FIAT

Erster Test: Fiat 600e, Stil-Transfer

Der neue Fiat 600e und die Frage, wie viel vom unerreichten Stadtchic des 500er auf die nächsthöhere Klasse übertragbar ist. Warum das kleine SUV eine interessante Zwischengröße hat, wie sich das Fahrgefühl von der Konkurrenz unterscheidet und was man über den Preis wissen sollte, klärt der erste Test ebenfalls.

Lässt sich ein Stil-Phänomen skalieren?
Das ist hier die Frage. Als schickes Stadtauto ist der Fiat 500 seit über 15 Jahren nicht zu toppen – weder an seine Verkaufszahlen noch an seine Coolness kommt die Konkurrenz letztlich heran. Entsprechend groß ist für Fiat natürlich die Verlockung, das stilistische Erfolgsrezept auch in die nächstgrößere Klasse mitzunehmen. Mit dem 500X ist das schon einmal gelungen, beim 600e wiederholen die Italiener nun das Spiel. Um eine direkte Nachfolgeregelung handelt es sich aber nicht, denn tatsächlich bleiben vorerst alle vier Autos im Programm: 500 und 500X mit der alten FCA-Plattform und Verbrennungsmotoren sowie 500 Elektro und 600e mit neuer Stellantis-Technik und Elektroantrieb. Auf längere Sicht wird es zur Ablöse kommen, was aber nicht den Abschied vom Verbrennungsmotor bedeutet: Schon ab 2024 gesellt sich ein 600 (Mild-)Hybrid zum 600e. Generell sind die  Stellantis-Plattformen, auch die neuesten, bereit für Verbrenner und Elektroantriebe.
 
Ist das 600er-Design cool?
Der Stil-Transfer vom Fiat 500 Elektro betrifft vor allem Front und Heck, wo die feschen Lichter, der schöne Lufteinlass und die Machart der Logos eine klare Verwandtschaft anzeigen. Auch das allgemeine Upgrade, hin zu einem hochwertigeren und eleganteren Auftritt, gelingt dem 600e wie zuvor dem 500 Elektro – freilich nicht ganz so konsequent: In der Seitenansicht ist das SUV konventioneller geformt und hat keine Chromleisten an den Flanken sowie bündig in die Karosserie integrierten Türgriffen. Den schicken Italiener gibt der 600e aber glaubwürdig – und komplettiert damit die international aufgestellte Gruppe der kleinen Stellantis-SUVs mit je einem Franzosen (DS 3), Amerikaner (Avenger) und Deutschen (Mokka) auf der gleichen Plattform.
 
Mini oder Kompaktklasse – was ist der 600er eigentlich?
Mit 4,17 Metern Länge hat er eine interessante Zwischengröße: Eindeutig länger als die Kleinwagen (wie der 500 Elektro), auch länger als das klassische B-Segment (wie der nicht mehr erhältliche Punto). Aber doch etwas kürzer als die Kompaktklasse. Von den technisch verwandten Klein-SUVs aus dem Stellantis-Konzern sind Avenger und DS 3 ein Handbreit kürzer, der Opel Mokka ist ähnlich lang. Der hauseigene 500X ist zwar länger, innen aber nicht größer.

erster test: fiat 600e, stil-transfer

Der Stil-Transfer vom Fiat 500 Elektro betrifft vor allem Front und Heck.

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Upgrade, hin zu einem hochwertigeren und eleganteren Auftritt.

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Start nur mit Elektroantrieb, ab 2024 gesellt sich ein 600 (Mild-)Hybrid dazu.

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Die feschen Lichter, der schöne Lufteinlass und die Machart des Logos zeigen eine klare Verwandtschaft zum 500 Elektro an..

Was bedeutet die Zwischengröße für das Platzangebot des 600e?
Auch das Platzangebot liegt zwischen B- und C-Segment. Vorne zwickt es auch größere Fahrer nicht. Im Fond sitzen Erwachsen zumindest passabel, die Klasse verlangt hier aber schon gewisse Abstriche. Der 360-Liter-Kofferraum ist für das Segment beachtlich groß und lässt sich auf stolze 1.231 Liter erweitern. Die Rücksitzbank ist im Verhältnis 60:40 umklappbar. Kleine Familien oder auch Freizeitsportler können den 600e also in die Auswahl nehmen.
 
