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Jo Stenuit "Früher waren Autos Freiheit": Mazda-Chefdesigner über Ikonen der Automobilwelt – und Flops

Herr Stenuit, entwerfen Sie lieber Elektroautos oder Verbrenner?
Das ist mir eigentlich egal. Für beides muss eine Lösung gefunden werden. Aber: Wir haben jetzt über 100 Jahre Verbrenner hinter uns – da sind Elektroautos schon spannender, weil sich einfach viel ändert.

Zum Beispiel?
Ich muss kurz bremsen: Ändern wird. Im Moment sind die Bauteile noch zu groß, als dass man das Design wirklich grundlegend neu denken könnte. Wenn die Technik irgendwann aber schrumpft, dann können wir die Gestaltung der Autos neu denken. Wobei ich sicher bin, dass das nicht ganz ungefährlich wäre.

Inwiefern?
Ich glaube, die Kunden brauchen viel Zeit, um sich an völlig andere Fahrzeuge zu gewöhnen.

Was wären denn das für krasse Unterschiede?
Vielleicht fehlt ja plötzlich die Motorhaube, also die Nase. Warum nicht? Sofern wir einen Weg finden, den Insassenschutz anderweitig zu gewährleisten, etwa durch Technik, wäre der Raum vor der Fahrerkabine unnötig. Man wird sehen.

Warum orientiert man sich dann nicht noch mal an Autos, die die Leute bereits lieben? Zeitlose Oldtimer, die man mit neuer Technik wieder auf den Markt bringen könnte. Da gab es ja schon einen Entscheidungsprozess, welches Design man auch heute noch mag und welche Fahrzeuge man inzwischen vergessen hat.
Das ist zu einfach. Da sind unsere Ziele einfach anders. Wir denken in bewährten Konzepten – das kommt hin. Aber wir versuchen auch, die Autos zeitlos modern zu machen.

Und einen aktuellen MX-5 elektrifizieren – ginge zumindest das?
Natürlich haben wir schon darüber nachgedacht. Aber das ist sehr schwierig, weil das Ergebnis zumindest aktuell nicht zum Konzept des Wagens passt. Ein MX-5 muss leicht und günstig sein. Mit einer Batterie und einem E-Antrieb ist das derzeit nicht umsetzbar.

Was sagt denn die Glaskugel – wann gibt die Technik das her?
Absolut keine Idee. Ich bin mir aber sicher, dass wir in zehn Jahren an einem ganz anderen Punkt stehen.

Wie wichtig ist das Design für die Kaufentscheidung der Kunden?
Normalerweise Platz eins, ganz selten auf Platz zwei. Design ist das A und O.

© Bernd Schuster / Mazda / PR

Zur Person

Der Mazda MX-5 ist der meistverkaufte Roadster der Welt. Das hat der Wagen nicht nur dem vergleichsweise humanen Preis zu verdanken, sondern auch seinem Design. Jo Stenuit, heute Design Director bei Mazda Motor Europe, sorgt seit 1998 dafür, dass die japanische Marke den Geschmack der Kunden trifft. Doch das Aussehen von Autos, wie wir sie heute kennen, könnte sich eines Tages radikal ändern. Denn mit fortschreitender Technik sind bei Elektroautos Dinge möglich, die mit herkömmlichen Motoren bislang völlig undenkbar waren. Stenuit, ein großer Fan der Arbeiten des deutschen Industriedesigners Dieter Rams, freut sich sehr auf diese Ära, auch wenn er die alten Zeiten etwas vermisst.

Wie messen Sie das?
Wir fragen. Früher noch während der Designphase, heute in der Regel nach dem Kauf. Da sind wir selbstbewusster geworden, weil wir uns mit unserer Kodo-Designsprache stark auf schlichtes und emotionales Design fokussieren, dass weltweit sehr gut ankommt und verstanden wird.

Worauf kommt es bei einem möglichst zeitlosen Design an?
Die “Basics of Design” müssen möglichst perfekt umgesetzt werden. Gute Proportionen, schöne Flächen und Details – aber eben gerade genug und nicht zu viel. Das hört sich sehr einfach an, ist aber in der Praxis unheimlich schwierig.

