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Eigentlich Schrott, aber wieso sind diese Autos Millionen wert?

eigentlich schrott, aber wieso sind diese autos millionen wert?

Von diesem Schmuckstück wurden nur 29 Stück gebaut: Mercedes 300 SL “Alloy” Goldwing aus 1956 in Alu

In Los Angeles kommt vielleicht exklusivste Autosammlungen aller Zeiten unter den Hammer. Dutzende nahezu schrottreife Autos werden um Millionen Dollar versteigert – Interessenten stehen Schlange. Die Geschichte dahinter ist filmreif.

Jahrzehntelang galt die Autosammlung des deutschen Amerika-Auswanderers Rudi Klein als das Eldorado der Oldtimer-Freaks: Jeder wusste davon, aber gesehen hatte sie keiner. Jetzt werden die größten Schätze aus der Kollektion in Los Angeles versteigert – und sollen mindestens 20 Millionen Dollar bringen. Das irre dabei: Die meisten der Autos sind nahezu Schrott, kaum eines ist auch nur annähernd fahrbereit. Trotzdem sind Auto-Enthusiasten auf der ganzen Welt wegen der Auktion im Ausnahmezustand.

Eine Auktion, wie sie die Oldtimer-Welt noch nicht erlebt hat Denn was da am Samstag, dem 26. Oktober in Los Angeles unter den Hammer kommt, sind einige der seltensten und wertvollsten Autos der Welt. Zusammengetragen hat sie der bereits 2001 verstorbene gebürtige Hesse Rudi Klein, der in den 1950ern nach Nordamerika auswanderte und ab den 1960er-Jahren in einer finsteren Gegend von Los Angeles einen Schrottplatz für verunfallte europäische Luxuskarossen betrieb.

Preziosen zusammengekauft Mit der Zeit kaufte Rudi Klein auch das eine oder andere Auto für seine eigene Sammlung zusammen, ließ diese aber zwischen seinen Schrottkarren verstauben.  Dennoch bewies er dabei ein Gespür für Preziosen. Viele Schlitten, die seinerzeit keiner haben wollte, stellen heute Millionenwerte dar. Was Sie über die schrägste Automobil-Auktion aller Zeiten wissen müssen:

Konkret, worum geht es hier eigentlich?

Um eine Automobilauktion, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. Zur Versteigerung kommen fast ausschließlich völlig herunter gerittene, vielfach komplett zerstörte Karossen, die dennoch viele Millionen Dollar einbringen sollen. Denn die meisten der Fahrzeuge, die da ausgerufen werden, gehören zu den seltensten Automobilen der Welt. Und dafür zahlen Sammler und Enthusiasten gerne viel Geld.

Von welchen Autos ist da die Rede?

Die wertvollsten Exemplare, die versteigert werden, sind ein seltener Mercedes-Flügeltürer aus dem Jahr 1956 sowie ein Mercedes-Benz 500 K Spezialcoupé, eine Einzelanfertigung, die 1935 für den Rennfahrer Rudolf Caracciola aufgebaut wurde. Beide Fahrzeuge werden auf einen Wert von jeweils etwa 4 bis 6 Millionen Dollar geschätzt.

Weshalb sind diese beiden Autos gar so viel wert?

Der legendäre Flügeltürer ist eines von insgesamt nur 29 Exemplaren, die seinerzeit eine reine Aluminium-Karosserie erhalten haben und somit um gute 80 Kilo leichter waren als die “herkömmliche” Version mit einer Stahlblech-Karosserie. Und – es ist das einzige dieser Leichtbau-Modelle, das nicht im serienmäßigen Silbergrau ausgeliefert wurde, sondern in Schwarz.

Und der zweite Mercedes?

Das war eine einmalige Sonderanfertigung für den deutschen Rennfahrer Rudolf Caracciola. Der war in den 1930er-Jahren einer der größten Stars in diesem Sport, vergleichbar mit modernen Legenden wie Ayrton Senna oder Michael Schumacher. Caracciola stellte zahlreiche Rekorde mit Mercedes-Rennwagen auf und wurde drei Mal Europameister (vergleichbar der heutigen Formel-1-WM).

Als Dank für seine Leistungen, baute Mercedes Caracciola dieses einmalige Coupé mit seinem 8-Zylinder-Kompressormotor, der ewig langen Motorhaube  und der hohen, an die Körperfülle von Caracciola angepassten Dachlinie. Der Sammler Rudi Klein erwarb diesen Wagen 1979, fuhr ihn einige Monate und stellte ihn dann auf seinem Schrottplatz ab – wo er nun auf einen neuen Besitzer wartet.

Gibt es noch weitere Highlights?

Sogar sehr viele. Etwa einen Horch 855 Special Roadster aus dem Jahr 1939, der letzte seiner Art, der auf 3 bis 4 Millionen Dollar geschätzt wird. Dieses Auto ist eines von nur insgesamt drei Exemplaren, die fahrbereit sind. Rudi Klein verlieh sie in den frühen 1990ern an das Werksmuseum von Audi – mit der Auflage, dass diese auf Audi-Kosten fachmännisch restauriert werden. Sie wurden erst kurz vor der Auktion wieder in die USA gebracht.