Überzeugt uns das Cockpit?
Einen modernen neuen Innenraum mit vollständig erhaltenem Cinquecento-Feeling hat Fiat im 500 Elektro erfolgreich dargestellt – und der 600e ist die im Maßstab vergrößerte Variante davon. Das ovale Armaturenbrett und die mit FIAT-Monogrammen garnierten Sitzbezüge aus hellem Kunstleder gleichen sich ebenso wie die Multimedia-Anordnung mit 7,0-Zoll-Kombiinstrument und 10,25-Zoll-Touchscreen in der Mitte.
 
Das Multimedia-System ist gut?
Ja, beim Tippen und Wischen reagiert es flott und funktioniert weitgehend problemlos. Zudem gibt es im 600e-Cockpit eine Home-Taste für den Bildschirm, ganz normale Tasten für die Temperatursteuerung, einen Drehknopf für die Musiklautstärke und eine zentrale Taste zum Deaktivieren des Lenkassistenten – wir wissen gar nicht, wie wir Fiat für das alles danken sollen. Alternativ kann man eine intelligente Sprachsteuerung beauftragen, die ganz gut funktioniert. Informationen zu Ladestationen in der Nähe oder entlang einer ins Navigationssystem eingegebenen Route können angefragt werden. Mobiltelefone mit Android Auto oder Apple CarPlay koppeln kabellos. Bei Bedarf können außerdem bestimmte Funktionen des Fahrzeugs aus der Entfernung bedient werden, vor allem die Steuerung des Ladens und der Standheizung über die Handy-App mach Sinn.

erster test: fiat 600e, stil-transfer

Im Maßstab vergrößert: Ovales Armaturenbrett wie im 500 Elektro und Multimedia mit 7,0-Zoll-Kombiinstrument sowie 10,25-Zoll-Touchscreen.

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Premium-Features: Dreistufige Sitzheizung und Massagefunktion.

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Rundum-Kamera und kleiner Wendekreis für Heldentaten beim Parken.

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Die mit FIAT-Monogrammen garnierten Sitzbezüge aus hellem Kunstleder sind Teil der La Prima-Topausstattung. Beim 600e (RED) sind die bezüge dunkel.

Wie funktioniert die Steuerung der Automatik und wie praktisch ist die Mittelkonsole?
Fiat verlagert die Automatik-Steuerung auf vier Tasten im Armaturenbrett. Das ist aus unserer Sicht nicht ganz intuitiv, macht aber auf jeden Fall die Mittelkonsole frei und geräumig. Platz für persönliche Gegenstände bietet vor allem das große Fach mit dem im Stil einer Tablet-Abdeckung faltbaren Sichtschutz – der sehr sinnvoll ist! Vorne kann das Handy kabellos geladen werden, zudem gibt es USB-Anschlüsse des Typs A und C auch für die hinteren Sitze.
 
Auf die Frage, wie hochwertig der Innenraum ist …
… muss man differenziert antworten: Er sieht nach Premium aus, so würde man auch einen Mini-Mercedes oder -Alfa bauen, wenn es einen geben würde. Natürlich darf auch eine besondere Ambiente-Beleuchtung mit vielen Kombinationsmöglichkeiten nicht fehlen. Trotz auffallend weichem Lederlenkrad und feschen Sitzbezügen ist haptisch dann aber nicht alles Gold, was glänzt, viele Kunststoffe sind von der härteren Sorte – was Mercedes und Alfa in dieser Klasse aber vermutlich nicht anders machen würden. Ob sie allerdings auch an den Rücken des Fahrer gedacht und neben einer dreistufigen Sitzheizung auch eine Massagefunktion in dessen Sitz eingebaut hätten, wer weiß. Selbst ein, zwei Klasse weiter oben findet man diese Feinheiten selten.
 
