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Mittwoch Special: Audi Q6 e-tron – ist das endlich wieder „Vorsprung durch Technik“?

mittwoch special: audi q6 e-tron – ist das endlich wieder „vorsprung durch technik“?

Audi Q6 e-tron: der erste Audi auf Basis der neuen PPE-800-Volt-Architektur.

Lange Zeit hielt der Claim, „Vorsprung durch Technik“, was er versprach. Audis Vorsprung wurde in den 80er, 90er und 2000er-Jahren schön durch die Werbung dokumentiert. Der Spot mit der Skischanze ist sogar in den Annalen der tollsten Werbespots aller Zeiten eingegangen. In letzter Zeit aber scheint der Claim zum bloßen „Spruch“ verkommen zu sein. Audis Eintritt in die Elektromobilität war früh, der Ur-e-tron aber war definitiv kein Effizienzwunder. Das Auto war schwer, verbrauchte selbst bei Streichel-Gasfuss weit über 20 kWh auf 100 Kilometer und lieferte Reichweiten ab, die selbst hartgesottene EV-Fans abschreckten – vom „Audi-Dynamiker“, der auf der Autobahn gern die Vorfahrt hat, ganz zu schweigen.

Auftritt Q4 e-tron

Der auf der VW-MEB-Architektur basierende Q4 e-tron machte fast alles besser, wenn man mal davon absah, dass man sich allein durch das Markenemblem eigentlich einen VW ID.4 in die Garage holte, der eben ein paar Tausender mehr kostete als das Original aus Wolfsburg.

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Audi Q6 e-etron: die Batterie verfügt über eine höhere volumetrische Energiedichte und benötigt somit weniger Platz und wiegt weniger. Trotzdem fragt man sich unwillkürlich, warum man mit der „hochmodernen“ PPE-Architektur nicht auf Cell-to-Pack oder gar strukturelle Batterien setzt.

Und nun der Q6 – endlich auf der PPE-Plattform

Audi verortet den Q6 in der Mittelklasse. Das ist eine kühne Behauptung, denn der Einstieg in die neue PPE-Klasse kostet in Ingolstadt mindestens 75.000 Euro – für ein nacktes Auto. Die Reichweite des 2.425 kg schweren eSUVs gibt Audi mit 625 Kilometern an. In der Realität werden das schnell fast 200 Kilometer weniger. Das ist eben so, wenn man WLTP und „echtes Leben“ vergleicht. Aber auch 460 Kilometer sind eine Hausnummer.

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Unterschied zwischen Normal- und Bankladen. Der Q6 e-tron beherrscht beides.

Komplett neu entwickelte Hochvoltbatterie

Herzstück des neuen Q6 e-tron ist die 100 kWh-Batterie, von der immerhin 94,9 kWh nutzbar bleiben. Die Batterie selbst verfügt über eine höhere volumetrische Energiedichte als der Vorgänger und benötigt somit weniger Bauraum. 12 Module mit 180 prismatischen Zellen werden von einem intelligenten Thermomanagement gesteuert. Natürlich basiert die Plattform auf 800-Volt-Technologie. Die NCM-Batterien sind in die Crashstruktur des Fahrzeugs integriert, der Kobaltanteil wurde zum Vorgänger Q8 e-tron reduziert. Durch die neue Hochvolttechnologie der PPE-Plattform sind nun Ladeleistungen von bis zu 270 kW möglich. In nur 21 Minuten kann so von 10 auf 80 Prozent nachgeladen werden, 270 Kilometer in nur 10 Minuten. Zusätzlich hat Audi für die Baureihe noch eine Variante mit 83 kWh brutto zur Auswahl.

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Die PPE-Architektur im Überblick. Trotz höherer Energiedichte der Batterie wiegt der Audi Q6 e-tron immer noch satte 2.425 kg. Interessant: zwei Ladeports, an jeder Seite einer. Rekuperation bis 220 kW.

Bankladen

Steht eine Ladesäule mit 400-Volt-Technik zur Verfügung, wird erstmals „Bankladen“ möglich. Dabei wird die 800-Volt-Batterie automatisch in zwei Batterien mit gleicher Spannung geteilt. Diese werden parallel mit bis zu 135 kW aufgeladen. Beide Batteriehälften werden je nach Ladezustand angeglichen und dann gemeinsam geladen. Neu im Thermomanagement ist übrigens die Nach- und Dauerkonditionierung. Diese Funktion überwacht über die gesamte Lebensdauer die Batterietemperatur, um auch dann, wenn das Fahrzeug steht, die Batterie im optimalen Temperaturbereich zu halten. Das soll die Lebensdauer der Batterie verlängern.

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Das Computersystem des Audi Q6 e-tron hat eine ganze Menge zu tun. Das Cockpit erinnert mehr an einen Passagierjet als an ein Auto … Pikant: der Zigarettenanzünder in der Mittelkonsole.

Und wie stehts mit der „Elektronik“?

