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Emissionsfrei, aber unbeliebt: Warum sich das E-Motorrad nicht gut verkauft

emissionsfrei, aber unbeliebt: warum sich das e-motorrad nicht gut verkauft

In den Startlöchern: Sobald es wärmer wird, kommen Motorradfahrer auch am Großen Feldberg in Scharen.

Noch bremsen sie kalte Temperaturen, doch spätestens seit dem vergangenen Wochenende, als um die hundert Motorradfahrer mit ihren Maschinen zum traditionellen Gottesdienst „Anlassen“ nach Gründau im Main-Kinzig-Kreis kamen, steht fest: Die Motorradsaison ist eröffnet.

Die Lust auf das PS-starke Zweirad ist ungebrochen, wie die Zahlen des Industrie-Verbands Motorrad (IVM) belegen. Danach sind im vergangenen Jahr 212.383 Motorräder und Roller auf deutschen Straßen neu zugelassen worden – das entspricht einem Zuwachs in Höhe von 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Kleinkrafträder, die kein reguläres Kennzeichen, sondern nur ein Versicherungskennzeichen benötigen, berücksichtigt die Statistik nicht. In Hessen fällt der Zuwachs mit einem Plus von 4,7 Prozent auf gut 16.000 Motorräder und Roller etwas niedriger aus.

Gefragt ist hierzulande vor allem das Motorrad mit einem Hubraum von mehr als 125 Kubikzentimetern, wie der Anteil von 9376 Zulassungen für diesen Typ zeigt – das waren 2023 nahezu zwölf Prozent mehr als im Jahr davor.

Markt für E-Motorräder schwächelt

Der Boom lässt sich laut Matthias Meier, Präsident des deutschen Harley-Davidson-Vertragshändlerverbands, leicht erklären: „Das Wachstum im vergangenen Jahr war nicht nur natürlich. Einige Marken haben mit Kampfpreisen im Bereich von 600 oder 700 Kubik Kunden gewonnen, da waren die Neufahrzeuge auf jeden Fall interessant.“ Zudem habe es in dieser Sparte viele Neuerscheinungen gegeben.

Marken wie BMW, Ducati, Triumph und Harley-Davidson bedienen eher den Markt für Maschinen mit über 1000 Kubikzentimeter Hubraum. Dieser verzeichnete im vergangenen Jahr nur einen ganz leichten Anstieg auf „gutem Niveau“, berichtet Meier, der auch Geschäftsführer und Inhaber der H-D Factory Group ist mit Filialen in Frankfurt, Wetzlar, Wiesbaden und Hannover. Harley-Davidson feierte im vergangenen Jahr den 120. Jahrestag seit seiner Gründung, zum Jubiläum gab es limitierte Sondermodelle. „So hatten auch Stammkunden einen guten Grund, sich eine Harley zuzulegen“, sagt der Geschäftsmann.

Generell sieht der Händler attraktive Produkte auf dem Markt: „In Sachen Motorrad gab es eine Zeit, in der man nicht so recht wusste, wo es hingeht. Nun gibt es Modelle, die für junge Leute, meist zwischen 20 und 30 Jahren, attraktiv sind.“ Zudem beobachtet er, dass unter seinen Kunden viele sind, die irgendwann mal ihren Führerschein gemacht haben, dann aber viele Jahre nicht mehr auf einem Bike gesessen hätten.

„Der Verbrennungsmotor ist auch immer noch ein Faktor“

Wer sich für ein Motorrad entscheidet, greift in der Regel zu einem Fahrzeug mit Verbrennermotor. Maschinen mit Elektro- oder Hybridantrieb, für die es keinen Umweltbonus vom Staat gab, bleiben über alle Fahrzeugklassen hinweg in Hessen eine Randerscheinung. Die Entwicklung ist sogar rückläufig. Wurden im Jahr 2022 noch 665 Stück verkauft, waren es im Jahr darauf nur noch 483 – ein Rückgang von gut 27 Prozent. Das ohnehin geringe Interesse begründet Ben Meisel vom Frankfurter H. M. Motorradhaus vor allem mit dem im Vergleich zu Verbrenner-Modellen deutlich höheren Preis.

Ein Beispiel: Eine elektrisch betriebene Zero-SR-Maschine, die bis zu 70 PS leistet, kostet laut Herstellerangaben mindestens 18.400 Euro. Die Kawasaki Ninja ZX-6R mit ihren maximalen 124 Verbrenner-PS ist inklusive Überführung, so steht es auf der Kawasaki-Homepage, für 12.995 Euro zu bekommen. „Bei uns werden aktuell am meisten Kawasaki-Motorräder verkauft. Solche Sportmotorräder ziehen einfach, der Verbrennungsmotor ist auch immer noch ein Faktor“, sagt der im Verkauf tätige Sohn des Geschäftsführers Peter Meisel. Das Motorradhaus verkauft Neufahrzeuge der Marken Kawasaki, KTM, Husqvarna, Gasgas und Zero.

Nicht nur der Markt für E-Motorräder schwächelt – noch deutlicher, um gut 40 Prozent, ist der Markt für Roller mit 50 Kubik zwischen 2022 und 2023 eingebrochen, wie der Industrie-Verband Motorrad berichtet. Die Zahlen liefern die Hersteller, die Mitglied im Verband sind. Das spürt man auch bei KBS, einem Frankfurter Händler, der Vespa, Piaggio, Peugeot, Aprilia und Kymco vertreibt. Den Rückgang begründet Benjamin Schrettinger aus dem Verkauf auch mit einem leichteren Zugang zur Fahrerlaubnis für größere Maschinen, genauer Roller und Motorräder mit bis zu 125 Kubik.

Die Kundschaft achtet auf ihr Geld

Gemeint ist der sogenannte Führerschein B196. Diesen gibt es als nur in Deutschland gültige Erweiterung zum Autoführerschein der Klasse B seit 2020. Voraussetzung ist: Der Autofahrer muss mindestens 25 Jahre alt sein und seit fünf Jahren einen B-Führerschein besitzen. Der Aufwand, um eine 125-Kubik-Maschine fahren zu dürfen, ist gering. Der Fahrer muss lediglich eine Schulung mit mindestens vier theoretischen und fünf praktischen Stunden zu je 90 Minuten absolviert haben. Das macht das Ganze verhältnismäßig preisgünstig.

Generell, so Schrettinger, achte die Kundschaft mehr als früher auf ihr Geld: Die Nachfrage nach gebrauchten Fahrzeugen sei gestiegen. Umgekehrt kämen weniger gebrauchte Zweiräder zurück. Die Werkstatt werde zunehmend von Kunden aufgesucht, die ihren Roller nach einer langen Standzeit, mitunter sind das zehn Jahre und mehr, wieder repariert und reaktiviert haben möchten.

Ähnliches beobachtet auch Harley-Davidson-Händler Meier. Kriege und Krisen hätten seine Kunden nachdenklicher gemacht, nicht nur im Hinblick auf das Motorrad, „sondern den gesamten Freizeitsektor.“ Man müsse mittlerweile „mehr ins Gespräch“ gehen und „ein Ohr dafür haben, was die Leute bewegt“. Dennoch schätzen die Deutschen die motorisierten Zweiräder: Nach den Zahlen des IVM lag der Gesamtbestand im vergangenen Jahr bei 6,7 Millionen Fahrzeugen.

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