Motorrad

Sportmotorräder: Entspannung bringt Erfolg zurück

Superbikes wurden immer weniger alltagstauglich und immer teurer, die Klasse war so gut wie tot. Ihre Rolle übernehmen nun neue Sportbikes aus der Mittelklasse.

sportmotorräder: entspannung bringt erfolg zurück

Honda CBR 650 R

(Bild: Honda)

Es war ein Trauerspiel: Noch vor 20 Jahren lag der Anteil von Sportmotorräder bei fast 20 Prozent der Neuzulassungen, innerhalb der nächsten Dekade brach er auf etwa fünf Prozent ein und blieb dort hängen. Die einst heißbegehrten, vollverkleideten 1000er-Superbikes fristeten nur noch ein klägliches Nischendasein, die 600er-Supersportler flogen in Deutschland sukzessive bei allen Marken aus dem Programm. Die Sportler bildeten zwar die Spitze der Motorrad-Ingenieurskunst und lieferten irrsinnige Leistungen ab, aber genau das war ihnen zum Verhängnis geworden. Parallel dazu stiegen nämlich auch die Entwicklungs- und Produktionskosten, die an den Käufer weitergegeben wurden. Irgendwann waren nur noch die wenige Interessenten bereit, die horrenden Preise für Sportmotorräder zu zahlen.

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Von 20 auf fünf Prozent

Zudem waren es extreme Bikes, die für den Einsatz auf der Rennstrecke konzipiert worden waren, mit tief positionierten Lenkerstummeln, die den Fahrer in eine sportliche, aber sehr unbequeme Körperhaltung zwangen und deren Alltagstauglichkeit gegen null tendierte. Ihre hochdrehenden Motoren boten wegen der hohen Spitzenleistung nur noch vergleichsweise wenig Durchzugskraft, was auf der Landstraße für Frust sorgte. Im zweiten Gang mit fünfstelligen Drehzahlen auf die nächste Kurve zuzufliegen, um dann mit aller Gewalt in die Bremsen greifen zu müssen und am Kurvenausgang leistungsmäßig zu verhungern, bereitet Stress und ist nicht gerade alltagstauglich.

Teure Superbikes rechneten sich nicht mehr

Die Sportmodelle fielen zusehend in der Käufergunst, bis es sie schließlich kaum noch gab. Die vier japanischen Marken sowie Ducati, Aprilia, MV Agusta und BMW bauten zwar weiterhin ihre 1000er, um an der Superbike-WM teilnehmen zu dürfen, aber verkauft wurden die Modelle nur noch in vergleichsweise winzigen Stückzahlen. KTM stampfte seine RC8 R im Jahr 2015 ein, die MV Agusta F4 1000 folgte 2018 dem Beispiel. 2020 beschloss Suzuki zur Bestürzung der Fans, seine GSX-R 1000 (Test) nicht mehr weiterzuentwickeln. In Europa wird sie seitdem nicht mehr angeboten, in Amerika gibt es sie zwar noch, aber auf dem Entwicklungsstand von vor vier Jahren. Es rechnete sich schlicht nicht, die GSX-R auf die Abgasnorm Euro 5 zu hieven.

Hintergrund

Vor kurzem verkündete Yamaha, dass die YZF-R1 ab 2025 nicht mehr mit Straßenzulassung, sondern nur noch als Racing-Version für die Rennstrecke angeboten wird. Auch hier war der Grund, dass die geringen Verkaufszahlen eine Weiterentwicklung des Modells auf die Abgasnorm Euro 5+ einfach nicht mehr rechtfertigten. Mit der YZF-R6 war die Marke schon 2021 so verfahren.

Sportmotorräder Revival (8 Bilder)

sportmotorräder: entspannung bringt erfolg zurück

Mit der RS 660 wagte Aprilia 2020 einen mutigen Schritt und bot ein superbes Sportmotorrad mit einem neu entwickelten Reihenzweizylinder in der Mittelklasse an. Sie entwickelte sich zur meistverkauften Sportlerin in Europa. (Bild: Aprilia)

Breiten- statt Spitzensport

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Droht also bald ein komplettes Aussterben der Sportler? Nein, im Gegenteil, in letzter Zeit erfreut sich das Segment sogar einer erstaunlich rasch wachsenden Beliebtheit. Einfach, weil die Motorradbauer ihren Ansatz änderten. Weg vom Spitzensportler, hin zum Breitensportler. Die wenigsten Menschen sind in der Lage, 100 Meter in unter 10 Sekunden zu spurten, aber Joggen kann fast jeder. Als erstes wagte sich 2020 Aprilia mit der RS 660 vor. Ein ausgesprochen hübsches Motorrad mit Vollverkleidung, die wie eine verkleinerte Ausgabe ihres Superbikes RSV4 aussah. Die RS 660 wurde von einem neu entwickelten Reihenzweizylindermotor mit 100 PS befeuert. Im Vergleich zu den letzten 600er-Supersportlern mit Reihenvierzylindern und bis zu 129 PS klang das zunächst etwas müde, aber die RS 660 wurde zu einem Bestseller, laut Aprilia ist sie die meistverkaufte Sportlerin in Europa.

