Finanzen

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Keine Nachfolger: Warum es immer weniger Autohäuser gibt

keine nachfolger: warum es immer weniger autohäuser gibt

Ein Autohaus in Frankfurt

Stefan Nauheim wollte nicht mehr. Dabei ist der Mann mit gerade mal 55 Jahren noch weit weg von der Rente. Nun ist das Autohaus, das er und sein Bruder Michael in Eschborn führten, geschlossen. Dort, wo noch bis Mitte vergangenen Jahres Neu- und Gebrauchtwagen verkauft, gewartet und nach Unfällen repariert wurden, herrscht nun gähnende Leere. Verlassen liegt Auto-Nauheim an der Eschborner Mergenthalerallee.

Nauheim genießt die Ruhe, wie er sagt, seit er den Betrieb am 30. Juni vergangenen Jahres geschlossen hat. „Als Autohändler habe ich permanent gearbeitet.“ Das Unternehmen, das Ford-Händler, Volvo-Servicepartner und auch freie Werkstatt war, existiert nach drei Generationen nicht mehr. Er wickelt fünf, sechs Stunden am Tag den Familienbetrieb ab, verwaltet sozusagen noch das letzte berufliche Erbe seines Großvaters Heinrich Nauheim, der 1932 in Kronberg den Startschuss gegeben hatte, ehe das Autohaus 1969 nach Eschborn zog.

keine nachfolger: warum es immer weniger autohäuser gibt

Stefan Nauheim im Verkaufsraum seines ehemaligen Autohauses in Eschborn.

Damit ist Nauheim nicht allein. Gab es in Deutschland 2013 laut Zahlen des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe unter den 38.500 Betrieben noch 17.500 „fabrikatsgebundene“, also Werkstätten, die speziell für eine Marke tätig waren, so waren es zehn Jahre später 3380 weniger. Auch die Gesamtzahl der Werkstätten ging auf 36.170 zurück. Die Gründe für den Verlust an fabrikatsgebundenen Betrieben lägen unter anderem in der Neustrukturierung und Bereinigung der Händler- und Servicenetze durch die Hersteller, sagt Roger Seidl, Geschäftsführer des hessischen Kraftfahrzeuggewerbes, „viele markengebundene Betriebe haben schlichtweg ihren Händler- und Servicevertrag verloren oder abgegeben“.

keine nachfolger: warum es immer weniger autohäuser gibt

Natalie Heger freut sich darüber, dass ihr Betrieb als freie Werkstatt weiterläuft.

Hersteller wollen mehr Einfluss

Einige seien verschwunden, weil sie keinen Nachfolger gefunden, ein lukratives Angebot für den Standort von einem Immobilieninvestor erhalten hätten oder weil sie mit den mittlerweile hohen technischen Anforderungen nicht mehr mithalten könnten. „Die Insolvenzen im Kfz-Gewerbe hingegen halten sich im Rahmen“, führt er aus. Im ersten Halbjahr 2023 seien 67 Werkstätten und 77 Automobilhandel-Betriebe insolvent gegangen.

Zu dieser Gruppe gehören die Nauheims nicht. „Die Rahmenbedingungen haben einfach nicht mehr gepasst, weil die Hersteller so viel Einfluss nehmen, dass man nicht mehr für das eigene Unternehmen gearbeitet hat“, erläutert Stefan Nauheim. 2023 sei Auto-Nauheim der Ford-Vertrag gekündigt worden – wie allen anderen Vertragshändlern der Marke auch. „Als die neuen Verträge vorgestellt wurden, war uns schnell klar: Wir gehen nicht mehr mit.“

Das Aus des Unternehmens, das zu Spitzenzeiten 55 Mitarbeiter beschäftigte, bedauert der frühere Inhaber noch immer. „Das war unser Leben.“ Doch die Betonung liegt spürbar auf „war“, auch wenn der gelernte Kraftfahrzeugmechaniker hörbar nicht nachtreten will. Jetzt werde auch noch vermehrt Einfluss auf den Werkstattbetrieb genommen, erzählt er. In Ferienzeiten seien schnell mal zwei Mann im Urlaub. Wenn dann ein Mechaniker krank werde, müsse der Kunde leider auf einen Werkstatttermin warten. „Dann gibt es da eine Hotline, die der Kunde anrufen kann, und er wird über den Hersteller in einen anderen Betrieb gelotst.“ Dann sei er weg, sagt Nauheim, ein Unternehmer könne nicht für jede Eventualität noch mehr Personal bereithalten.

