Renault

Erster Test: Renault Captur, Dynamisch durch die Rushhour

Die erste Captur-Generation hatte freie Bahn, die zweite kämpft sich durch den dichten Verkehr von 30 kleinen SUV-Konkurrenten. Nach einem Designumbruch, einem digitalen Befreiungsschlag und einem kritischen Blick in die Preisliste, nimmt der Franzose erneut Fahrt auf. Was sich im Detail ändert, wann der Captur glänzt und wann er aufmuckt, welcher Knopf ein Traum ist und wie stark sich der Hybridantrieb von klassischen Benzinern unterscheidet, erklärt der erste Test.

Um wenn geht es?
Anfang der Zehner-Jahre hatte Renault frühzeitig erkannt, dass kleine SUVs bei den Kunden zu großen Stars werden – und mit dem charmanten, freundlich gepreisten Captur ab 2013 eine gute Antwort auf die neue Nachfrage gegeben. Es galt zunächst nur zwei Konkurrenten in Schach zu halten, und der kleine Franzose nutzte die freie Bahn, um in der Zulassungsstatistik nach vorne zu preschen. Viele Jahre blieb er die Nummer 1 im neuen Boom(er)-Segment, das nicht zuletzt bei den älteren Kunden großen Anklang fand. Inzwischen ist Rushhour in der kleinen SUV-Klasse – die zwar weiter wächst, in der aber auch bis zu 30 Konkurrenten um die Gunst der Kunden rangeln.
Der Captur wiederum ist in der zweiten Generation auf eine neue Plattform gewechselt und damit ab 2019 in allen Belangen hochwertiger geworden – was er sich erlauben konnte, weil das echte Einsteigersegment außerordentlich erfolgreich vom Dacia Duster abgedeckt wird. 2024 folgt nun eine große Modellüberarbeitung, Renault selbst spricht sogar vom neuen Captur – was optisch nicht ganz falsch, aber technisch nicht ganz richtig ist. Auf jeden Fall vollziehen die Franzosen einen Designumbruch, setzten zum digitalen Befreiungsschlag an und werfen auch einen kritischen Blick in die Preisliste.
Und übrigens, auch die Zukunftsperspektive für den Captur nimmt Formen an. Nachdem Renault nun doch einen Nachfolger für den Clio plant, wird wohl auch das technisch verwandte SUV mittelfristig in eine weitere Runde gehen.
 
Ist das neue Design gelungen?
Dem grundsätzlich schwungvollen Auftritt des Captur fehlte zuletzt die Frische. Seit der Designer Gilles Vidal die Marke neu ausrichtet und Renault eine supermoderne Formensprache gibt, wirken die bisherigen Modelle etwas aus der Zeit gefallen. Den Captur macht die coole Vidal-Front prompt zu einem ganz neuen Auto, sie wirkt dabei aber auch in völliger Harmonie mit den bestehenden Proportionen ab der B-Säule. Vidal gehört zweifellos zu den besten Zeichnern der Branche. Dass Konzernchef Luca de Meo sehr designaffin ist, dürfte auch nicht schaden, Entwürfe werden ohne Rotstift natürlich besser. Die Captur-Frontpartie hat zwar einen ähnlichen Look wie jene des – kürzlich zum Auto des Jahres 2024 gewählten – Scenic, Vidal gibt aber jedem seiner Designs einen eigenen Twist. Die nun höhere und horizontale Captur-Motorhaube hat markante Wölbungen. Es folgt eine scharfe Kante, der Grill steht Aufrecht und setzt sich aus zwei nach innen geneigten Teilen zusammen, die durch reliefartige Muster eine spezielle Anmutung haben. Darunter gibt es einen schmalen horizontalen Lufteinlass und schließlich einen sportlichen Stoßfänger mit großer Einlassöffnung zur Motorkühlung. Wie beim neuen Clio sind die LED-Tagfahrleuchten pfeilförmig, der an das Markenlogo angelehnte, quasi halbierte Diamant hat im Captur aber wieder eine eigene Form. Das ganze Ensemble lässt den Captur bulliger, dynamischer und nochmal erwachsener wirken als bisher, im Rückspiegel vermutet man ein größeres Auto. Das liegt wohl auch an der hochwertigen Ausstattung, bei allen Varianten sind Voll-LED-Schweinwerfer serienmäßig. Wenn die Türen aus der Ferne entriegelt werden, bringen diese übrigens eine kleine Begrüßungs-Lichtshow zur Aufführung.
An den Flanken ändert sich weniger, allerdings werden nun bis zu 19 Zoll große Felgen angeboten, bisher war bei 18 Zoll Schluss. Hinten wurden die Lichter modernisiert und der Stoßfänger umgestaltet.
Durch die vielen Optionen bei der Dachfarbe – Schwarz, Weiß, Beige, Grau, Wagenfarbe – ergeben sich zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Die spannendste Lackierung ist das von Alpine entlehnte Iron-Blau, das auch wunderbar zur neu eingeführten Sportausstattung Esprit Alpine passt.

