Der Staria fährt zwar nicht elektrisch, aber genau in die Lücke, die VW offenlässt. Er ist groß, hat einen Diesel und ist vergleichsweise günstig. Ein Test.
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- Große Fensterflächen, gute Übersicht
- Hyundai Staria Innenraum (10 Bilder)
- Verbrauch
- Hyundai Staria außen (4 Bilder)
- Kurzfristig kein batterieelektrischer Antrieb
- Variabel, aber kein natürlicher Camper
- Assistenzsysteme
- Vergleichsweise günstiger Raumgleiter
- Lesen Sie weitere Tests auf heise/Autos
(Bild: Christoph M. Schwarzer)
“Nur ab Lager erhältlich”: Bei Volkswagen gibt es lediglich Restexemplare des T6. Wer einen Multivan haben will, bekommt den T7, und wer einen elektrischen Bus von VW fahren möchte, muss den ID.Buzz nehmen. Der T8, weitgehend baugleich mit dem neuen Ford Transit Custom, rollt frühestens in einem Jahr über die Straßen: Volkswagen hat sich bei der Modellpolitik verstolpert. Die Zielgruppe könnte sich den Hyundai Staria näher anschauen. Der ist ein Van im besten Sinn. Ein großzügig geschnittener, praktischer Bus, der den Namen verdient und der keineswegs nur von der Schwäche der Auswahl von Volkswagen profitiert. Der Preis stimmt auch: In der Basisvariante Trend kostet er inklusive Automatikgetriebe und beidseitigen Schiebetüren 48.100 Euro.
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Große Fensterflächen, gute Übersicht
Autofahrer die es noch gewohnt sind, mit Spiegeln und Drehen des Kopfes zu arbeiten, können den Staria problemlos rangieren. Das liegt unter anderem an den großen Fensterflächen. Beim Blick nach rechts hinten zum Beispiel sieht man mehr als in manchem Kompaktwagen. Kunden, die viel in der Stadt unterwegs sind und einparken müssen, sollten 750 Euro (Ausstattung Signature: Serie) für die 360-Grad-Kamera investieren: Sie erleichtert den Alltag, und den Totwinkel-Assistent mit Monitoranzeige gibt es dazu. Ein tolles Feature, das Hyundai beim Nexo eingeführt hatte und nun in vielen Baureihen zu haben ist. Beim Setzen des Blinkers blendet die Kamera ungefähr das Bild ins Cockpit ein, das der Schulterblick ergeben würde.
Hyundai Staria Innenraum (10 Bilder)
Das Interieur ist durchweg aufgeräumt und anders als die äußere Form konservativ. Die Bedienbarkeit ist schlüssig und simpel. Hyundai hat hier bei vielen Pkw eine vernünftige Mischung aus Tasten und Touchbedienung gefunden. (Bild: Christoph M. Schwarzer)
Im Alltag fährt sich der Hyundai Staria ähnlich wie ein VW Bus an, nur ungleich moderner. Der T6 war zuletzt ausentwickelt, oder anders ausgedrückt: veraltet. Der Dieselmotor im Staria mit 2,2 Litern, Hubraum, 130 kW und 430 Nm ist vergleichsweise vibrationsarm und leise. Die Achtgang-Wandlerautomatik sortiert die Übersetzungen gelassen. Schnell stellt sich das typische Busgefühl ein: Hohe Sitzposition, gemächliche Fahrweise, Wankneigung in Kurven. Beim starken Beschleunigen (12,4 Sekunden bis 100 km/h) drehen die Vorderräder leicht durch, allerdings ohne die starke Neigung zum Stempeln, wie sie vom T6 bekannt war. So fährt man eh nicht mit einem Bus. Käufer, die in den Bergen wohnen oder Wohnwagen vom nassen Campingplatz schleppen wollen, sollten trotzdem den Allradantrieb erwägen. Die Anhängelast ist leider mager: 1,5 Tonnen für Front- als auch Allradantrieb sind in diesem Segment wenig.
Verbrauch
Für den Frontantrieb spricht der gemessen am Format günstige Kraftstoffverbrauch: Im Testmittel waren es bei gemächlicher Fahrt rund 7,5 Liter auf 100 Kilometer. Das ist auch der Durchschnitt bei Tempo 130, wo eine Drehzahl von gerade einmal 2100/min anliegt. Im Kurzstreckenbetrieb oder im Stadtverkehr in der Rushhour steigt der Verbrauch allerdings auf über zehn Liter an. Der Minimalwert von 6 Litern wurde im Überlandbetrieb ermittelt. Bei einem Tankinhalt von 75 Litern können sich also rund 1000 km Reichweite ergeben.
Freunde der Marke Hyundai werden spätestens jetzt fragen: Wo ist der elektrische Antrieb? Schließlich hat Hyundai mit der 800-Volt-basierten e-GMP eine der besten Plattformen, die es derzeit zu kaufen gibt. Offiziell heißt es lediglich, dass ab 2035 – also so wie gesetzlich vorgegeben – alle Modelle ohne konventionellen Verbrenner und ab 2026 “elektrifiziert” sind. Letzteres wiederum kann auch ein Mildhybridantrieb sein, also zum Beispiel ein 48-Volt-Startergenerator, der den Dieselmotor unterstützt.
