch präzisere autonome Fahrfunktionen. Auch die Dachkanten der Batteriewechselstationen der dritten Generation sind mit Robin W ausgestattet. „Das hilft uns bei der Positionierung und automatisierten Einfahrt der Autos in die Station“, sagt Reuter. Das Innovations- und Investitionstempo bei Nio ist beeindruckend. Jetzt muss es das Unternehmen nur noch schaffen, die Vorteile seinen potenziellen Kunden näher zu bringen.  (se)

* Dirk Kunde ist freier Journalist und schreibt als Elektromobilitäts-Experte u.a. für Next Mobility.

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