Welche Schätze warten noch auf Käufer?

Vor allem deutsche Vorkriegsware: Ein 1933er Horch Sport Cabrio (Schätzwert 90.000 bis 120.000 Dollar), ein Mercedes-Benz 370 S Sport Cabrio von 1931 (100.000 bis 150.000 Dollar), zwei Maybach SW 38 Cabrios von 1936 bzw. 1938 (50.000 bis 75.000 Dollar bzw. 150.000 bis 200.000 Dollar) und ein Horch 853 Cabrio von 1937 (200.000 bis 300.000 Dollar) – das ist ebenfalls einer der Wägen, die bereits restauriert wurden. Alle anderen Fahrzeuge müssen erst wieder in einen fahrbereiten Zustand gebracht werden.

Gibt es auch jüngere Autos zu ersteigern?

Ja, zum Beispiel diverse Porsche-Modelle, von denen drei besonders interessant sind. Ein 356 B Cabrio von 1963 mit einer Karosserie von Reutter (Schätzwert 100.000 bis 150.000 Dollar), ein 356 B 1600 Roadster von D’leteren aus 1962 (350.000 bis 550.000 Dollar) und ein 356 A Carrera 1500 Coupé von Reutter aus 1959 (450.000 bis 600.000 Dollar). Dann ein BMW 503 Cabrio aus 1957 (75.000 bis 100.000 Dollar) und ein Mercedes-Benz 300 SL Roadster aus 1957 (700.000 bis 1 Million Dollar).

Und für die Fans italienischer Autobauer?

Gibt es fünf ganz besondere Dolci. Zwei Iso Grifo  – einmal eine Serie 1 aus 1966 (Schätzwert 125.000 bis 175.000 Euro) und ein Spider Prototyp von Bertone aus 1964 (700.000 bis 1 Million Dollar). Und dann gleich drei Lamborghini Miura. Der Miura gilt unter Enthusiasten als das schönste Modell der Autoschmiede aus Sant’ Agata, von dem nur 474 Stück gebaut wurden. Drei davon, in unterschiedlichen Erhaltungszuständen, sind hier zu haben. Sie werden auf einen Wert zwischen 350.000 und 700.000 Dollar geschätzt – pro Stück.

Wer kauft so etwas? Und vor allem – um so viel Geld?

Auto-Enthusiasten auf der ganzen Welt. Denn das, worum es hier primär geht, sind die Insignien der Originalität. Und das sind Fahrgestell- und Motorennummern. Alles andere kann man reparieren, restaurieren oder, wenn nötig ersetzen. Aber die Basis eines neu aufgebauten Veteranen muss immer Original sein, sonst gilt es nichts in der Community – und ist vor allem den hohen Mitteleinsatz zur Restaurierung nicht wert. Denn bei den meisten der hier gezeigten Autos wird alleine die Reparaturrechnung siebenstellig.

Wem gehören die Autos eigentlich?

Die Autos gehörten alle dem Exil-Deutschen Rudi Klein. Er wurde in den 1930er-Jahren in Rüsselsheim in Hessen (die Heimat der Automarke Opel) geboren und emigrierte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit 18 Jahren nach Nordamerika. Zuerst nach Kanada, weil die Einreisebestimmungen einfacher waren, später ging er nach Los Angeles.

Um da Autos zu sammeln?

Nein. In Kanada lernte Rudi Klein zunächst das Fleischerhandwerk. Doch später in Los Angeles kam ihm die Idee, dass mit dem Handel mit Autos mehr zu verdienen sein müsste. Denn in der Stadt waren Luxusautos aus Europa ein wichtiges Statussymbol, vor allem bei den tausenden “Reichen und Schönen” in Hollywood. Also begann Klein Mitte der 1960er-Jahre in einem Gewerbegebiet in der Nähe des Flughafens, ein Geschäft mit Unfallautos und Gebrauchtteilen aufzuziehen, ausschließlich von europäischen Luxusmarken.

Wo fand Rudi Klein diese Autos?

Bei Schrotthändlern in der ganzen Stadt. Er war in der Autoszene von L. A. bald bekannt wie ein bunter Hund und wurde automatisch verständigt, wenn sich ein junger Schauspieler in seinem Porsche überschlagen hatte oder eine alternde Filmdiva ihren Vorkriegs-Benz gegen etwas Schickeres eintauschen wollte. Und Klein kaufte alles, denn sein Schrottplatz war riesig und bot Platz ohne Ende.

Was machte der Händler mit den Unfallautos?

Die meisten schlachtete er aus sortierte die Teile nach einem System, das nur er selbst verstand. Elektronische Lagerhaltung war seinerzeit noch ein Fremdwort, also wurde alles, was noch halbwegs brauchbar erschien, an einem Fleck gestapelt: Sitze, Spiegel, Felgen, Lenkräder, Türen, Autoradios und Kennzeichen. Und natürlich Motoren und weitere Technikteile. Die solcherart “entkernten” Fahrzeuge wurden dann auf dem gesamten Gelände auf industriellen Hochregalen gestapelt.