Auch hier wagt man sich auf neues Terrain. Mit der mit CARIAD entwickelten Elektronikarchitektur E3 1.2 soll ein zukunftsorientiertes Fundament mit neuer Hard- und Software gelegt werden. Die neue Architektur soll sicher, updatefähig und bereit für erweiterte Funktionen sein. OTA-Updates laufen über das Mobilfunknetz – was man eigentlich nicht betonen müsste. Zur Rechenleistung macht Audi keine Angaben. Im Gegensatz zu den chinesischen Mitbewerbern bzw. der Musk-Company lässt man sich nicht dazu hinreissen zu erklären, wie viel TOPs das System macht, und was die Zentralrechner-Basis ist. Wie weiland Rolls-Royce erklärt man nur, dass die High-Performance Computing Platform“ (HCP) so ausgelegt ist, dass auch künftige Funktionserweiterungen kein Problem darstellen sollen. Nun ja.

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Audo Q6 e-tron: jetzt auch mit größerem Frunk, und kleinerem Gangwahlschalter. Die physikalische Schalteranzahl überrascht. Heckleuchten mit Kinofunktion.

Kommen wir zum Auto selbst

Ist das Außendesign überraschend? Eher nein. Das Audi-SUV wird selbstverständlich auf den ersten Blick erkannt, für nicht Audi-Fans ist der Unterschied zum Q4 e-tron oder Q8 e-tron kaum vorhanden. Der „Grill“ ist weiter überdimensional, die Proportionen unterscheiden sich überhaupt nicht von den alten Modellen. Hier ein paar hochmoderne Frontleuchten, da ein Heckleuchten-Band, das sogar mit einem Warndreieck und weiteren Spielereien dienen kann. Die wirklichen Änderungen verbergen sich aber unter der Karosserie. Beispielsweise bietet man nun einen Frunk mit 64 Litern, der damit mehr Platz bietet, als der des ersten Audi e-tron.

Das Cockpit

Hier können wir uns eines Kommentars nicht enthalten. Das Cockpit besteht aus bis zu 3 Monitoren – der Beifahrer wird nun auch auf Wunsch ebenfalls bespasst. Das Armaturenbrett wirkt zwar hochwertig, aber die vielen Schalter und Displays sind das glatte Gegenteil zu einem Volvo, Polestar oder gar einem Tesla Model Y, das, betrachtet man den derzeitigen Preis von rund 57.000 Euro, eigentlich fast konkurrenzlos erscheint. Aber bei Audi wird weiter die klassische Opulenz der deutschen Automobilgeschichte gefeiert. Geschmacksache, sicher, aber man fragt sich unwillkürlich, ob man erst mal Ingenieurswissenschaften studieren sollte, bevor man sich an die Bedienung des Audi Q6 e-tron wagt. Natürlich gibts zusätzlich und auf Wunsch auch noch ein HUD, das eine ganze Menge Informationen auf die Scheibe projiziert.

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Audi hält den „Abstand“ zum Porsche. Weniger PS, weniger Drehmoment, weniger Top-Speed. Dafür 10.000 Euro weniger in der „Nackt-Version“. Klick aufs Bild öffnet PDF.

Und die Performance?

Audi gibt Beschleunigungswerte von bis zu 4,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h an. Vorausgesetzt man aktiviert die Boost-Zusatzfunktion. Der „normale“ Q6 e-tron verfügt über 387 PS Systemleistung, die SQ6 e-tron Variante verfügt über 516 PS. Die „kleine“ Variante braucht für den Spurt von 0 auf 100 km/h 5,9 Sekunden.

e-engine meint: Die PPE-Architektur wird auch vom kommenden Porsche Macan genutzt. Der setzt mit seinen Preisen den Benchmark. Audi ist aber nicht Porsche. Auch wenn der Einstieg „nur“ 75.000 Euro kostet, dürfte die Aufpreispolitik der deutschen OEMs hier nochmals für mindestens 10.000 Euro mehr Anschaffungspreis sorgen. Beim SQ6 e-tron hingegen werden „nackt“ rund 94.000 Euro fällig, die 100.000er-Marke also ganz sicher gerissen.

Mittelklasse, wohlgemerkt.

Im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld und der Schwäche des Elektrofahrzeugmarkts dürfte die Klientel nicht unbedingt mit wehenden Fahnen zum Audi-Händler eilen. Dazu ist das Auto schlicht zu teuer und im Vergleich zum Wettbewerb zu wenig außergewöhnlich und potent. Wer ein schnelles Elektro-SUV mit sportlichen Leistungswerten sucht, der landet vermutlich bei Volvo, Polestar oder Tesla. Allein der EX30 Twin Motor Performance unterbietet den Spurt von 0 auf 100 um fast eine Dreiviertelsekunde. Ganz schlecht fürs Ego eines Audi-Piloten, der „Vorsprung durch Technik“ gewöhnt ist.

Fotos: Audi, Polestar, Porsche

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