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Hyundai Ioniq

Im Test: Hyundai Ioniq 6

Limousinen haben in Deutschland keinen leichten Stand. Doch die Elektromobilität könnte das ändern. Warum, zeigt der langstreckentaugliche Hyundai Ioniq 6 auf.

im test: hyundai ioniq 6

Hyundai Ioniq 6: Ganz auf Aerodynamik getrimmt. Hersteller

Wie er aussieht:

Wir sind niemandem begegnet, den der Anblick des Hyundai Ioniq 6 zu Begeisterungsstürmen hingerissen hätte. Vor allem das Heck mit seinen beiden Spoilern mutet, vorsichtig formuliert, arg gewöhnungsbedürftig an. Doch gerade beim Elektroauto muss man wissen, was man will. Soll es so wenig Stromverbrauch und damit so viel Reichweite wie möglich sein, dann ist nicht ein SUV die erste Wahl, sondern eine möglichst stromlinienförmige Limousine. Die Form des 4,86 Meter langen Ioniq 6 ordnet sich ganz dem Diktat der Aerodynamik unter; tatsächlich ist der Luftwiderstandsbeiwert von 0,21 exzellent und der bislang niedrigste bei Hyundai.

Verschwistert ist der Ioniq 6 mit dem SUV Ioniq 5. Beide Modelle basieren auf der sogenannten “Electric Global Modular Platform” (E-GMP).

im test: hyundai ioniq 6

Wie er eingerichtet ist:

Unlängst hatten wir einen Genesis Electrified GV70 in der Redaktion zu Gast, Genesis ist bekanntlich die Nobelmarke des Hyundai-Konzerns. An das feine Ambiente des Edel-Stromers erinnerten wir uns noch gut, als wir im Ioniq 6 Platz nahmen. Zum Mitbewerber aus dem eigenen Haus hält der Hyundai deutlich Abstand, der viele Kunststoff im Interieur wirkt nicht wirklich hochwertig. Immerhin: Hyundai verweist auf Öko-Materialien wie Bio-Kautschuk am Armaturenträger oder recycelte Fischernetze für die Teppiche. Und die beiden schönen, unter Glas vereinten 12,3-Zoll-Displays vermitteln einen modernen Eindruck und gestochen scharfe Bilder.

Dazu gibt es erfreulicherweise noch etliche mechanische Taster und einen Drehknopf für die Lautstärkeregelung. Dennoch gelingt die Bedienung nicht durchweg intuitiv, ad hoc fällt uns da die Sitzheizung beziehungsweise -kühlung ein – das Einstellen der Intensität erfordert zuerst einen Tastendruck und dann noch Touchen im Bildschirm-Menü. Ähnliches gilt fürs Gebläse.

Immer wieder gut gefällt uns aber der für Hyundai-Kia-Genesis-Modelle typische Totwinkelassistent, der bei aktiviertem Blinker ein Kamerabild dessen, was sich im uneinsehbaren Bereich tut, ans Fahrerdisplay überträgt. Das hat uns völlig ausgereicht, die echten digitalen Außenspiegel (1300 Euro) haben wir an unserem Testwagen nicht vermisst. Eine feine Sache sind zudem die optionalen Relax-Sitze, die sich – zum Beispiel während der Ladepause – in eine entspannte Liegeposition bringen lassen.

Wie viel Platz er hat:

Dass es den Vornesitzenden nicht an Bewegungsfreiheit gebricht, darf als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Doch auch in der zweiten Reihe reist man außerordentlich gut, beim Spielraum für die Beine zahlt sich der lange Radstand (drei Meter) aus. Ein 1,85 Meter großer Fondpassagier hat allerdings die für ihn zu knappe Kopffreiheit bemängelt, die von der ausgeprägten Dachschräge herrührt, Aerodynamik, wir erinnern uns.

im test: hyundai ioniq 6

Eher klein für eine Mittelklasse-Limousine ist der Kofferraum mit seinen 401 Litern Fassungsvermögen geraten, zudem fällt die Ladeöffnung unpraktisch schmal aus, und es gibt keine Durchlademöglichkeit für lange Gegenstände wie beispielsweise Skier. Das ist schade, denn die Ladelänge ist eigentlich beachtlich, um sie auszunutzen, müssen dann eben die Rücksitzlehnen umgeklappt werden. Außerdem befindet sich unter der Fronthaube ein zusätzliches 45-Liter-Staufach („Frunk“), beim Allrad-Modell fasst es nur 15 Liter.