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Hinten wurden die Lichter modernisiert und der Stoßfänger umgestaltet. Das von Alpine entlehnte Iron-Blau ist die spannendste Lackierung.

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Die hochwertigste Antreibsvariante ist das E-Tech-Vollhybridsystem.

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Die LED-Tagfahrleuchten sind pfeilförmig, der Grill hat reliefartige Muster.

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Neuer Designer mit supermoderner Formensprache: Den Captur macht die coole Vidal-Front prompt zu einem ganz neuen Auto.

Wie ist der Innenraum eingerichtet?
Die Grundformen des bisherigen Modells werden beibehalten. Zentrale Elemente sind die frei schwebende Mittelkonsole mit schönem Schaltknauf, ein digitales Kombiinstrument im Blickfeld des Fahrers und ein Multimedia-Bildschirm in der Mitte, der wie ein Tablet aussieht. Dass die größeren Budgets leider immer noch nicht in kleinere Autos fließen, zeigt die Reorganisation der Ausstattungsliste: Die Premiumausstattung „Initiale Paris“ mit weichem, aufwändig gestepptem Leder auf Sitzen, Armaturenbrett und Mittelkonsole gibt es nicht mehr. Dafür wird es auf stilvolle Art sportlich, die neue Topausstattung Esprit Alpine ist von Sportswear-Materialien inspiriert und mit den immer wieder schönen Frankreich-Flaggen geschmückt.
Materialqualität und Verarbeitung wirken hochsolide. Der obere Bereich des Cockpits hat Soft-Touch-Oberflächen, weiter unten kommen aber, wie in der Klasse üblich, harte Kunststoffe zum Einsatz.
 
Was ändert sich im digitalen Bereich?
Auf dem vertikal ausgerichteten und nun 10,4 Zoll großen Touchscreen läuft das neue Renault-Multimediasystem mit Android-Software. Das ist ein digitaler Befreiungsschlag, das Auto wird quasi auf Smartphone-Standard gehoben und endlich auf benutzerfreundliche Art in das Internet integriert. Das in der Praxis unschlagbare Navigationssystem Google Maps ist ebenso direkt im Fahrzeug integriert wie der Google Assistant, dazu kommen rund 50 beliebte Apps von Youtube über Amazon Music bis Spotify. Klar ist: Mit diesem Setup ist der Captur den meisten direkten Konkurrenten digital überlegen.
 
Wie viel Platz bietet der Captur?
Der Captur misst immerhin 4,24 Meter, was schon in Richtung Golf-Klasse geht. Das zahlt sich im Innenraum aus: Fondpassagiere haben zumindest ausreichend Platz,
für das Gepäck stehen unter Berücksichtigung aller Unterflurfächer beachtliche 487 Liter zur Verfügung. Das maximale Ladevolumen gibt Renault sogar mit 1.596 Liter an. In der Hybridversion reduzieren sich die Werte allerdings auf 348 bis 1.458 Liter. Mit der um 16 Zentimeter verschiebbaren Rückbank erhöht man die Flexibilität – und das Ladevolumen auf 616 Liter. Die Fondsitze sind dann aber nicht mehr nutzbar und bei der Kofferraumabdeckung entsteht ein Spalt.

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Die Grundformen des bisherigen Modells bleiben, zentrale Elemente sind die frei schwebende Mittelkonsole und der vertikale Multimedia-Bildschirm.

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Esprit Alpine-Ausstattung mit Frankreich-Flagge aus Lenkrad-Ziernähten.

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Das digitale 10,25-Zoll-Kombiinstrument im Blickfeld des Fahrers.

