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Neuwagenpreise entsprechen heute 80% des Jahreseinkommens: Warum Autos immer teurer werden

neuwagenpreise entsprechen heute 80% des jahreseinkommens: warum autos immer teurer werden

Ein beliebter Pkw ist der Golf, der auch teurer geworden ist.

  • Knapp die Hälfte der Pkw-Halter hat Angst, sich bald kein Auto mehr leisten zu können
  • Die Autobauer schrauben die Neuwagenpreise in immer neue Höhen
  • Der Preis für den neuen Golf hat sich fast verdoppelt
  • Gibt es Gründe für die hohen Autopreise?
  • ADAC fordert Mäßigung bei der Preispolitik

Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig: Mitten in der Krise erhöht Volkswagen in Deutschland die Preise für seine Neuwagen mit Verbrennermotor. Die Listenpreise zahlreicher Modelle stiegen zum 12. September 2024. Die Bestseller Golf und Tiguan sind um rund 1.150 Euro bzw. 1.100 Euro teurer, das meldet die Fachzeitschrift Kfz-Betrieb. Die Neuwagenpreise sind offenbar im Höhenrausch. Käufer müssen heute einen deutlich höheren Anteil ihres Jahresnettoeinkommens in einen fabrikneuen Pkw investieren. Das zeigt der Report 2024 der Deutschen Automobil Treuhand (DAT). Wir haben uns den Report und die Preisentwicklung bei den Neuwagen genauer angeschaut.

Knapp die Hälfte der Pkw-Halter hat Angst, sich bald kein Auto mehr leisten zu können

Neuwagenpreise entsprechen heute 80 % des Jahresnettoeinkommens eines durchschnittlichen Haushalts. Damit ist der Anteil, den Neuwagenkäufer aufwenden müssen, mehr als doppelt so hoch wie noch vor 50 Jahren. Damals lag er noch bei unter 40 %. Über einen Zeitraum von gut 30 Jahren hinweg betrug dieser Korridor etwa 60 %. Ein Mithalten des Einkommens mit den gestiegenen Neupreisen war laut DAT-Report 2024 danach nicht mehr möglich. Hier die exakten Zahlen zum Verhältnis des durchschnittlichen Nettoeinkommens zum Pkw-Anschaffungspreis:

  • Jahr 1974
  • Durchschnittliches Jahreseinkommen: 13.928 Euro
  • Kaufpreis Neuwagen: 5.320 Euro
  • Entspricht 38 % des Jahreseinkommens

 

  • Jahr 2023
  • Durchschnittliches Jahreseinkommen: 55.632 Euro
  • Kaufpreis Neuwagen: 44.630 Euro
  • Entspricht 80 % des Jahreseinkommens

Kredite und Leasingmöglichkeiten spielen deshalb eine zunehmend wichtigere Rolle beim Neuwagenkauf. Aber die Verunsicherung ist groß: Knapp die Hälfte der Pkw-Halter hat Angst, sich bald kein Auto mehr leisten zu können. Gründe dafür sind Unsicherheiten (Kriege), die wirtschaftliche Rezession und nicht zuletzt die hohen Anschaffungskosten.

Die Autobauer schrauben die Neuwagenpreise in immer neue Höhen

Dass Autohersteller regelmäßig ihre Preise erhöhen, ist für den ADAC kein neues Phänomen. Auch er fragt, warum die Neuwagen immer teurer werden und ob das wirklich sein muss. Aus den ehemals ein bis zwei Preisrunden im Jahr seien jetzt “Erhöhungen im Quartalsrhythmus” geworden. Die Autopreise steigen schneller als die Inflation, erweisen sich sogar als Inflationstreiber, so die Einschätzung des Automobilclubs.

Vor allem die früher günstigen Kleinstwagen haben sich beim Neuwagenpreis dramatisch verändert. Zwischen 2017 und 2023 sind ihre Preise im Schnitt um 55 % gestiegen. Ähnlich ist die Preisentwicklung bei den Kleinwagen, sie legten um 35 % zu. Unter den fünf preiswertesten Modellen auf dem Markt (Dacia, Mitsubishi, Citroën, Fiat, Mazda) befindet sich kein deutscher Automobilhersteller. An fünf ausgewählten und beliebten Modellen rechnet der ADAC den Preisanstieg in den Jahren 2019 und 2023 vor:

  • VW Golf 1.5 TSI ACT Life
  • Grundpreis 2019: 27.510 Euro
  • Grundpreis 2023: 31.145 Euro
  • Steigerung: 13,2 %

 

  • Audi Q2 35 TFSI
  • Grundpreis 2019: 26.050 Euro
  • Grundpreis 2023: 30.100 Euro
  • Steigerung: 15,5 %
  • BMW 116i
  • Grundpreis 2019: 25.150 Euro
  • Grundpreis 2023: 30.850 Euro
  • Steigerung: 22,7 %

 

  • Opel Corsa 1.2 DI Turbo Edition
  • Grundpreis 2019: 17.530 Euro
  • Grundpreis 2023: 20.160 Euro
  • Steigerung: 15,0 %

 

