Auto-News

Die Automesse in Paris bot ein tristes Bild. Es könnte die letzte gewesen sein

Es ist regnerisch und mild, als sich die Türen zum 89. Mondial im Pariser Messegelände öffnen. Was die Besucher antreffen, hat jedoch mit der Vielzahl an Ausstellungsständen früherer Jahre nichts mehr zu tun. Früher waren sechs Messehallen mit Autoneuheiten aus den USA und Europa gefüllt. Jetzt sind nur drei Hallen belegt und diese auch nur teilweise.

Viele Bereiche stehen leer oder sind mit automobilen Ausstellungsstücken ohne Aussagewert gefüllt. Alles wirkt trist. Die üblichen Teppiche in den Gängen zwischen den Ständen sind dem blanken Beton gewichen, der immerhin frisch poliert glänzt. Das Grau in den Hallen passt zur Stimmung in der Branche. Zu gross sind die Lieferschwierigkeiten, zu schlecht die Käuferstimmung.

Immerhin gibt der französische Autokonzern Renault alles und präsentiert sich mit der Kernmarke, der Sportwagensparte Alpine, der Budgetmarke Dacia sowie dem Mobilitätsangebot Mobilize. Auf der Hälfte der Hallenfläche hat sich Renault ausgebreitet. Stolz präsentiert Luca de Meo als Weltpremiere den Renault 4Ever Trophy, einen kompakten SUV im Stile des Renault 4 von 1961, jedoch mit Designanleihen bei Mini.

Etwas abseits und fast unbeachtet steht die eigentliche Neuheit: der seriennahe Kompaktvan Renault Scénic Vision, der ab 2023 ein Comeback feiert, nun aber vollelektrisch. Die zweite echte Neuheit des Herstellers bildet der Kangoo E-Tech Electric, der als Nutzfahrzeug und Familienauto angeboten wird und mit einer Reichweite von 285 Kilometern aufwartet.

Stellantis, der multinationale Konzern mit den meisten Automarken, tritt in Paris lediglich mit DS und Peugeot an. Letztere stellt den 408 als elegantes Crossover-Modell für die europäischen Märkte vor, das mit Plug-in-Hybridantrieb ausgestattet ist und akzeptable 63 Kilometer elektrische Reichweite bieten soll. Hinzu kommt die blosse Ankündigung einer neuen Generation von Elektrofahrzeugen unter dem Label «Inception».

US-Ikone soll mit Elektro-SUV Europas Städte erobern

Die amerikanische Stellantis-Marke Jeep wartet mit dem Geländewagen Avenger auf, der zwar aussieht wie ein typischer Jeep, jedoch elektrisch angetrieben ist, und dies nur an den Vorderrädern. Die Reichweite von rund 400 Kilometern geht bei einem Geländewagen mit gut vier Metern Länge in Ordnung. Die 51 kWh grosse Batterie stammt aus Eigenentwicklung und wird wie der Avenger selbst im polnischen Tychy gebaut.

«Die Aufgabe war, speziell für die europäischen Märkte einen elektrischen SUV zu bauen», sagt Ralph Gilles, Chefdesigner des Stellantis-Konzerns. «Wir haben dabei an den urbanen Dschungel europäischer Städte gedacht.» Doch soll auch eine speziell für Geländefahrten gedachte Variante mit Allradantrieb später folgen. Der Preis für den 2023 startenden Avenger steht noch nicht fest, soll jedoch verblüffend günstig sein.

Damit könnte der für seine Offroad-Modelle bekannte Hersteller die Ablösung der benzinbetriebenen grösseren Modelle Renegade und Compass schaffen – sofern die Kunden mitspielen. Doch Gilles betont: «Der Avenger kommt als zusätzliches Modell, ersetzt also keine anderen Modelle.» Er wird weder in Nordamerika noch in China verkauft werden, aber ausser in Europa auch in Japan, Südkorea und weiteren asiatischen Märkten.

Asiatische Marken ohne Japan und Korea

Den Gegenpol zu Renault und Stellantis bilden die zahlreichen chinesischen Marken und eine aus Vietnam. BYD (Build Your Dreams) aus China trumpft mit vier Modellen für den europäischen Markt auf. Insbesondere der neue Kompaktwagen Seal fällt auf, denn er ist kein weiterer SUV. Mit seinem Limousinenformat, maximal 83 kWh Batteriekapazität und bis zu 700 Kilometern Reichweite ist der chinesische Stromer ein direkter Konkurrent von Tesla Model 3 und BMW i4.

Great Wall, ebenfalls aus China, zeigt in Paris mit Wey und Ora die Marken und Modelle, die in Europa von der Emil-Frey-Gruppe vertrieben werden sollen. Wey ist mit zwei elektrischen SUV-Varianten präsent, die über einen Plug-in-Hybridantrieb mit mehr als 100 Kilometern elektrischer Reichweite verfügen. Ora zeigt den Kleinwagen Funky Cat, der an den früheren Opel Adam erinnert, hat aber auch bereits das Nachfolgemodell Next Ora Cat dabei, eine Art Kompaktversion des Porsche Panamera. Beide Modelle sind mit dem gleichen Plug-in-Antrieb ausgerüstet wie bei der Schwestermarke Wey.