Alltagstauglicher Drehmomentverlauf

Das Erfolgsgeheimnis lag darin, dass die Entwickler ihren Fokus mehr auf die Landstraße, anstatt auf die Rennstrecke gerichtet hatten. Früher erreichten die Supersportler ihre Maximalleistung erst bei 14.000 Touren und mehr, hatten aber in der unteren Drehzahlhälfte nur wenig zu bieten. Der Aprilia-Motor hat seine Nennleistung schon bei 10.500/min und seine 67 Nm Drehmoment bei fast schon moderaten 8500/min. Was bedeutet, dass er relativ früh ordentlich Leistung bietet und der Fahrer nicht verzweifelt versuchen muss, die Drehzahlen ständig hoch zu halten, um eine kurvige Landstraße zu bewältigen. Dazu gesellen sich bei der RS 660 ein geringes Leergewicht von 183 kg, ein ausgewogenes Fahrwerk und bissige Bremsen. Sie mauserte sich damit zum Kurvenstar und bescherte Aprilia einen Boom. Im vergangenen Jahr landete die Aprilia RS 660 mit 1262 Neuzulassungen auf dem sensationellen 19. Rang in Deutschland.

Konzept aufgregriffen

Das Konzept wurde rasch von der Konkurrenz übernommen. Yamaha konterte 2021 mit der aggressiv designten R7, die sehr dem Superbike YZF-R1 ähnelte. Sie trug den 689-cm3-Reihenzweizylinder, wie er aus dem Naked Bike MT-07, dem Tourer Tracer 7 und der Enduro Ténéré 700 längst bekannt war. Er wurde unverändert in den Sportler verbaut und die R7 erwies sich auf Landstraßen als überraschend schnell. Der CP2-Motor baut schon früh verwertbare Leistung auf und erreicht seinen Zenit von 73 PS bereits bei 8750/min. Ein voll einstellbares Fahrwerk mit Komponenten von Kayaba trägt seinen Teil dazu bei, dass die 189-kg-Yamaha präzise und handlich durch alle Kurvenkombinationen eilt.

Yamaha R7 Test

Vielfalt bei Kawasaki

Die beiden Mittelklasse-Sportler bleiben nicht allein, Kawasaki holt für das aktuelle Modelljahr seine Ninja ZX-6R wieder nach Deutschland, mit 636 cm3 liegt ihr Reihenvierzylinder etwas über der normalen Grenze der Supersportler, liefert aber mit 124 PS bei 13.000 Touren eine noch bessere Performance. Noch bemerkenswerter ist, dass Kawasaki mit der Ninja ZX-4RR wieder einen 400er-Reihenvierzylinder hierzulande anbietet. Die letzte ZX-4 hatte in den frühen 1990er-Jahren ihren Weg zu uns gefunden. Das aktuelle Modell erreicht seine Höchstleistung bei 14.500/min – was eigentlich nicht für ihre Landstraßentauglichkeit spricht, aber im Gegensatz zu einer 600er oder gar 1000er ist mit den 77[ ]PS der Ninja ZX-4RR niemanden überfordert. Die kleine Drehorgel könnte viele Fans abholen.

Außerdem hat die giftgrüne Marke noch die sehr erfolgreiche Ninja 650 im Programm, die letztes Jahr bei uns auf 1225 Neuzulassungen kam. Sie leistet zwar nur 68 PS, aber ihr Preis von 8245 Euro überzeugte viele Käufer. Für 2024 wurde zudem in der Einsteigerklasse aus der Ninja 400 die Ninja 500 mit 45 PS. Kawasaki hält die Sportlerfahne unerschütterlich hoch.

Honda bringt Supersportler zurück

Auch Honda hat die Zeichen der Zeit erkannt und nimmt nach sieben Jahren seine Supersportlerin CBR 600 RR, die der großen Fireblade zum Verwechseln ähnlich sieht, wieder ins deutsche Programm auf. Die 600er ist zwar nie eingestellt und sogar weiterentwickelt worden, war aber dem japanischen und amerikanischen Markt vorbehalten. Weil nun Sportler in Europa immer beliebter werden, liefert der weltgrößte Motorradhersteller seine bildschöne CBR 600 RR, inzwischen 121 PS stark bei 14.250/min, auch zu uns.

Alles über die Honda CBR 600 RR

Eine Überraschung ist ihr Preis: 11.800 Euro, das ist 490 Euro weniger als die letzte CBR 600 RR 2016 gekostet hat. Darüber hinaus bietet Honda noch die CBR 650 R an, die letztes Jahr das Kunststück vollbrachte, mit 1991 Neuzulassungen nicht nur auf Rang sieben bei uns zu landen, sondern sogar vor ihrer günstigeren Naked-Bike-Schwester CB 650 R. Die Einsteigerklasse bereichert Honda zudem mit der überarbeiteten CBR 500 R mit 48 PS.

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