Welche technische Basis hat Fiat 600e?
Die mit zwei „Auto des Jahres“-Titel (Peugeot 208 und Jeep Avenger) dekorierte CMP-Plattform wurde hier schon mit dem jüngsten Update aufgewertet und weiterentwickelt: 156 PS statt der früheren 136 PS, dazu den größeren Akku mit 51 kWh Netto-Kapazität. Die 260 Newtonmeter Elektro-Drehmoment sind gleich geblieben und haben mit einem für E-Autos beachtlich niedrigen Gewicht von nur knapp über 1.500 Kilo zu tun. Maximal kann mit 100 kW Gleichstrom (DC) geladen werden, was im Idealfall einer Steigerung des Ladestands von 20 auf 80 Prozent in 27 Minuten entspricht. Beim dreiphasigen Wechselstrom-Laden (AC) schafft der 600e maximal 11 kW. Als WLTP-Verbrauch nennt Fiat relativ niedrige 15,1 kWh je 100 Kilometer.

erster test: fiat 600e, stil-transfer

Der 360-Liter-Kofferraum ist für das Segment beachtlich groß und lässt sich auf stolze 1.231 Liter erweitern. Die Rücksitzbank klappt im Verhältnis 60:40.

Wie fährt sich der 600e?
Klar ist: Der 600 ist durch ein anderes Fahrwerk mit deutlich größerem Radstand in einer höheren Komfortklasse als der 500 unterwegs. Auch die Zeit der betont knackigen Fiat-Flitzer ist vorbei (dafür gibt es Abarth), der 600e ist klar komfortorientiert abgestimmt und bewältigt auch gröbere Unebenheiten gut. Holprige Kopfsteinpflaster und böse Schlaglöcher werden auffallend souverän durchgefedert, die Wiener Höhenstraße kann also kommen.
Unabhängig vom Fahrmodus finden wir die Lenkung ein bisschen zu leichtgängig. Sie vermittelt damit Agilität, aber man lenkt mitunter auch zu stark ein. Natürlich gibt es Fahrer, die dieses lockerleichte Lenken lieben, wir würden es auch in der Stadt etwas straffer bevorzugen. Zweifellos ein Hit ist dort der extrem kleine Wendekreis von nur 10,5 Metern, beim Parken und Gasserl-heizen kann der 600e Heldentaten vollbringen. 180-Grad-Parksensoren und die Rückfahrkamera mit dynamischen Führungslinien unterstützt dabei. Durch die Landstraßen-Kurven steuert der 600e ziemlich flott. Konstruktionsbedingt mit ein bisschen Untersteuern, ansonsten aber selbst bei abrupten Manövern stoisch und unbeeindruckt.
Mit 156 PS Leistung und 260 Newtonmetern Drehmoment ist der 600e sehr wohlig motorisiert, aber nicht übermotorisiert. Ansatzlos startet er, beschleunigt gleichmäßig und ohne nennenswerte Antriebsgeräusche – ist also ein Genuss. Während das Beschleunigungsgefühl einem Verbrenner klar überlegen ist, ist das Bremsgefühl ein bisschen synthetischer. Der bei der ersten langen Fahrt gemessene Testverbrauch von rund 16 kWh bedeutet eine ohne Anstrengungen erreichbare Praxis-Reichweite zwischen 350 und gut 400 Kilometer. Im rein urbanen Betrieb sollte auch mehr drinnen sein, die rund 600 Kilometer im offiziellen städtischen WLTP-Zyklus erscheinen uns aber doch etwas optimistisch.
Die Adaptive Geschwindigkeitsregelanlage (ACC) soll die gewählte Geschwindigkeit unter Berücksichtigung des umgebenden Verkehrs halten – was in der Praxis recht flüssig funktioniert. Weiteren Assistenten erkennen zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen, warnen beim Spurwechsel vor Fahrzeugen im toten Winkel, prüfen die Konzentration des Fahrers – und nerven dabei nicht auffallend.
 