„Wir gucken dann nur noch in die Röhre“

Doch das solle beispielsweise den Unmut des Kunden aushalten, wenn dieser sich ein Software-Update selbst herunterladen und bei Problemen den Vertragshändler aufsuchen soll. „Wenn Sie dem dann 80, 90, 100 Euro berechnen müssen, weil das Problemlösen lange dauert, werden Sie beschimpft.“ Der Hersteller suggeriert nach Nauheims Dafürhalten ohnehin zu viel, wie etwa viele Gratisleistungen, was der Handel nicht halten kann. Und jetzt stehe der Service auch noch zur Debatte. „Wir gucken dann nur noch in die Röhre, obwohl wir der Kundschaft nur helfen wollen.“ Der Hersteller habe zum Kunden lange keinen direkten Kontakt gewollt, dafür sei der Vertragshändler zuständig gewesen, „doch jetzt merken die Konzerne, dass man so mehr Geld verdienen kann.“

Kraftfahrzeugmeister Nauheim und seine Kollegen würden nur noch gebraucht, um Autos zu übergeben und die Funktionen zu erk lären. Bei Volvo könne man, berichtet er, Autos für bis zu zwei Jahre „mieten“, dann sei alles inklusive, alles laufe über den Hersteller. „Wenn ein Autohersteller sagt, er will am Handel festhalten, hat das oft einen Haken. Wenn man dann über geringere Händlerstandards redet, wird die Marge gesenkt, teils um 50 Prozent.“

Allerdings, das verschweigt auch Stefan Nauheim nicht, ist es für die Konzerne auch schwieriger geworden, gewinnbringend Autos an Mann und Frau zu verkaufen. „Mit einem Elektroauto wird weniger verdient, zum Beispiel wird die Batterie oft zugekauft, das sind höhere Kosten.“ Der Verbraucher sei momentan auch verunsichert – besonders hinsichtlich der Frage, ob es sinnvoll sei, einen Benziner, Diesel oder doch ein Elektroauto zu nehmen.

Ein Autohaus, das sich nicht mehr mit dieser Frage beschäftigen muss, weil es schon lange keine Wagen mehr verkauft, ist das Autohaus Heger in Hochheim am Main. Der frühere Opel-Servicepartner macht nun ohne Markenbindung weiter – ein Schritt, den viele Unternehmer gehen. Gegenüber 2013 ist die Zahl der „fabrikatsunabhängigen Betriebe“, wie sie der Verband nennt, um 1050 gestiegen. Geschäftsführerin Natalie Heger jedenfalls ist mehr als glücklich mit der Situation und berichtet nach einem halben Jahr von der „besten Entscheidung“.

Das k leine Fünf-Mann-Unternehmen, das sie zusammen mit ihrem Geschäftsführer-Kollegen Markus Kranz leitet, sei weiterhin der „Hauptansprechpartner“ für die Autofahrer im knapp 18.000 Einwohner zählenden Städtchen im Main-Taunus-Kreis. Was früher besser war? „Gar nichts“, sagt Heger und lacht. Lange muss sie nicht überlegen. „Weil man an keine Auflagen gebunden ist, kann man frei entscheiden.“ Auch die Beschaffung von Ersatzteilen über freie Teilehändler sei kein Problem.

Weg von Opel trotz Hochburg

Den Schritt, sich von der Marke mit dem Blitz zu lösen, die im nur knapp zehn Kilometer entfernten Rüsselsheim ihren Hauptsitz hat und von der im Rhein-Main-Gebiet viele über Jahrzehnte treue Fans schwärmen, habe nicht nur die Kundschaft, sondern auch die Belegschaft sehr gut aufgenommen. „Die Mitarbeiter sind zum Teil weit über 20 Jahre hier. Für die war das völlig in Ordnung. Wir haben uns ja auch schon vorher mit anderen Autos beschäftigt“, blickt Heger zurück. „Die Stammkundschaft haben wir angeschrieben und mitgeteilt, dass wir den Vertrag nicht verlängern.“ Ihr Fazit: „Läuft gut so weit.“

Dennoch kam dieser Weg für die Nauheims nicht infrage. „So kommt man bestimmt zehn, 15 Jahre noch gut über die Runden, vielleicht auch länger“, sagt Stefan Nauheim. „Aber wir haben 500 bis 600 Neuwagen im Jahr verkauft, unsere Werkstatt war allein etwa 1300 Quadratmeter groß, auch das Gelände war zum Kleinschrumpfen zu wertvoll.“ Sie haben verkauft.

Als Unternehmer „werden Sie zum Spielball aller Kräfte“, so Nauheim, der auch Kraftfahrzeugbetriebswirt ist. Sein Beispiel: Mitunter fordere der Hersteller, dass man unter der Woche von 7 bis 18 Uhr volle „Dienstbereitschaft“ zeige, zugleich gebe es Stimmen, die für eine Arbeitszeitverkürzung eintreten. Mit einer Viertagewoche habe er es versucht, doch es sei „für den einen zu anstrengend, sein Wochenpensum in dieser Zeit zu absolvieren, ein anderer will nicht mehr zum alten Modell zurück “.

Immerhin: Über einen Industrieauktionator wurden die Dinge, die die Nauheims verkaufen durften, fix verkauft, alle Mitarbeiter sind woanders untergekommen. Und auch Stefan Nauheim blickt positiv in die Zukunft. Er will sich neu orientieren und in „einen anderen Bereich einsteigen“. Eben dort, wo es weniger Einfluss von außen gibt.

TOP STORIES

Top List in the World