Dass ein Elektroauto als Zugfahrzeug eingesetzt werden kann, ist nicht selbstverständlich. Der Ioniq 6 bietet diese Qualifikation, gebremst darf er bis zu 1500 Kilogramm in Schlepp nehmen.

Was ihn antreibt:

Ein im Heck verbauter Elektromotor, der 168 kW/229 PS Leistung und ein Drehmoment von 350 Newtonmetern bereitstellt. Den Fahrstrom speichert eine Lithium-Ionen-Batterie der Kapazität 77,4 kWh ab.

Daneben gibt es noch zwei weitere Antriebsoptionen: Das ebenfalls heckgetriebene Basismodell mit 111 kW/151 PS und 53-kWh-Akku sowie den allradgetriebenen Top-Ioniq 6, der über einen zusätzlichen E-Motor vorne verfügt, 229 kW/325 PS Systemleistung erbringt und mit der größeren 77-kWh-Batterie arbeitet.

Wie weit er kommt:

Sehr weit. Wer eine bedachtsam verhaltene und vorausschauende Fahrweise pflegt, muss die von Hyundai angegebenen 545 Kilometer keineswegs als unerreichbaren Mondwert abschreiben. Bei frühlingshaften Mai-Temperaturen zeigte uns der Bordcomputer bis zu 502 Kilometer Reichweite an, 450 Kilometer sind im Alltag absolut realistisch. Angesichts der nicht übermäßig opulenten Akkukapazität ist das eine hervorragende Hausnummer, das aerodynamische Feintuning zeigt Wirkung.

Tipp: Die 800 Euro Extra-Investition in 20-Zoll-Felgen, wie sie unser Testwagen trug, einsparen und es bei 18-Zöllern belassen. Dann steigt die Norm-Reichweite sogar auf 614 Kilometer.

im test: hyundai ioniq 6

Wie er lädt:

Auch das ist ein ruhmreiches Kapitel für den Ioniq 6. Denn er gehört zu den wenigen Elektroautos, die sich auf 800-Volt-Ladetechnik berufen können. Damit verträgt er am entsprechend kompetenten High-Power-Charger rein theoretisch eine Ladeleistung von bis zu 350 kW und soll in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent Ladestand zu bringen sein. Unser übers Navi auf den Ladestopp vorkonditionierter Testwagen schaffte als Peakleistung 235 kW und lud in zehn Minuten von 50 auf 80 Prozent beziehungsweise in 34 Minuten auf 100 Prozent. Wechselstrom aus der gängigen 11-kW-Wallbox wird mit bis zu 11 kW bezogen.

Noch ein Wort zum Navi: Es berücksichtigt bei der Routenplanung auch Ladestopps und die angezeigten Stationen lassen sich nach Betreiber, Ladestrom (High Power Charger, DC-Gleichstrom, AC-Wechselstrom) und Kriterien wie “entlang der Route” oder “nahe Ihrer Position” filtern. Wie lange der Halt dauern und bis zu welchem Ladestand “aufgetankt” werden soll, wird aber nicht vermittelt.

Außerdem gibt es zu sagen, dass der Ioniq 6 mit der Funktion “Vehicle to Load” ausgestattet ist, die es dem Fahrzeug ermöglicht, seinerseits externe Verbraucher wie E-Bikes oder den elektrischen Campinggrill mit Strom zu versorgen. Und per “Plug & Charge” authentifiziert sich der Wagen automatisch an der Ladestation, App oder Ladekarte sind somit obsolet.

Was er verbraucht:

Als Schnitt schrieben wir 16,8 kWh/100 km ins Fahrtenbuch, das ist für ein Auto dieser Größenordnung sehr sparsam. In der Stadt kamen wir sogar auf 13,3 kWh, und selbst die mit der Autobahn-Richtgeschwindigkeit von 130 km/h zurückgelegte Langstrecke wurde mit 18,9 kWh bewältigt.

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Wie er sich fährt:

Die aufgebotenen 229 PS sind mehr als genug, um den rund zwei Tonnen schweren Hyundai-Stromer angemessen und schön homogen voranzubringen. In 7,4 Sekunden eilt er von 0 auf 100 km/h, einem über 185 km/h hinausgehenden Vortrieb gebietet die Elektronik Einhalt. Das kommod abgestimmte Fahrwerk vermittelt den Eindruck langstreckenbequemer Behaglichkeit, nur Querfugen oder ähnlichen Störstellen begegnet der Ioniq 6 bisweilen etwas ruppig, und für sportliche Handlingerlebnisse ist er lediglich bedingt zu haben, auch wenn sich am Lenkrad neben den Fahrmodi Eco und Comfort die Kennlinie “Sport” ansteuern lässt.