Gab es in Ihrer Karriere schon Autos, von denen Sie nach getaner Arbeit weniger überzeugt waren?
Im Nachhinein habe ich noch kein Design bereut, nein. Aber im Entstehungsprozess sind mir bereits Zweifel gekommen. Zuletzt beim Mazda3. Da hatte ich anfangs kein besonders gutes Gefühl. Das Tonmodell, also der erste Entwurf der Karosserie, war zunächst eine Frage der Gewohnheit. Heute finde ich das Design schön.

Wie erlebt man es als Designer, wenn man selbst von seiner Arbeit überzeugt ist, der Wagen aber bei den Kunden so gar nicht ankommt?
Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt. (lacht.) Nein im Ernst: Das ist immer eine subjektive Empfindung und manchmal ist es gar nicht so einfach, die Wahrnehmung anderer wirklich zu verstehen.

Welche Aufgabe hat ein Designchef in Deutschland bei einer japanischen Marke? 
Die Kollegen in Japan brauchen unseren Input. Wohin das führt, wenn Marken aus ganz anderen Teilen der Erde Autos für ferne Märkte entwerfen, konnte man in der Vergangenheit gut sehen. Menschen ticken anders und haben andere Ansprüche, deswegen liefern wir wichtigen Input, um international kompatible Kompromisse zu finden.

Ich glaube, das war beim Cybertruck wohl eher kein Thema. Was denken Sie darüber?
Als Provokation und Marketing-Gag ein tolles Auto. In Produktion hätte er aus meiner Sicht nicht unbedingt gehen müssen.

Warum?
Er macht die Straßen nicht schöner. Bei Autos geht es mir auch darum, dass die sich in die Landschaft einfügen und man sieht, dass Menschen sich Gedanken darüber gemacht haben. Ich will das Handwerk sehen können. Beim Cybertruck kann ich das nicht und ich glaube, dass der in zwei Jahren bereits merklich gealtert sein wird. Und das wäre dann im Sinne einer Wegwerfmentalität fatal, wenn das Auto wirklich nur für einen kurzen Hype herhalten musste und dann auf Halden vergammelt.

Was ist denn in Ihren Augen das schönste Auto – und bitte sagen Sie jetzt nicht Mazda3.
Habe ich ja schon. Aber wenn wir von Ikonen reden – und dann kommen auch ganz alte Autos ins Spiel – wäre es für mich der Toyota 2000 GT. Der ist fast Kunst, wirklich. Ein wahnsinnig schönes Auto. Aber: Heute unglaublich teuer.

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Warum schwärmen Sie besonders von alten Autos?
Weil sich in meinen Augen die Bedeutung von Autos verändert hat. Früher waren Autos Freiheit. Quasi der Inbegriff. Heute sind es Transportmittel, die uns in recht enge Bahnen drängen. Alles wird kontrolliert, alles piept. Das ist einfach ein anderes Gefühl als damals, aber vielleicht werde ich einfach zu alt.

Was ist denn, aus Designersicht, das hässlichste Auto der Welt?
Es gibt eine lange Liste von Autos, die ich nicht verstehe. Dass früher alle Autos schöner waren, stimmt auch einfach nicht. Man erinnert sich eben nur an die Highlights – und hat dabei Tausende Langweiler vergessen. Konkrete Beispiele nenne ich aber lieber nicht.

Der Fiat Multipla?
Der ist eigentlich sogar sehr interessant. Manchmal wohnt der Hässlichkeit auch Schönheit inne. Und der Multipla hat neue Dinge versucht, sich was getraut. Da gibt es schlimmere Autos.

Ein guter Kandidat für einen Retro-Trend also.
Ja, das ist wie bei der Mode auch. Alles kommt wieder. Meine Tochter fährt einen alten Mazda 626 aus den Achtzigern. Vor zehn Jahren wollte kein Mensch die haben, jetzt gilt das Auto wieder als cool.

Was würden Sie bauen, wenn Sie komplett freie Hand hätten?
Einen völlig neu gedachten Minivan fänd ich gut. Irgendwas für die Zeit nach der SUV-Ära.

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