Hyundai Staria außen (4 Bilder)
Der Hyundai Staria ist einerseits ein klassischer Bus und andererseits größer als die Konkurrenz von VW oder aus dem Stellantis-Konzern: Mit 5,25 Meter Länge bei jeweils knapp zwei Metern Höhe und Breite schafft er Platz für neun Menschen und Gepäck. (Bild: Christoph M. Schwarzer)
Kurzfristig kein batterieelektrischer Antrieb
Zugleich lässt sich kaum schönreden, dass batterieelektrische Vans wegen der sehr großen Stirnfläche – und das trifft bei zwei Meter Höhe mal zwei Meter Breite eben ganz besonders auf den Staria zu – Probleme mit der Autobahnreichweite haben. Das sind rund vier Quadratmeter. Zum Vergleich: Ein Mercedes[ ]EQS kommt auf rund 2,5 m2 Stirnfläche. 1000 km am Stück fährt in der Praxis niemand, aber was bei elektrischen Stellantis-Vans oder der VW ID.Buzz bieten, nämlich wohlmeinend 200 bis 250 km bei Richtgeschwindigkeit, nicht degradierter Neubatterie und günstigem Wetter, dürfte vielen Interessenten zu wenig sein. Was derzeit nicht ist, wird natürlich noch werden, wenn Energieinhalte von über 100 kWh normal und die Ladezeiten auf eine Viertelstunde verkürzt sind. Das wird noch etwas dauern.
Variabel, aber kein natürlicher Camper
Zurück zur Gegenwart: Der Hyundai Staria wird Menschen anziehen, die das Raumangebot nutzen wollen. Ja, es gibt sie wirklich, die Familien mit mehr als zwei Kindern. Oder dörfliche Rufbusse. Oder für die Behindertenmobilität. Die Schiebetüren auf beiden Seiten erleichtern den Einstieg, und mit einem Zug an einem roten Band öffnet sich der Weg in die dritte Reihe. Die ist bis zur mittleren Körpergröße gar nicht übel.
Die Variabilität ist gut, es bleiben aber bestimmte Wünsche offen. Zwar sind viele große Ablagen vorhanden, und die Sitze sind in allen Reihen verschieb- und klappbar. So muss es sein in einem Van. Der Ausbau der Sitze gelingt jedoch nicht ohne Werkzeug und ist vom Hersteller eigentlich nicht vorgesehen. Das sollte Hyundai verbessern. Für eine ebene Schlaffläche fehlt das, was bei VW Multiflexboard heißt; vereinfacht gesagt ein tragfähiges Brett auf Sitzflächenhöhe. Eine Matratze muss in jedem Fall eingelegt werden, weil man anders als im California Beach nicht auf der Sitzfläche, sondern wie im ID.Buzz auf der harten Rückseite der Sitze liegt.
Assistenzsysteme
Die Formensprache des Hyundai Staria gefällt zwar sicher nicht jedem, ist mit den klaren Linien und der fast schnellzugartigen Front aber weniger polarisierend als der Ioniq[ ]6. Überhaupt würde der Staria beim Design ideal ins Bild der Elektroautos von Hyundai passen. Innen ist er dagegen optisch konservativ. Die Bedienung ist simpel und schlüssig gemacht, und auch die Assistenzsysteme folgen der Logik aus den Elektroautos von Hyundai: Über Tasten am Lenkrad lassen sich der adaptive Tempomat und die Spurmittenführung aktivieren, die auf der Autobahn einen sehr guten Job macht. Reinsetzen, Geschwindigkeitsregelung und Lenkassistent einschalten, Strecke machen, fahren, fahren, fahren. Ebenfalls gut funktioniert die Sprachsteuerung, was erwähnt werden muss, weil viele Pkw hier nicht halten, was die Papierform verspricht.
Das Verhältnis von Preis, Platz und Leistung ist beim Hyundai Staria sehr gut. Ein Cruiser durch und durch, mit einem Durchschnittsverbrauch von 7,5 Litern. Was fehlt, ist ein Camper, und die Anhängelast ist mit 1,5 Tonnen in diesem Segment dürftig.
Vergleichsweise günstiger Raumgleiter
Der Hyundai Staria ist nicht weniger als der Bus, den VW nicht baut: Modern und riesig und alles zu einem Preis, der fürs Gebotene vergleichsweise günstig ist. Ein klassischer Raumgleiter mit Dieselmotor und Assistenzsystemen, die vielen Konkurrenten voraus sind. Der Staria ist schlicht eine Preis-Leistungsempfehlung. Nur die Kunden, die lieber einen elektrischen Van haben wollen, müssen noch etwas warten.
Lesen Sie weitere Tests auf heise/Autos
(mfz)