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Kaltvergleich der beiden Top-Touren-Stromer - Zero DSR/X vs. Energica Experia

Zero schickt mit der DSR/X ein elektrisches Reisekrad in den Ring. Da wartet schon die Energica Experia. MOTORRAD vergleicht die Daten.

kaltvergleich der beiden top-touren-stromer - zero dsr/x vs. energica experia

Kaltvergleich der beiden Top-Touren-Stromer – Zero DSR/X vs. Energica Experia

Die SUV-isierung des Kraftrades läuft mit Höchstleistung und manifestiert sich in den Gattungen Reiseenduro oder Adventure-Bike. Vornehmlich mit Verbrennern und viel Leistung und immer größeren Marktanteilen. Energica brachte mit der Experia im Mai 2022 das erste Elektromotorrad nach dem Bauplan SUV. Zero folgt mit der DSR/X im Herbst. Werden beide Maschinen mit ihren Daten den Ansprüchen an eine klimafreundliche eierlegende Wollmilchsau gerecht? MOTORRAD vergleicht Motor, Akku, Ladeleistung, Fahrwerk und die Tourentauglichkeit der beiden Maschinen.

Moderne Elektromotoren

Elektromotoren bieten viele Vorteile für das Motorrad. Zum einen muss nicht erst aus der Hubbewegung der Kolben eine Drehbewegung der Kurbelwelle erzeugt werden, deren Kraft dann an ein vielteiliges Getriebe gelangen muss. Zum anderen sind Elektromotoren klein und leicht. Energica setzt bei der Experia auf einen wassergekühlten Synchron-Reluktanz-Motor mit permanenter Erregung. Die gleiche Technik nutzt Tesla als Beispiel im Model 3. Mit einer Spannung von 306 Volt erzeugt der Motor ein Drehmoment von 115 Nm. Die Dauerleistung liegt bei 60 kW bei 7.000 Touren, die Spitzenleistung von 102 PS erzeugt der Motor bei 7.500/min. Zero setzt traditionell auf einen luftgekühlten Synchronmotor bei 102 Volt Spannung. Wie der EMCE-Motor von Energica ist der Z-Force 75-10 5T Motor von Zero stark überarbeitet. In der DSR/X leistet der Motor 225 Nm, erzeugt eine Dauerleistung von 48 PS bei 4.400 Touren und eine Höchstleistung von 100 PS bei 3.650 /min. Beide Motoren sind auf eine Geschwindigkeit von 180 km/h begrenzt.

Fazit Motoren: Das alte Duell der Wasserkühlung gegen die Luftkühlung wird elektrisch neu ausgetragen. Auf dem Papier hat die DSR/X die Nase leicht vorn, erzeugt mehr Drehmoment und dreht niedriger. Allerdings: Der EMCE-Motor von Energica wirkt mit Wasserkühlung und der Funktionsweise wie in einem Auto von Tesla deutlich moderner. 1:1 im Vergleich.

Große, schwere Akkus laden

Keine Überraschung: Beide Modelle tragen die aktuellen Top-Akkus der Marken. Zero bohrt den Pouchzellen-Akku per Software von 15,6 auf 17,3 kWh auf, Energica verlässt sich auf das wassergekühlte Pouchzellen-Pack mit 22,5 kWh. Beiden Modellen steht eine niedrigere Netto-Kapazität – 15,6 kWh Zero und 19,5 kWh – Energica zum Fahren zur Verfügung. Interessant, wie beide Hersteller das wichtige Laden der Batterien angehen. Zero hat einen eingebauten Lader mit 6,6 kW Leistung an Bord, der per Typ-2-Stecker an Ladesäulen oder an der Wallbox versorgt werden muss. Optional kann ein größeres Ladegerät bestellt werden, was die Ladeleistung auf 12,6 kW erhöht. Damit steht die DSR/X im günstigsten Fall etwas über 90 Minuten für 95 Prozent, wenn der Akku komplett leer war. Die Experia hat drei Möglichkeiten, Strom zu laden. Es ist ein Ladegerät mit 3 kW für die 230-Volt-Dose eingebaut. Weiterhin kann mit dem CSS-Lade-Stecker an der Säule bis zu 22 kW “getankt” werden. Das im Motorradbau einzigartige Chademo-Ladesystem bringt es ebenfalls auf 22 kW. Damit sind Ladezeiten von 40 Minuten auf 95 Prozent möglich. Wichtig: Die Zahl der Ladezyklen, bis die Batterie nur noch 80 Prozent leistet, gibt Energica mit 1.200 oder 248.000 Kilometer (kombiniert) an. Zero geht davon aus, dass ihr Akku 277.000 Kilometer oder 1.500 volle Ladezyklen (kombiniert) packt.

Fazit: Klarer Punkt für Energica. Der große Akku hat nicht nur spürbar mehr Kapazität, sondern kann selbst moderne Lade-Infrastruktur nutzen. Dass der Akku der Zero nach Werksangaben 300 Ladezyklen mehr packt, ist bei über 200.000 Kilometer rechnerischer Reichweite geschenkt. 1:2 für die Experia.