  • Toyota Yaris 1.0 Comfort
  • Grundpreis 2019: 16.040 Euro
  • Grundpreis 2023: 20.050 Euro
  • Steigerung: 25,0 %

Der Preis für den neuen Golf hat sich fast verdoppelt

Die Website motor1.com weitet den Blick und schaut auf die Preisentwicklung des Klassikers von Volkswagen, den Golf (Basisversion), und zwar in den letzten 20 Jahren. 15.915 Euro kostete der Golf 5 im Jahr 2004 in der Basisversion. Zehn Jahre später, also 2014, kostete der Golf 7 schon 18.225 Euro. Und noch einmal zehn Jahre später, 2024, mussten Kunden dem Händler für einen Golf 8 in der Basisversion nach dem 12. September (Zeitpunkt der letzten Preiserhöhung) 28.330 Euro überweisen. Die Entwicklung in den letzten 20 Jahren im Überblick:

2004: 15.915 Euro (Golf 5)

2014: 18.225 Euro (Golf 7)

2024: 28.330 Euro (Golf 8)

Insgesamt ist der Golf heute um 78 % teurer gegenüber 2004. Und um rund 55 % gegenüber 2014. Wer heute einen Golf der Einstiegsversion kauft, muss also fast doppelt so viel bezahlen wie vor 20 Jahren. Dafür sorgt natürlich die jährliche Inflation. Aber damit allein lassen sich die gewaltigen Kostensprünge nicht erklären.

Gibt es Gründe für die hohen Autopreise?

Als Grund für die Preissteigerungen wird häufig der Chipmangel genannt. Dieser habe zu stark gestiegenen Einkaufspreisen geführt. Die ständig wachsende Zahl der verbauten Chips führt zusätzlich zu höheren Herstellungskosten. Außerdem haben die weltweiten Krisen (Ukraine-Krieg, Nahost-Krise) die Lieferketten und die Transportwege (Suezkanal, höhere Frachtpreise) durcheinandergebracht. Die Personalkosten sind auch gestiegen. Als Folge ergeben sich höhere Kosten für die Autohersteller. Doch lassen sich damit die Neuwagenpreise erklären?

Einige Hersteller bieten die günstigen Modellvarianten – also solche mit wenig Ausstattung und “schwachen” Motorisierungen – nicht mehr an. Stattdessen konzentriert sich insbesondere die deutsche Automobilindustrie auf die gewinnbringenden Versionen und Modelle. “Kunden, die mit weniger Auto zufrieden wären, finden so keine Angebote mehr”, formuliert der ADAC sein Fazit aus dieser Tendenz.

Die Hersteller argumentieren, dass Neuwagen, die heute auf die Straßen kommen, unvergleichbar sind mit den Modellen von vor 20 Jahren. Vor allem bei der Fahrsicherheit: Früher gab es nur Kopfstützen und Sicherheitsgurte. Heute sind teure Antiblockiersysteme (ABS), Airbags und elektronische Stabilitätsprogramme (ESP) Pflicht. Bei anderen Assistenzsystemen wie dem Notbremsassistenten, dem Notfall-Spurhalteassistenten, der Müdigkeitserkennung, dem intelligenten Geschwindigkeitsassistenten (ISA), Rückfahrassistenten, Notbremslicht und dem Unfalldatenspeicher (Blackbox) ist der Einbau möglich, kostet aber extra. Klar: Der Sicherheitsgewinn lässt die Autopreise steigen. Fragt sich nur, ob das die rasanten Steigerungen hinreichend begründet.

ADAC fordert Mäßigung bei der Preispolitik

Der ADAC betrachtet die exorbitant gestiegenen Neuwagenpreise “mit Sorge” und drängt die Autoindustrie dazu, eine “moderate Preispolitik” zu verfolgen. “Auf der einen Seite staatliche Unterstützung zu erhalten (Innovationsprämie), auf der anderen aber Rekordgewinne einzufahren, Basismodelle zu streichen und durch immer neue Preisrunden keine bezahlbaren Produkte mehr anzubieten, passt nicht zusammen. Mobilität darf nicht zum Privileg für Besserverdienende werden”, so die Argumentation des Automobilclubs.

Und was kannst du als Käufer tun, um den hohen Preisen zu entgehen? Auf den Gebrauchtwagenmarkt auszuweichen, ist nur bedingt eine gute Idee. Auch hier haben die Preise im letzten Jahr erheblich angezogen. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Neuwagenkauf aufzuschieben und das alte Auto weiterzufahren. Aber ob der Markt sich beruhigt, ist ungewiss.

Der ADAC empfiehlt, Kompromisse einzugehen. Eine andere Marke, schwächerer Motor, Zugeständnisse bei der Ausstattung oder Farbe machen sich im Preis bemerkbar. Vorführwagen, Online-Händler oder Reimporte mit günstigeren Konditionen zu wählen, senkt ebenfalls den Preis. Der DAT-Report hat ermittelt, dass über 90 % der privaten Neuwagenkäufer einen Nachlass erhalten. Ein Rabatt beim Händler ist üblich, viele zahlen einen rabattierten Hauspreis oder bekommen kostenfreie Zusatzleistungen.

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