Verschrottet wurde nichts?

Nein, dagegen hatte Klein offenbar eine Aversion. Er bewahrte alles auf. Was er wiederkaufen konnte – super. Was nicht, blieb liegen.

Wie viele Autos befinden sich insgesamt auf dem Gelände?

Das ist schwierig zu beantworten, weil viele Autos nur mehr in Teilen vorhanden sind. Aber aus den Geschäftsbüchern von Rudi Klein geht hervor, dass im Laufe der 35 Jahre, die er in diesem Business tätig gewesen ist, an die 7.000 Luxusautos durch seine Hände gingen. So sollen mehr als 200 Porsche 356, gut 50 Mercedes SL und mehr als ein Dutzend Mercedes 600 auf dem Schrottplatz gelandet sein. Heute soll es insgesamt noch etwa 200 Autos auf dem weitläufigen Gelände geben.

Wurde der Schrotthändler mit seinem Geschäft reich?

Offensichtlich. Denn er begann, zusätzlich in Immobilien zu investieren. Als Rudi Klein im Jahr 2001, kurz nach 9/11, starb, lebte er mit seiner Frau und zwei Söhnen in einer Villa am Pazifik, im Nobelvorort Palos Verdes.

Weshalb betreibt seine Familie das Business nicht weiter?

Rudi Kleins Frau ist ebenfalls bereits vor längerer Zeit verstorben und die beiden Söhne haben keinerlei Bindung zur Autosammlung ihres Vaters, sie leben offenbar von der Verwaltung der Immobilien. Deshalb wandten sie sich an das Auktionshaus Sotheby’s.

Und Sotheby’s hat sofort zugesagt?

Vermutlich, denn die Auto-Experten des Auktionshauses trauten ihren Augen kaum, was sie da alles auf dem Firmenglände entdeckten.

Wieso entdeckten, wusste denn keiner, was es da alles gab?

Nein, und das macht die Sache ja so spannend für die gesamte Autosammler-Welt. Denn Rudi Klein ließ so gut wie nie jemanden auf sein Firmengelände, und seine Söhne waren genauso gestrickt. Nach dem Tod des Patriarchen fiel das gesamte Gelände dann in einen Dornröschenschlaf, bis schließlich die Leute von Sotheby’s auftauchten.

Wie darf man sich das vorstellen?

Nun, ein knappes Dutzend Mitarbeiter brauchte zunächst einmal drei Wochen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Schließlich wurden die spannendsten Posten für eine Auktion zusammengetragen. So gelangen am 26. Oktober nun insgesamt 67 Autos bzw. Auto-Überreste zur Versteigerung. Außerdem 92 Motoren sowie diverse weitere Teile wie Kofferraumdeckel, Kotflügel, Armaturen oder Lenkräder. Insgesamt gelangen 208 Lose zur Auktion.

Wie wird die Auktion ablaufen?

Start ist um 10 Uhr Ortszeit, also 19 Uhr europäischer Zeit. Bereits vorher dürfen alle angemeldeten Interessenten das Gelände besichtigen – alleine das ist für viele Autonarren ein einzigartiges Abenteuer, denn Rudi Klein ließ ja niemals irgendwelche Fremden auf sein Grundstück. Bei der Auktion selbst sind keine Mindestpreise festgesetzt, was das Interesse wohl nochmals erhöhen wird. Da die Auktion auch live im Internet übertragen wird, können online Interessenten aus aller Welt mit steigern.

Wo wird die Auktion im Web übertragen?

Unter rmsothebys.com/auctions. Auch sämtliche Lose sind hier zu sehen und auch genau beschrieben.

Welcher Erlös wird von der Auktion erwartet?

Die Experten des Auktionshauses halten sich sehr bedeckt, was wohl damit zu tun hat, dass es mit Auktionen dieser Art kaum Erfahrungen gibt. Aber man geht davon aus, dass die Versteigerung mindestens 20 Millionen Dollar erlösen wird.

Was passiert mit all den anderen Schrottautos und Autoteilen?

Schwierig zu sagen, denn die Söhne von Rudi Klein halten sich auch dazu sehr bedeckt. Ob sie alles, was nicht bei der Auktion verkauft werden kann, weiterhin behalten und so das “Wunderland” ihres Vaters zumindest in Teilen am Leben erhalten, oder ob die Reste nun wirklich verschrottet werden, bleibt abzuwarten. Wobei: Schade wäre es allemal um die unzähligen Karosserien. Sie bilden ein einmaliges Stillleben und sind ein Fenster in eine andere, längst vergangene Welt. Auch als Erinnerung an eine Zeit, als Autofahren noch ungleich viel mehr auch mit Stil und Geschmack zu tun hatte, als es heute der Fall ist.

“The Junkyard: The Rudi Klein Collection”, Los Angeles, 26. Oktober 2024, ab 10 Uhr Ortszeit (19 Uhr MEZ), rmsothebys.com

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