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Den meisten direkten Konkurrenten digital überlegen: Auf dem 10,4 Zoll großen Touchscreen läuft das neue Renault-Multimediasystem mit Android-Software.

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Neue Topausstattung Esprit Alpine: von Sportswear-Materialien inspiriert.

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Ein Traum wird wahr: Assistenten werden per Knopfdruck deaktiviert.

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Für das Gepäck stehen unter Berücksichtigung aller Unterflurfächer beachtliche 487 Liter zur Verfügung. Das maximale Ladevolumen beträgt 1.596 Liter.

Welche Technik kommt zum Einsatz?
Die Antriebspalette bilden ein 1,0-Liter-Dreizylinder-Turbobenziner (TCe 90) mit 6-Gang-Schaltgetriebe, 91 PS und 160 Newtonmetern, ein 1,3-Liter-Vierzylinder-Mildhybrid (Mild Hybrid 140) mit 6-Gang-Schaltgetriebe, 140 PS und 260 Newtonmetern – und schließlich als hochwertigste Variante ein kunstvoll arrangiertes Vollhybridsystem (E-Tech Full Hybrid 145). Bei Letzterem arbeiten ein 49 PS starker E-Motor und ein 94 PS starker Vierzylinder-Benziner zusammen. Eine zweite, 20 PS starke E-Maschine kann bei Bedarf den Benziner auf Drehzahlen bringen und die 1,2-kWh-Lithium-Ionen-Batterie laden. Ein automatisiertes Getriebe wählt unterdessen aus zwei Fahrstufen für den elektrischen Antrieb und vier für den Verbrenner. Die System-Gesamtleistung liegt bei 143 PS.
 
Wie fährt sich der Captur mit Vollhybridantrieb (E-Tech Full Hybrid 145)?
Die Fahrt durch urbane Gefilde ist ein Vergnügen. Der Catur ist ein wendiger Städter und fällt in der City zugleich in lange elektrische Gleitphasen, die je nach Verkehr zwischen 50 und 80 Prozent der Fahrzeit einnehmen können. Die Stille, wenn der Verbrenner ruht, ist dabei ebenso ein Komfortgewinn wie die wegfallenden Schaltrucke. Nur manchmal muckt das Hybridsystem kurz auf, der Verbrenner wird dann in den mittleren Drehzahlen gehalten, um die Batterie zu laden. Häufig sind diese Brummphasen aber nicht. Bei sanfter Fahrweise erfreut das agile Ansprechverhalten von unten heraus, eine Rekuperations-Fahrstufe ermöglicht zudem das Ein-Pedal-Fahren. Der Abrollkomfort geht in Ordnung, ohne herausragend zu sein, das Fahrwerk-Setup bleibt auf der strafferen Seite.
Auch Landstraßen ist der Captur E-Tech Full Hybrid 145 sehr angenehm, wenn man ihn flott dahingleiten lässt. Die Beschleunigung ist dann souverän und die Innengeräusche sind für die Klasse erstaunlich niedrig, was ein ganz wichtiges Komfortfeature ist. Für Kurven-Sport mit voll durchgedrücktem Gaspedal ist das Hybridantrieb nicht so passend, auch die Lenkung müsste dafür etwas definierter sein. Auf der Autobahn liegt der Captur satt und hat beim Schwungholen keine Probleme. Der erste Testverbrauch von 5,3 Litern zeigt die beachtliche Effizient des Renault-Hybridsystems – ohne künstliche Selbstkasteiung erzielt, wird er in er Praxis jederzeit zu wiederholen sein.

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Die Innengeräusche sind für die Klasse erstaunlich niedrig. Der erste Testverbrauch von 5,3 Litern zeigt die beachtliche Effizient des Renault-Hybridsystems.

Was tut sich bei den Assistenzsystemen?
Im Captur arbeiten bis zu 28 Fahrassistenzsysteme, von denen inzwischen ein beträchtlicher Teil durch EU-Gesetze vorgeschrieben ist. Neben sinnvollen Dingen wie dem Totwinkel-Warner und zwischendurch sinnvollen Dingen wie dem Spurhalteassistenten sind darunter auch unerträgliche Systeme wie der Geschwindigkeitswarner. Ein Traum ist daher jener neue Knopf links neben dem Lenkrad, mit dem sich die Assistenzarmada individuell konfigurieren, also per Handstreich ausschalten lässt. Ein enormer Praxisvorteil gegenüber vielen Konkurrenten, die den Zauberknopf noch nicht haben. Das grandiose Paradoxon, Fahrassistenzsysteme zu kaufen und dann auszuschalten, ist eine andere Geschichte …
 