Welche Ausstattungsversionen gibt es und wie sind die Preise einzuschätzen?
Die Basisversion heißt (RED), dabei arbeitet Fiat erneut mit der Wohltätigkeitsorganisation (RED) zusammen, die 2006 vom Musiker Bono Vox (U2) und dem US-amerikanischen Aktivisten Bobby Shriver gegründet wurde. Entsprechend dem Ausstattungsnamen kennzeichnet den 600e (RED) die Farbe Rot – sowohl außen als auch im Innenraum: Bei der Armaturentafel, der Abdeckung der Mittelkonsole und den Zierelementen an den Sitzbezügen, die aus Recycling-Material gefertigt sind. Farbzwang besteht aber keiner, der (RED) kann auch in Weiß oder Schwarz geordert werden. Wichtig zu wissen: Der 600e (RED) um 36.000 Euro ist nicht nur gut ausgestattet, sondern auch schon schick zurechtgemacht. Abgehen wird einem da nichts, die Bezeichnung Basisversion ist also relativ.
Beim La Prima um 41.000 Euro werden alle Bereiche noch schicker zurechtgemacht, durch die helle Innenausstattung ist das Topmodell aber auch etwas empfindlicher. Zur Serienausstattung zählen dann neben edlen 18-Zoll-Felgen noch weitere Assistenten, die 180-Grad-Kamera, beheizbare Außenspiegel, eine elektrische Heckklappe und einiges mehr.
Die Varianten 600e (RED) und 600e La Prima sind ab Herbst 2023 bestell- und lieferbar. Die E-Auto-Förderung von bis zu 5.400 Euro für Privatkunden kann von den Preisen noch abgezogen werden, damit bewegt sich der Einstiegspreis in Richtung 30.000er-Schwelle. Darunter kommt man eventuell ab 2024, wenn der Fiat 600 auch mit 100 PS starkem Mild-Hybridantrieb an den Start geht.
 
Fazit?
Der Fiat 600 transferiert den urbanen Chic des 500 in die nächsthöhere Klasse – innen bleibt die Cinquecento-Coolness voll erhalten, außen in Teilen. Dafür spielt das SUV bei Platzangebot und Komfort auch in einer anderen Liga als der kleine Bruder – und das ohne es bei der Größe selbst zu übertreiben. Der Preis ist wahrlich kein Sonderangebot, angesichts des premiumartigen Stils, der gehobenen Ausstattung und der Fördermöglichkeit allerdings in Ordnung. Und mit dem Mild-Hybrid für die Verbrenner-Fans setzt die Preisliste dann ab 2024 wohl auch niedriger an.

erster test: fiat 600e, stil-transfer

Das Fiat-Werk Lingotto wurde 1916 vom Architekten Giacomo Mattè-Trucco entworfen und hat neben einer Rennstrecke am Dach (!) auch eine sehr lustig zu fahrendes Karussel zum Rauf- und Runterkommen, hier im Bild. 600e-Fazit nach der ersten Testfahrt von Motorprofis-Redakteur Fabian Steiner: „Transferiert den urbanen Chic des 500 in die nächsthöhere Klasse – innen bleibt die Cinquecento-Coolness voll erhalten, außen in Teilen. Dafür bei Platzangebot und Komfort in einer anderen Liga”.

DATEN & FAKTEN

Fiat 600e

(Oktober 2023)

Preis

600e RED: 36.000 Euro. 600e La Prima: 41.000 Euro. Mild-Hybrid folgt 2024

Antrieb

Synchron-E-Motor, 115 kW / 156 PS, Maximales Drehmoment 260 Newtonmeter. Batteriekapazität 54 kWh brutto / 51 kWh netto. AC-Laden mit bis zu 11 kW, DC-Laden mit bis zu 100 kW. Vorderradantrieb. 1-Gang Direktgetriebe.

Mild-Hybrid mit 100-PS-Benziner folgt 2024.

Abmessungen

Länge: 4,17 m / Breite: 1,78 m (ohne Außenspiegel) / Höhe: 1,52 m. Kofferraum: 360-1231 Liter. 5 Sitzplätze.

Gewicht

Leergewicht 1520 kg.

Fahrwerte

Höchstgeschwindigkeit 150 km/h, 0 – 100 km/h in 9,0 Sekunden. Verbrauch kombiniert: 15,1 kWh. Reichweite (kombiniert) 406 km.

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