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Hersteller aus Fernost: Chinas Frust auf Deutschlands Automarkt

hersteller aus fernost: chinas frust auf deutschlands automarkt

Xpeng befindet sich wegen der Kooperation mit Volkswagen in relativ ruhigen Fahrwassern.

Das nachlassende Interesse für Elektroautos und hausgemachte Probleme sorgen bei chinesischen Autokonzernen auf dem deutschen Markt für Enttäuschungen und vielerlei Turbulenzen. Die haben nun auch den zum chinesischen Geely-Konzern gehörenden Autohersteller Polestar erreicht. Dort gibt der bisherige Chef Thomas Ingenlath auf, der Polestar seit der Gründung als unabhängiges Autounternehmen geleitet hat. Sein Nachfolger wird von Oktober an der 55 Jahre alte Michael Lohscheller, der von 2017 bis 2021 in der Position des Vorstandsvorsitzenden Opel sanierte, danach kurze Amtsperioden hatte als Chef des vietnamesischen Autoherstellers Vingroup, des amerikanischen Lastwagenherstellers Nikola und seit Juni als Präsident des Verbandes der Autoimporteure in Deutschland.

Geely hatte große Hoffnungen in Pole­star gelegt, das aus einer Sportabteilung des ebenfalls zu Geely gehörenden Autoherstellers Volvo Cars entstand und im Unterschied zu Volvo noch teurere und noch designorientiertere Autos anbieten sollte. Polestar konnte den schon vorgestellten großen Sport-SUV namens Pole­star 3 nicht auf den Markt bringen, weil es wie auch bei den Partnern von Volvo Probleme mit der Software gab. Das Geschäft der in den USA notierten Firma stützte sich weiter auf ein einziges Modell, das 2019 vorgestellte sportliche Mittelklasse-Elektroauto Polestar 2. Dieses wird wie bisher alle anderen Modelle von ­Geely in China produziert. Der Umsatz vom Polestar war im ersten Quartal 2024 im Jahresvergleich um mehr als ein Drittel auf 345 Millionen Dollar gefallen, der operative Verlust betrug 232 Millionen Dollar. 2023 war der Umsatz um 3 Prozent auf 2,38 Milliarden Dollar geschrumpft und der operative Verlust um 13 Prozent auf 1,46 Milliarden Dollar gewachsen.

Verkaufszahlen von BYD stocken weiterhin

Polestar ist als hoffnungsvolles Start-up angetreten, will gerade zwei neue Modelle auf dem Markt einführen und hat schon zwei weitere entwickelt. Verglichen mit anderen rein chinesischen Anbietern hat Polestar den Vorteil, dass es ein stabiles Verkaufsnetz und eine eingespielte Serviceorganisation gibt – denn der Service wird von der früheren Muttergesellschaft Volvo Cars übernommen. Die ebenfalls zu Geely gehörenden Marken Lynk (mit Volvo-Technik) und Lotus (mit Wurzeln in Europa, Produktion in China) können aber auch keine Erfolge vorweisen.

Verglichen mit Polestar sind die frisch in Deutschland angetretenen rein chinesischen Anbieter wie BYD, Nio oder Great Wall Motors bei Vertrieb und Service noch in den Anfängen steckengeblieben. Die fehlenden Netze behindern nun den Verkauf und führten bisher nur zu verschwindend kleinen Neuzulassungen, die größtenteils auf das Konto von Vorführwagen gehen. Die Effekte etwaiger Zollerhöhungen der EU auf chinesische Autos sind da noch gar nicht berücksichtigt.

Vorzeigbare Zahlen und einen Marktanteil von 0,9 Prozent in Deutschland hat allein die zum Saic-Konzern gehörenden Marke MG Motor zu bieten, die Namen und teils auch Modelle vom britischen Rover-Konzern übernahm und seit 2007 auf dem europäischen Markt präsent ist. Mit der neuen SUV-Marke Maxus hat Saic dagegen Schwierigkeiten wie alle anderen chinesischen Anbieter. Vor allem dem chinesischen Weltmarktführer für Elektroautos BYD (Build Your ­Dreams), der unter anderen als Sponsor der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland auftrat, hatten viele Beobachter schnellere Erfolge zugetraut. BYD ließ riesige Schiffe bauen für den Transport der Autos nach Europa, die Ankunft des ersten Autofrachters mit 3000 Fahrzeugen im Februar dieses Jahres wurde zum Medienereignis. Die Verkaufszahlen stocken allerdings weiterhin.

Suche nach Handels- und Servicepartnern ist schwer

Im der Frankfurter BYD-Vertretung nahe der Alten Oper sind daher eher selten Kunden zu sehen. Im Frühjahr hieß es dort noch, man warte auf neue Verkaufsaktionen mit Rabatten. Inzwischen wird mitgeteilt, Rabattaktionen seien nicht mehr zu erwarten, andererseits hätten etwaige Zollerhöhungen der EU auf chinesische Autos keine Auswirkungen auf die Listenpreise. Für die kleinsten Modelle wurden die Preise allerdings handschriftlich um 3000 und 5000 Euro gesenkt, bisher offenbar ohne durchschlagenden Effekt auf die Verkaufszahlen. Die BYD-Neuzulassungen im Juli 2024 lagen mit 230 um 43 Prozent unter dem Vorjahreswert.

Wegen des schlechten Starts auf dem deutschen Markt will BYD nun mit dem Autovertrieb in Deutschland noch einmal von vorne anfangen, berichten übereinstimmend verschiedene Medien. Bisher sei das schwedische Autovertriebsunternehmen Hedin mit der Markteinführung von BYD in Deutschland betraut gewesen, doch von Oktober an will BYD angeblich den Vertrieb selbst in die Hand nehmen. BYD setzte mit seinem Importeur Hedin bislang in Deutschland angeblich nur auf sechs große Händlerunternehmen.

Wie schwer die Suche nach Handels- und Servicepartnern sein kann, erfährt auch Nio, eine Marke, die von vorneherein mit Premiumansprüchen auf den deutschen Markt kam. Hier wurden in wenigen Großstädten in bester Lage aufwendige Kundenzentren eröffnet, die mit Konferenzräumen, Kaffeebar und W-LAN für Studenten und Kleinunternehmer zumindest Besucherverkehr generierten, aber dennoch keine Verkaufszahlen. Der aus Norwegen, Europas wichtigstem E-Auto-Markt, angeheuerte Marius Hayler verlässt schon wieder die Position als erster Deutschland-Chef des Unternehmens. Noch größeren Krach gab es offenbar bei Great Wall Motors, unter anderem mit dem Vertrieb für den Käfer-ähnlichen Elektro-Kleinwagen Ora. Dort wurde Ende Mai mitgeteilt, dass die gesamte Europazentrale in München mit 100 Mitarbeitern geschlossen werde. In ruhigerem Fahrwasser sind bisher nur diejenigen chinesischen Autohersteller, die mit den größten Autokonzernen Europas Kooperationsabkommen geschlossen haben: Xpeng, der Partner von Volkswagen, und Leapmotor, Partner von Stellantis.

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