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Harley-Davidson Breakout im Fahrbericht: Schwerkraftrad

Zwei Wochen mit der Harley-Davidson Breakout: Kein Bike für jeden, aber mit Harleys größtem Motor noch imponierender zu fahren. Einige Ungereimtheiten bleiben.

harley-davidson breakout im fahrbericht: schwerkraftrad

(Bild: Ingo Gach)

Um gleich mit dem überzeugendsten Argument der Harley-Davidson Breakout anzufangen: 117. Nein, nicht PS, sondern Kubikinch. Wer mit dem angloamerikanischen Maßsystem nicht vertraut ist: Das entspricht 1923 Kubikzentimeter Hubraum. Macht 961,5 Kubikzentimeter pro Zylinder. Mehr Einzelhubraum hat im modernen Motorradbau zurzeit kein Serienmotor zu bieten. Mit diesem gigantischen 45-Grad-V2 beglückt Harley-Davidson ab diesem Modelljahr seine Breakout. Versteht sich, dass wir dieses Motorrad testen müssen.

Die Breakout fällt auf

Harley-Davidson feiert dieses Jahr seinen 120. Geburtstag. Zu diesem Anlass hat die amerikanische Marke die Breakout mit dem Milwaukee-Eight-117-Motor versehen. Nicht, dass der bisherige Milwaukee-Eight-114 an Schwindsucht gelitten hätte, aber man kann einen Harley-Fan mit kaum etwas mehr Freude machen, als mit noch mehr Hubraum. Die Breakout genießt großen Zuspruch in Deutschland, sie gehörte seit ihrer Vorstellung 2018 in der Verkaufsstatistik immer zu den fünf beliebtesten Modellen der Marke. Tatsächlich sticht sie mit ihrem Dragster-Stil im Harley-Programm heraus: ein ellenlanger Radstand, ein fetter 240er-Hinterreifen, eine flach stehende Telegabel, ein breiten Lenker und dazu ein 21-Zoll-Vorderrad – eine Dimension, die man sonst nur an Geländemotorrädern findet – außer ausgerechnet an Harleys eigener Reiseenduro.

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Größerer Tank

Die Breakout täuscht einen Starrahmen vor, doch in Wahrheit versteckt sich unter dem Sitz ein Federbein, das auf die schwarz lackierte Dreiecksschwinge wirkt. Die so versteckte Federung soll ihr einen nostalgischen Touch verleihen. Ganz neu ist der Tank, dessen Inhalt von 13,2 auf 18,9 Liter vergrößert wurde, was natürlich die Reichweite deutlich erhöht. Auch die Räder zeigen sich in einem ganz neuen Stil mit 26 filigranen Speichen, die an der Außenseite überfräst sind. Außerdem setzt Harley-Davidson bei der Breakout auf viel mehr Chrom als bislang: die beiden übereinander angeordneten Endschalldämpfer, der Heckrahmen, die Seitencover, die Rückspiegel und die Blinker tragen nun glänzendes Chrom, statt schlichtem Schwarz. Ebenfalls neu ist der verchromte Mittelsteg auf dem Tank, der allerdings keinen tieferen Sinn hat, außer das Bike zu verschönern.

Winziges LC-Display

Mein erster Eindruck als ich vor der neuen Breakout stehe: elegant, aber das riesige Vorderrad wirkt übertrieben. Zumal ein 21-Zoll-Rad an der Front nicht gerade die Handlichkeit fördert, genauso wenig wie ein ultrabreites 240er-Hinterrad. Aber das tut ja auch der durch die flach stehenden Gabel große Nachlauf nicht. Ich lasse mich auf die bequeme Sitzkuhle in nur 665 mm Höhe sinken. Der Fahrersitz besteht aus zwei verschiedenen Ledersorten, ist in der Mitte perforiert und mit weißen Nähten sowie einer verchromten “Harley-Davidson”-Plakette versehen. Sowas schätzen die Kunden. Der knappe Soziussitz ist hingegen eine Zumutung.

Harley-Davidson Breakout Fahrbericht (7 Bilder)

harley-davidson breakout im fahrbericht: schwerkraftrad

Harley-Davidson hat seine Breakout für 2023 gründlich überarbeitet. Beliebt wird sie sicher bleiben. (Bild: Ingo Gach)

In die verchromte Lenkerhalterung ist ein LC-Display eingelassen, das die Geschwindigkeit, den Tankinhalt und wahlweise einige andere Infos anzeigt. Es mit “winzig” zu beschreiben wäre noch eine Untertreibung. Für Harley-Fahrer, die ihre Bikes “clean”, also möglichst ohne überflüssige Anbauten haben wollen, werden begeistert sein, aber man muss schon sehr genau hinsehen, um die Anzeigen zu erkennen. Die Breakout hat rundum LED-Licht und in die hinteren Blinker ist das Rücklicht integriert. So kann die Hinterradabdeckung kurz gehalten werden und verdeckt nicht den Blick auf den breiten Hinterreifen.

Unverkennbarer Sound

Das Keyless-go-System macht ein Zündschloss überflüssig, ein Lenkerschloss ist aber vorhanden, so dass sehr wohl noch ein Schlüssel mitgeführt werden muss. Ein kurzer Druck auf den E-Starter und der mächtige V2 nimmt seine Arbeit auf. Nur Leute, die jeglichen Bezug zu motorisierten Fahrzeugen verweigern, können sich der Faszination dieses unverkennbaren Harley-Sounds entziehen. Zwei faustgroße Kolben sausen in den mit verchromten Kühlrippen versehen XXL-Zylindern auf und ab und stoßen unter rhytmischen Grollen das verbrannte Gemisch aus. Im Standgas dreht der Motor gerade mal 850/min, was ein Gefühl vermittelt, als könne die einzelnen Umdrehungen fast mitzählen.

Die Kupplung ist erstaunlich leichtgängig, ein Umstand, den man beim Anblick des riesigen Motors nicht erwartet. Der erste Gang rastet mit einem satten “Klong” ein und die Breakout nimmt druckvoll Fahrt auf. Als ich den rechten Fuß auf die weit vorne liegende Rast stellen will, stoße ich mir das Schienbein am seitlich herausstehenden Luftfilter an. Das sollte mir während des gesamten Tests noch öfters noch passieren. Es mag ja sein, dass der von Harley-Davidson “Heavy Breather” genannte Luftfilter noch die eine oder andere zusätzliche PS ermöglicht, aber er ist denkbar ungünstig platziert.

V2 mit Laufkultur

Zuerst einmal steht Schaulaufen durch die Stadt an. Wer sich eine Harley-Davidson kauft und nicht auffallen will, hat etwas Grundsätzliches nicht verstanden. Mich überrascht der geringe Lärmpegel der Breakout. Tatsächlich produziert sie 95 dB(A) Standgeräusch und sogar nur 75 dB(A) Fahrgeräusch und ist der Beweis dafür, dass erst die lauten Krawalltüten, die so mancher Besitzer nachträglich an sein Eisen aus Milwaukee schraubt, die Marke in Verruf gebracht haben.

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