Wie liegt der Captur preislich?
Renault hat einen durchaus kritischen Blick in die Preisliste geworfen und den auch in der Autobranche grassierenden Preisanstieg eingedämmt. Von 21.999 bis 31.990 reicht die 2024er-Preisliste, das ist erstaunlich nah an den Einführungstarifen von 2019, als 18.340 bis 30.890 Euro aufgerufen wurden. Da könnten einige Konkurrenten nervös werden, denn schon die Basisausstattung Evolution bietet recht viel, im Techno-Trimm ist er Captur richtig schick unterwegs und die coole neue Sportausstattung Esprit Alpine gibt es ebenfalls für einen fairen Aufpreis. Nicht mehr angeboten werden allerdings die optischen und technischen Premiumvarianten, also die Volllederausstattung „Initiale Paris“ und der Plug-in-Hybridantrieb mit größerer Batterie und rein elektrischer Reichweite.
 
Das Fazit?
Der erste Captur hatte freie Bahn, um in der Zulassungsstatistik nach vorne zu preschen. Die zweite Generation befindet sich im dichten Verkehr von 30 kleinen SUV-Konkurrenten – bewegt sich nach der Modellüberarbeitung aber dynamisch durch die Rushhour: Die Frontparte des neuen Renault-Designers Gilles Vidal ist sehr cool und macht den Captur zu einem modernen, erwachsenen, sportlichen und letztlich völlig neuen Auto. Auch die Ausstattung Esprit Alpine ist eine flotte Sache. Die Integration des Multimediasystems auf Android-Basis ist ein digitaler Befreiungsschlag, der das Auto an den Smartphone-Standard heranbringt und einen klarer Vorteil gegenüber vielen Konkurrenten darstellt. Die Preisliste bleibt relativ nah an den Tarifen von vor fünf Jahren, damit fällt es auch leichter, zum hochwertigsten Antrieb zu greifen: Das Vollhybridsystem ist ein großes Komfortplus und erstaunlich sparsam.

DATEN & FAKTEN

Renault Captur

(Juni 2024)

Preis

21.999 bis 31.990 Euro.

Antrieb

TCe 90: 1,0-Liter-Dreizylinder-Turbobenziner, 91 PS, 160 Newtonmeter, 6-Gang-Schaltgetriebe. Vorderradantrieb.

Mild Hybrid 140: 1,3-Liter-Vierzylinder-Mildhybrid, 140 PS, 260 Newtonmeter, 6-Gang-Schaltgetriebe. Vorderradantrieb.

E-Tech Full Hybrid 145: Vollhybridantrieb mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbo-Benziner (94 PS), Elektromotor (49 PS), Generator (20 PS), Lithium-Ionen-Batterie (1,2 kWh), Automatikgetriebe (2-Gang E-Motor und 4-Gang Verbrenner). Systemleistung 105 kW / 143 PS, 205 Newtonmeter. Vorderradantrieb.

Abmessungen

Länge 4,24 Meter, Breite 1,80 Meter, Höhe 1,57 Meter. Radstand 2,64 Meter.
Kofferraumvolumen: 487 – 1.596 Liter bzw. 348 bis 1.458 Liter (E-Tech Full Hybrid 145).

Gewicht

Leergewicht ab 1.331 kg. Höchstzulässiges Gesamtgewicht 1.730 kg.

Fahrwerte

TCe 90: Höchstgeschwindigkeit 168 km/h, Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 14,3 Sekunden, Verbrauch nach WLTP 5,9 – 6,1 Liter, CO2-Emission nach WLTP 133 – 136 g/km.

Mild Hybrid 140: Höchstgeschwindigkeit 175 km/h, Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 10,3 Sekunden, Verbrauch nach WLTP 5,9 – 6,1 Liter, CO2-Emission nach WLTP 133 – 136 g/km.

E-Tech Full Hybrid 145: Höchstgeschwindigkeit 170 km/h, Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 10,8 Sekunden, Verbrauch nach WLTP 4,6 – 4,8 Liter, CO2-Emission nach WLTP 105 – 108 g/km.

Testverbrauch

5,3 Liter (E-Tech Full Hybrid 145).

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