Reichweiten steigen

Mit den neuen Motoren und den neuen Akkus erreichen die Werksangaben der möglichen Reichweiten bei beiden Modellen praxistaugliche Werte. Im Vergleich die bei beiden Modellen angegebenen Werte nach WMTC oder EU-Verordnung 134/2014. Die DSR/X soll nach diesem Test 172 Kilometer weit kommen, die Experia ist nach WMTC mit 222 Kilometer angegeben. 50 Kilometer mehr, aber durch einen Akku gespeist, der 25 Prozent mehr Kapazität hat. Rechnen wir also den Verbrauch in kWh/100 Kilometer um. Demnach verbraucht die DSR/X 9,06 kWh je 100 Kilometer. Die Energica Experia verbraucht theoretisch 8,82 kWh/100 Kilometer. Hat also einen leichten Verbrauchsvorteil nach Norm.

Fazit: Legen wir Verbrauch und Reichweite als getrennte Klassen fest, dann bekommen DSR/X und Energica je einen Punkt. Die Energica durch ihre höhere Reichweite durch höhere Kapazität. Die Zero punktet durch ihren geringeren Verbrauch beim Normtest. 2:3 steht es zwischen den beiden.

Strom wiegt

Hohe Gewichtsangaben bei Elektromotorrädern sind wir im Vergleich zu verbrennenden Modellen des Segments gewöhnt. Doch die beiden Reise-Enduro-Touren-Adventure-Stromer von Zero und Energica fügen sich gut ins Glied, die DSR/X kann mit 247 Kilo vergleichsweise leicht genannt werden. Energica gibt bei der Experia 260 Kilo an, die vornehmlich auf das Konto der Wasserkühlung und des größeren Akkus gehen. Rechnen wir die beiden Faktoren raus, könnte die Energica sogar etwas leichter sein, da ihr neues Chassis den Akku und Motor zum Teil mittragend integriert. Das Chassis der Zero besteht aus einem alles umarmenden Gitterrohrrahmen. Beide Modelle haben eine hohe Zuladung. 242 Kilo darf die Experia schleppen, sogar 252 Kilo darf die DSR/X schultern. Richtig gelesen: mehr Zuladung als Leergewicht bei der Zero.

Fazit: Beim Thema Gewicht punktet die Zero DSR/X gleich zweifach. Ein Punkt für das niedrigere Gewicht, einen weiteren für die hohe Zuladung. Den bekommt die Energica ebenfalls, da sie im Vergleich zu Verbrennern enorm viel zuladen darf. Im Geiste bekommt die Experia sogar noch einen Extrapunkt für die moderne Chassis-Konstruktion mit mittragendem Antrieb. Dennoch: 4:4 für die Touren-Stromer.

Elektronische Oberklasse

Vorweg: DSR/X und Experia bekommen im Bereich der Bordelektronik je einen Punkt für die Funktionsumfänge. MSC von Bosch mit allem Komfort, Rangierhilfe rückwärts und vorwärts, TFT-Display, zahlreiche Fahrmodi, Tempomat und Griffheizung sind ab Werk an Bord.

Fazit: Moderne, vollständige Elektronik bei Experia und DSR/X: 5:5

Fahrwerke nur Mittelklasse

Im Gegensatz zum Anspruch, die Top-Modelle der Marken zu sein, stapeln Zero und Energica in Sachen Fahrwerk und Bremsen tief. Rein von den Komponenten her passen Preis und Hardware nicht zusammen. Energica setzt auf ZF und Brembo, Zero auf Showa und J.Juan. Die Gabeln sind voll einstellbar, das Showa-Federbein ebenfalls. Das Heck der Experia nur in Vorspannung und Zugstufe. Ebenfalls nicht aus dem goldausgeschlagenen Regal nehmen die Hersteller die Bremsen. Energica nutzt M4.32-Brembos vorn an 330er-Scheiben, Zero J.Juan-Sättel an 320er-Scheiben. Hinten bremst die Experia ganz Straßen-Krad mit einer 240er-Scheibe, die Zero etwas offroadiger mit einer 265er-Scheibe. Die Federwege der Zero protzen mit 190 Millimeter Länge, 150 Millimeter je Achse bietet die Energica. Allerdings: Die Experia hat ein reines 17-Zoll-Straßenfahrwerk mit einer 120/180-Bereifung. Die Zero möchte das Enduro im Konzept mit 19 Zoll (ca. 48 Zentimeter) vorn und 120/170er-Dimensionen unterstreichen. Größter Unterschied: Energica treibt per Kette an, Zero per Zahnriemen – optional per Kette.

Fazit: In Sachen Fahrwerk glänzen beide Top-Modelle nicht mit Top-Hardware, kennzeichnen mit den Komponenten und der Bereifung den bevorzugten Einsatzbereich: Straße. Die Zero flirtet mit dem 19-Zoll-Rad vorn zwar mit Schotter, kann damit allerdings nicht extra punkten. 6:6 kurz vor dem Finale.

Alles eine Preisfrage

Beim Preis langen Zero und Energica beide ordentlich hin. Die Experia kostet in Deutschland knapp über 30.000 Euro. Zero verlangt für die DSR/X 26.550 Euro. Klares Ding für die Zero? Nein. Für die 3.500 Euro mehr bietet die Energica mehr Akku und, viel wichtiger: mehr als das Dreifache der Ladeleistung. Selbst wer die Zero für gut 3.000 Euro auf 12,6 kW aufrüstet, bleibt bei gleichem Preis immer noch weit hinter der Experia zurück. Allerdings: Den stärkeren Motor, das leichtere Motorrad und die höhere Zuladung bietet die Zero.

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