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Dr. Doppel-R oder: Wie ich lernte, die Rakete namens BMW S 1000 RR zu lieben

dr. doppel-r oder: wie ich lernte, die rakete namens bmw s 1000 rr zu lieben

Dr. Doppel-R oder: Wie ich lernte, die Rakete namens BMW S 1000 RR zu lieben

Um es gleich zu sagen: Für einen Expertenbericht zu diesem Motorrad gibt es Berufenere. Zum Beispiel den österreichischen Ex-Profi und Europa-Champ Roland Resch, dem wir Ende letzten Jahres bei Testfahrten des neuen Bikes auf einer spanischen Rennstrecke zusehen konnten. Was soll man sagen: Es hat ausgeschaut wie bei der ­MotoGP im Fernsehen.

Resch berichtete in der Folge über dieses und jenes Verhalten in Bereichen, die man nur als Profi erkunden kann, und schloss mit der Einschätzung, dass man mit einem solchen für die Straße zugelassenen Motorrad vor nicht allzu vielen Jahren glatt Rennen gewonnen hätte. Unsere eigene zaghafte Erkundung von Bremszonen, Scheitelpunkten und Schräglagen auf der Rennstrecke und dem Wirken der verschiedenen Regelsysteme fanden in einem anderen, deutlich verlangsamten Universum statt.

Beklemmend

Aber nach Ausfahrten in heimischen Gefilden können wir nun mit einem anderen Eindruck dienen: wie sich ein solches Bike anfühlt in den Händen des sportlich ambitionierten Durchschnittsfahrers, seit gut 30 Jahren im Sattel, wenn auch mit Pausen, auch längeren (als statistisch berüchtigter Wiedereinsteiger!), auf der Rennstrecke eher nur zum Schnuppern. Die eigene Hanging-off-Technik ist noch nicht so richtig zum Asphalt vorgedrungen. Vielleicht wird’s ja einmal ein Lehrgang bei Profi Resch, der ihn gern mit Knie und Ellenbogen befühlt.

Aber zuerst mussten wir ein leicht beklemmendes Gefühl abschütteln. Der letzte Ausritt auf einem Supersportler ist ewig her. Es geht der Geschmack ja mittlerweile in Richtung Tourer, mit viel Verkleidung rundherum, damit der Wind nicht lästig wird. Lässt sich die BMW S 1000 RR (man sagt: Doppel-R) von unsereinem überhaupt derreiten? Und überhaupt, ist die Supersport-Kategorie nicht etwas für die Youngsters (die sich das allerdings auch erst einmal leisten müssen)? Als fast schon Oldie fehlt ­einem die jugendliche Unbekümmertheit, was im besten Fall als eine gewisse Lebensversicherung durchgeht. Aber wie passt das mit 210 PS am Hinterrad zusammen?

Zunächst einmal zum Gerät: Die S 1000 RR war BMWs Einstieg in die Supersport-Klasse und markierte mit ihrer verschwenderischen Leistung gleich den Kulminationspunkt im Fach. Mit der neuen Generation sind drei PS dazugekommen, was jetzt wenig spektakulär klingt, aber nun doch brisante 210 PS bei einem Gewicht von deutlich unter 200 kg (konkret 193,5 kg mit M-Sonderzubehör) zur Folge hat. Die Nennleistung wird bei tatsächlich Formel-1-haften 14.500 Umdrehungen abgeliefert, das höchste Drehmoment (113 Nm) bei 11.000/Min. Neu sind Winglets an der Verkleidung, die vorn aerodynamischen Abtrieb erzeugen sollen und damit höhere Radlasten, was beim Beschleunigen die Wheelie-Tendenz reduzieren und späteres Bremsen fördern soll. Und noch viele andere Details, über die wir uns jetzt nicht den Kopf zerbrechen.

Die Sitzposition ist zwangsläufig etwas gedrungen, aber bequemer, als man es erwarten würde. Man kann es auch in der Stadt gut aushalten, vom Turtle-Neck abgesehen, der Motor ist schön elastisch, und auch im fünften Gang im Ortsgebiet ruckelt nichts. Der Tempomat (im Dynamik-Paket, 1177 Euro) hilft enorm, weil halbwegs Tempo halten im 30er sonst keine ganz einfache Sache ist. Es gilt zu vermeiden, zu sehr auf den Armen zu liegen, weil das belastet und ermüdet, da heißt es aus dem Rumpf heraus mitarbeiten.

Auf dem Weg zu den schön geschwungenen, einsamen Straßen im Alpenvorland noch ein Stück Autobahn, man registriert den sehr guten Windschutz und verlässt sich abermals auf die automatische Geschwindigkeitsregelung im tolerierten Bereich. Wir wollen ja mit Führerschein zurückkehren.

Befreiend

Schwer zu sagen, was genau den Ausschlag liefert, aber nach einer Stunde Fahrzeit befällt einen plötzlich die Erkenntnis: Jawohl, das ist es. So muss es sein, Motorradfahren in seiner Essenz! Das vorherrschende Gefühl ist Leichtigkeit. Die Spitzenleistung bleibt rein theoretisch, im letzten Drittel des Drehzahlbands hat man eigentlich nichts verloren – schwer vorstellbar, wo man auf öffentlichen Straßen im fünfstelligen Tourenbereich angreifen sollte. Nicht nur, weil da schon im zweiten Gang auf der Autobahn der Führerschein in Gefahr wäre. Bei 100 km/h stehen 4000 Touren an, das ist gemütlich und braucht nur den zarten Dreh am Gasgriff, um sich mit sattem Schub aus der Kurve zu helfen, wenn man sie nicht ganz sauber angegangen ist. Winkel von 49 Grad sind bald erreicht (das Bordinstrument zeichnet Schräglage, DSC-, Bremseinsatz auf), und niemals zuvor hatten wir so viel Vertrauen zum Vorderrad. Aus den Kurven heraus kann man hemmungslos den Gasgriff melken, weil das Regelsystem in der Grundeinstellung nur leichtes Schmieren des Hinterrads gestattet (die Set-up-Optionen sind rennsportmäßig).

Nur einmal kam die Kurve nach einem Überholmanöver zu schnell daher, war so nicht eingeplant, aber kein Malheur: Bereits in Schräglage kann man noch fest in die Eisen greifen, ohne mit Hopping oder Aufstellmoment zu kämpfen zu haben. Dahinter steckt viel Regelelektronik, die schön unmerklich agiert, einen also stets gut aussehen lässt, vor allem aber die Güte der Komponenten und ihr Zusammenspiel, ganz auf Reinheit von Rückmeldung und Kontrolle ausgerichtet. Ist es abwegig, eine Gerätschaft zu besitzen, deren Potenzial man nur ansatzweise erschließen kann? Nicht mehr, als das bei Taucheruhren oder teuren Sportwagen bei der großen Mehrheit ihrer Besitzer der Fall ist. Behutsames Annähern, stetiges Verbessern und jede Saison ein, zwei Mal auf die Rennstrecke, so bleibt die Beziehung aufregend.

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