Der chinesische Luxusautobauer Seres zeigt den elektrischen SUV Seres 3 mit 52,5 kWh grosser Nickel-Cobalt-Mangan-Batterie und einer Reichweite von 330 Kilometern. Noch unklar ist, wie der Hersteller im in Europa besonders umkämpften Segment der elektrischen SUV auftrumpfen will. Das Besondere an den Seres-Fahrzeugen ist das Betriebssystem von Huawei, dem ebenfalls chinesischen Elektronikkonzern.

Vinfast, die in letzter Zeit sehr aktive vietnamesische Marke, feiert am Mondial mit den Modellen VF6 (kleiner Fünftürer) und VF7 (Kompakt-SUV) Europapremiere. Sie sind mit ihren von Pininfarina und Torino Design entwickelten Designs auf den europäischen Markt zugeschnitten. Eine ganze Reihe von elektrischen Motorrollern ergänzt das Programm.

die automesse in paris bot ein tristes bild. es könnte die letzte gewesen sein

Der vietnamesische Autobauer Vinfast ;zeigt in Paris unter anderem den kompakten Viertürer VF6. Vincent Isore / Imago

Die kleinen Aussteller sind das Salz in der Suppe

Übrig bleiben im Messezentrum an der Porte Versailles noch ein paar bunte Tupfer aus aller Welt. Der marokkanische Hersteller Mamx zeigt einen SUV mit Brennstoffzellenantrieb. Clever ist daran das im Heck versteckte Dock von sechs Wasserstoffkartuschen, die sich wie beim Wasseraufsprudler einzeln durch frische, also aufgefüllte Patronen ersetzen lassen. Ein entsprechendes Netz von Stationen für Wasserstoffkartuschen müsste jedoch erst aufgebaut werden.

Einen grosszügigen Stand nützte der französische Hersteller Hopium für die Enthüllung seines Konzeptautos Machina Vision. Die elegante Limousine soll offenbar gegen den Tesla Model S positioniert werden, verfügt jedoch nicht über eine Antriebsbatterie, sondern über ein System mit Brennstoffzelle und Wasserstofftanks. Insofern wird der normannische Wagen eher ein Konkurrent des Toyota Mirai, wenn der Hopium Machina denn wie geplant ab 2025 in Serie gehen sollte.

die automesse in paris bot ein tristes bild. es könnte die letzte gewesen sein

Zu den überraschenden Aussenseitern gehört der französische Hopium Machina, der 2025 als Wasserstoff-Fahrzeug auf den Markt kommen soll. Vincent Isore / Imago

Einer der wenigen deutschen Aussteller ist der Elektroautobauer Next.e.Go Mobile, der in Paris den E.Go E.Wave X zeigt. Der elektrische Kleinstwagen kommt auf bis zu 86 kW (117 PS) Höchstleistung und mit einer 30-kWh-Batterie auf 163 Kilometer Reichweite. Als Stadtflitzer soll der 3,36 Meter lange Zwerg durch seine Wendigkeit auftrumpfen, entweder als Personenwagen oder als Nutzfahrzeug.

Noch kleiner ist der Zürcher Microlino mit italienischer Fertigung. Um in Paris eine neue Version anbieten zu können, haben die Gebrüder Ouboter den Spiaggina entwickelt, eine Art offener Flanierwagen mit gestreiftem Stoffdach für die Sommerzeit. Zweite Neuheit ist der Microlino Lite, der maximal 45 km/h schnell ist und daher ohne Autofahrausweis gefahren werden kann.

die automesse in paris bot ein tristes bild. es könnte die letzte gewesen sein

Auch die Schweiz ist am Pariser Autosalon 2022 vertreten. Der Microlino Spiaggina ;(links) soll den kleinen Stadtstromer aus Zürich vor allem im Sommer attraktiv machen. Vincent Isore / Imago

Dann war da noch eine irritierende Fussnote: Es dürfte die Macher der Pariser Automesse besonders geschmerzt haben, dass Mercedes als deutscher Autobauer ausgerechnet Paris als Veranstaltungsort für die Premiere des elektrischen EQE SUV auswählte, noch dazu am Pressetag des Mondial.

Und so scheint der Versuch, nach viermaligem Ausfall des Genfer Autosalons doch noch eine europäische Automobilmesse durchzuführen, trotz dem guten Willen von Renault und der asiatischen Hersteller gescheitert zu sein. Die Tatsache, dass der Stellantis-CEO Carlos Tavares die Marken Citroën, Fiat, Alfa Romeo und Maserati am Mondial de l’Automobile gar nicht erst ausstellen lässt, dürfte als deutliche Absage an die konventionelle Autoausstellung in grossem Rahmen gelten.

Die Besucherzahlen werden kaum als Gradmesser für einen Messe-Erfolg dienen können, denn der Pariser Salon wurde vorsichtshalber auf fünf Ausstellungstage verkürzt. Drei hätten vermutlich auch gereicht. Adieu, Paris. Adieu, Genf?

TOP STORIES

Top List in the World