Motorrad

Harley-Davidson findet nicht aus der Krise​ trotz neuer Modelle und E-Motorrad

Trotz neuer Motoren und E-Bike haben sich Harley-Davidsons Verkäufe in zehn Jahren knapp halbiert – während die Stammkunden vorwiegend Best Ager blieben.

harley-davidson findet nicht aus der krise​ trotz neuer modelle und e-motorrad

Unsere Erfahrungen mit der LiveWire One waren nicht schlecht – doch dafür ist das Elektromotorrad trotzdem zu teuer.

(Bild: Clemens Gleich)

Die ikonische, amerikanische Motorrad-Marke Harley-Davidson schafft es nicht aus der Krise. Sie gilt als Kult, doch das Easy-Rider-Image allein scheint nicht mehr auszureichen, um neue Kunden anzulocken. Vor knapp zehn Jahren gehörte die Marke aus Milwaukee noch zu den erfolgreichsten Motorradherstellern und verkaufte im Geschäftsjahr 2014 weltweit 329.776 Bikes, alle mit mächtigen V2-Motoren bestückt. Damals hätte sich wohl niemand vorstellen können, dass es danach steil bergab gehen würde. Doch 2018 musste Harley-Davidson sein Werk in Kansas City schließen und 800 Mitarbeiter entlassen. Stattdessen eröffneten sie zwei Jahre später ein Werk in Thailand, wo die Lohnkosten erheblich billiger waren.

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Innerhalb von zehn Jahren sank der globale Absatz von Harley-Davidson um über 45 Prozent auf 179.984 Motorräder. Die Umsätze nahmen stetig ab, das operative Einkommen wies 2023 ein Minus von 14 Prozent zum Vorjahr aus. Es fiel von 909 auf 779 Millionen US-Dollar. Die Geschäftsführung steht mächtig unter Druck, denn auch der Aktienkurs fiel in den vergangenen zwölf Monaten um gut ein Viertel (Stand: 01. März 2024).

Krise bei Harley-Davidson (8 Bilder)

harley-davidson findet nicht aus der krise​ trotz neuer modelle und e-motorrad

Harley-Davidson gilt für viele immer noch als Ikone, aber die US-Marke steckt in der Krise. In den letzten zehn Jahren haben sich ihre Absatzzahlen fast halbiert. Da helfen auch eindrucksvolle Modelle wie die Breakout nicht. (Bild: Harley-Davidson)

Zehn Prozent minus im Heimatmarkt

Harley-Davidson performte 2023 weltweit als einer der schlechtesten unter den Top-20-Motorradherstellern. Selbst in ihrem traditionell starken Heimatmarkt sanken die Verkäufe innerhalb eines Jahres um zehn Prozent von 117.100 auf 105.900 Stück. Dabei konnte Harley-Davidson es noch nicht einmal auf eine schlechte Konjunkturlage schieben, denn im vergangenen Jahr legte die US-Wirtschaft sogar um 2,5 Prozent zu. In Deutschland wiesen 2023 die zehn erfolgreichsten Motorradmarken bei den Neuzulassungen alle ein Plus aus (Honda verdoppelte seine Verkäufe sogar fast), einzig Harley-Davidson schloss mit einem Minus von 4,5 Prozent ab. Deutschland war keine Ausnahme, in allen Weltmärkten schrumpften die Verkäufe der Marke aus Milwaukee. Die Gründe sind vielfältig: zu teuer, überalterte Technik, keine trendigen Modelle.

Der neue wassergekühlte 1252-cm3-Revolution-Max-Motor brachte nicht viel Besserung. Harley-Davidson versuchte damit, in ihnen bislang unbekannte Segmente vorzustoßen. Die hauptsächlich für den europäischen Markt entwickelte Reiseenduro Pan America – von der Fachpresse allgemein gelobt – entfachte vor zwei Jahren ein kurzes Strohfeuer, das aber 2023 schon wieder erlosch. In Deutschland entschieden sich nur noch 424 Käufer (2022: 711) für die Enduro mit dem kontroversen Design. Das gleiche Bild zeigte sich bei der neuen Sportster S, deren Verkauf sich innerhalb eines Jahres um mehr als die Hälfte von 982 auf 411 Stück reduzierte. Die Marktsättigung war bei beiden Modellen offensichtlich schnell erreicht. Die mit einem neuen wassergekühlten 975-cm3-Motor bestückte Nightster fiel komplett durch. Ganze 131 Exemplare konnte Harley-Davidson 2023 davon in Deutschland absetzen, dabei war die Nightster mit 14.995 Euro das billigste Modell im Programm.

Auf Cruiser und Tourer spezialisiert

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Cruiser und Tourer sind in Europa kaum noch angesagt, doch genau auf die beiden Segmente ist Harley-Davidson spezialisiert. Die Unterschiede zwischen manchen Modellen sind nur für Experten ersichtlich, dazu liegen sie noch im Hochpreissegment. Die meistverkaufte Harley-Davidson in Deutschland war vergangenes Jahr die Sport Glide mit 713 Neuzulassungen, ihr Listenpreis: 20.495 Euro, dahinter folgten die Street Bob für 16.995 Euro und die Breakout für 28.735 Euro. Alles keine Schnäppchenpreise.

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Die Wende bleibt aus

2017 hatte der damalige CEO Matt Levatich die Wende mit “More roads to Harley-Davidson” verkündet. Es sollten in den nächsten zehn Jahren 100 neue Modelle entstehen, zwei Millionen neue Kunden angelockt und dafür eine Milliarde Dollar investiert werden. Das Vorhaben scheiterte und Levatich wurde 2020 durch den Deutschen Jochen Zeitz ersetzt, der vorher den Sportartikelhersteller Puma saniert hatte. Auch wenn die Dyna-Baureihe inzwischen gestrichen wurde, leistet sich Harley-Davidson immer noch den Luxus von 23 Motorradmodellen und zwei Trikes, die allesamt mit großen V2-Motoren bestückt sind, von denen sich aber keines überdurchschnittlich verkauft. Entsprechend hoch sind die Produktionskosten für jedes Modell.

Zurzeit verkaufen sich in Europa Mittelklasse-Motorräder bis 95 PS hervorragend, bevorzugt Naked Bikes und Reiseenduros, aber selbst die Sportler erleben ein Comeback. Harley-Davidson hat in den Klassen absolut nichts anzubieten. Dabei ist die Marke seit Jahrzehnten im Flat-Track-Racing außerordentlich erfolgreich, doch auf die Idee, einen Ableger der XG750R mit Straßenzulassung zu entwickeln, kommt in Milwaukee niemand. Harley-Davidson hält immer noch die Namensrechte an der legendären Sportmarke “Buell”, allein es fehlen Sportmotorräder. Das 2020 angekündigte, attraktive Naked Bike “Bronx”, dessen Prototyp bereits auf einer Messe stand, verschwand wieder in der Schublade. Dabei hätte das Modell mit dem modernen Revolution-Max-Motor gute Chancen auf Erfolg gehabt.

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