Am Volant sitzen Wippen, die dem Einstellen der Rekuperation dienen. Das funktioniert mehrstufig und erreicht im “i-Pedal”-Modus maximale Wirkung, das Fahrzeug bremst dann bis zum Stillstand ab.

Fürchterlich genervt haben uns die unentwegt piependen Warntöne der Verkehrszeichenerkennung. Einer erklingt, wenn sich das Tempolimit ändert, ein anderer, doppelter ertönt, sobald die erlaubte Geschwindigkeit auch nur minimal überschritten wird, wir reden hier nicht von Rasen. Über die verschlungenen Pfade des Infotainments haben wir zwar zur Möglichkeit gefunden, das Konzert zu deaktivieren. Allerdings wird damit gleich die gesamte Verkehrszeichenerkennung ausgeschaltet. Und bei jedem Fahrtbeginn muss das umständliche Prozedere erneut durchgeführt werden.

im test: hyundai ioniq 6

Was er bietet:

Zur Serienausstattung des Basismodells gehören unter anderem 18-Zoll-Leichtmetallfelgen, Batterieheizsystem und -vorkonditionierung, Navi, Sitz- und Lenkradheizung, elektrische Heckklappe, Adaptivtempomat und Rückfahrkamera. Beim Ioniq 6 mit 77-kWh-Batterie wird serienmäßig das “Dynamiq”-Paket mitgeliefert, das beispielsweise die sinnvolle Wärmepumpe, den Querverkehrswarner sowie den elektrisch verstellbaren Fahrersitz enthält. Noch weitergehende Fahrassistenten und Features wie Matrix-LED-Scheinwerfer, Head-up-Display, fernbedienbare Einparkautomatik oder Surround-View-Monitor sind in den Paketen “Techniq” und “Uniq” gebündelt.

Hyundai gewährt zudem ein Acht-Jahres-Garantiepaket inklusive Mobilitätsgarantie, auch für die Hochvoltbatterie gilt eine Garantie von acht Jahren oder bis zu 160.000 Kilometern.

Was er kostet:

Ab 54.400 Euro. Aktuell kann davon der Umweltbonus in Höhe von knapp 7200 Euro abgezogen werden. Hyundai sichert privaten Käufern zu, dass sie die Prämie auch dann erhalten, wenn das Fahrzeug erst im nächsten Jahr ausgeliefert wird. In diesem Fall gleicht der Hersteller den reduzierten Teil am staatlichen Bonus aus. Voraussetzung ist, dass der Kaufvertrag bis zum 31. Juli 2023 beim Vertragshändler unterzeichnet wird.

Was wir meinen:

Beeindruckende Reichweite, starke Ladetechnik – so wie mit dem Hyundai Ioniq 6 muss langstreckentaugliche Elektromobilität funktionieren. Einige Schwachpunkte, allen voran das  permanente Piepkonzert, gilt es billigend in Kauf zu nehmen.

Ulla Ellmer

Datenblatt Hyundai Ioniq 6 77,4 kWh Heckantrieb

Antrieb: Elektromotor an der Hinterachse, Heckantrieb, 1-stufiges Reduktionsgetriebe

Leistung: 168 kW/229 PS

Max. Drehmoment: 350 Nm

Batterietyp: Lithium-Ionen

Batteriekapazität: 77,4 kWh

Ladeanschluss: Typ 2, 3-phasig, bis 11 kW und CCS, bis 350 kW

Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h

Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 7,4 sec

Reichweite WLTP: 614 km (18-Zoll-Felgen), 545 km (20-Zoll-Felgen)

Normverbrauch WLTP: 14,3 kWh (18-Zoll-Felgen), 16,0 kWh (20-Zoll-Felgen)

Testverbrauch: 16,8 kWh/100 km

CO2-Emission: 0 g/km

Energie-Effizienzklasse: A+++

Länge: 4,86 m

Breite: 1,88 m

Höhe: 1,50 m

Gepäckraum: 401 l plus 45 l („Frunk“)

Leergewicht: 1985 – 2061 kg

Zulässiges Gesamtgewicht: 2410 kg

Anhängelast: 750 kg ungebremst, 1500 kg gebremst

Versicherungs-Typklassen: 19 (HP), 23 (TK), 27 (VK)

Preis: Ab 54.400 Euro

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